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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Museum Culinacum am Runden Turm - Zentrum der essbaren Stadt Andernach

3. Preis

Preisgeld: 10.500 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Entwurfsidee

Um das historische Bild der nordwestlichen Stadtmauer mit seinem wehrhaften Rundturm als „Andernacher Pforte“ zu bewahren, wird eine bauliche Entwicklung ausschließlich auf dem „inneren“ Teil des Grundstücks vorgeschlagen. Der Museumsneubau stellt mit seiner polygonalen Form und Kubatur ein Gelenk dar, welches gleichwertige Blicke und Annäherungen von der Hochstraße im Süden (z.B. vom Parkhaus in der Kölner Straße kommend) als auch über die historische Wegeverbindung der Herrengasse zwischen Kirchstraße im Westen und Mauerdurchlass im Norden ermöglicht.
Fassadenfluchten, sowie Vor- und Rücksprünge der Fassaden dienen der Erlebbarkeit des Ortes (z.B. Turmblick von Westen und Süden).
Ein Vorplatz im Süden, auf den optional ein Café im Ideenteil ausgerichtet sein kann, der aber auch durch das Element der baulich integrierten Museumsküche belebt wird, leitet die Wegeführung zum Eingang im Süden. Ebenso ist jedoch auch das Betreten des Foyers von Nordosten von der historischen Achse der Herrengasse und dem neuen Museumsgarten aus möglich. Auf diese Weise fungiert das Museumsfoyer als physische und optische Verbindung aller Außen- und Innenbereiche.
Der Ideenteil des Grundstücks wird als Folge dreier Baukörper entlang der Hochstraße entwickelt, wo zwei ebenfalls polygonale Baukörper das Alte Bürgermeisterhaus rahmen und so in das Ensemble selbstverständlich und in seiner zeitlichen Schichtung lesbar integrieren. Es entsteht somit insgesamt eine geschützte und dennoch öffentlich durchwegbare Gartensituation an der historischen Herrengasse. Hier aber auch entlang der Stadtmauer wird die Idee des essbaren Museumsgarten kultiviert.
Die Raumfolgen im Inneren sowie die sorgfältig gesetzten Fensteröffnungen sind auf ein Erleben der beiden Themen Stadtgeschichte und essbare Stadt hin ausgelegt. Orte zum „Sich-Versammeln“ von Gruppen (z.B. Schulklassen) sind in die Wegeführung integriert – so z.B. am Treppenbeginn im EG. Foyer, Veranstaltungsraum und der Raum für die Wechselausstellung können als großes multifunktionales Raumkontinuum im EG – auch außerhalb der Museumsöffnungszeiten – genutzt werden.
Für die Dauerausstellung steht die Fläche des 1. OG zur Verfügung. Durch die polygonale Form hat der Raum Charakter ist aber gleichzeitig offen für verschiedene änderbare Präsentationsformen. Über die Terrasse und den von hier aus erreichbaren barrierefreien Weg über den Wehrgang der Mauer und den vorhandenen Raum im Turm lassen sich die Themen des Museums hervorragend verbinden.
Im 2. OG sind die Verwaltungs- und Technikflächen sowie ein Lager zusammengefasst, die alle nicht mehr die Anforderungen an die hohen Lastannahmen der Ausstellung und des Depots haben, so dass hier die statische Konstruktion insgesamt sparsamer ausgeführt werden kann. Den Mitarbeitenden bietet sich die Möglichkeit einer Terrassenaustritts mit Turmblick. Eine kleine Loggia nach Süden vor dem Co-Working-Bereich ist als Anleiterstelle des 2. Rettungswegs für die Verwaltungs-Mitarbeitenden angedacht.
Der 2. Rettungsweg aus dem 1. OG ist über die Terrasse und die Treppe zum Mauerrundgang ermöglicht, im EG bietet sich allen Räumen der direkte Fluchtweg über die Fassaden.


Konstruktion, Farben, Materialien und Beleuchtung

Für die Ausstellungs- und Depotflächen des Museums sind erhebliche Verkehrslasten von bis zu 2 t/qm zu erwarten. Diese können wirtschaftlich nur durch eine Betonkonstruktion abgeleitet werden. Um aber dennoch einen sparsamen Ressourcenumgang und geringen CO2-Verbrauch zu erreichen, wird auf ein Kellergeschoss verzichtet und ein Skelett aus Stützen und Decken entwickelt, welches den Einsatz von Beton auf ein maximal reduziertes „Muss“ beschränkt. Zudem ist die Verwendung von derzeit in der Zertifikation befindlichem zementfreiem Recyclingbeton geplant, soweit dies das Projektbudget zulässt.
Die Gründung der Stützen erfolgt auf Einzelfundamenten. Die Bodenplatte ist als nichttragende Betondecke auf einer Glasschotterschicht ohne Frostschürze aufgelagert. Hierzu wird das Glasschotterbett ca. 1m über den Rand der Bodenplatte ausgeweitet und in einem Geotextil gefasst. Glasschotter ist zu 100% aus Altglas hergestellt, hoch Druck-belastbar und wiederverwendbar.
Die Fassade selbst wird als selbsttragende und vorgefertigte Holz-Rahmen-Konstruktion vor die Skelett-Konstruktion gesetzt. Die zwischen den Fassadenstützen verbleibenden Hohlräume werden für sämtliche Installationen – insbesondere die für die Klimatisierung – genutzt. Zu- und Abluft erfolgten so direkt über Wandöffnungen, so dass komplett auf Hohlraumböden und abgehängte Decken verzichtet werden kann.
Als Werkstoff der Außenfassade wird Naturstein aus Ettinger oder Weibener Tuff – als 9 cm dicke selbsttragende Naturstein-Mauerwerkswand nach den Richtlinien des DNV (Deutscher Natursteinverband) – ausgeführt, um die jahrhundertealte regionale Natursteintradition zum Ausdruck zu bringen. Die Innenfassaden werden als dunkel lasierte Holzschalung vorgeschlagen, die regional verfügbar, einfach bau-, rückbau- und revisionierbar als auch positiv für das Raumklima ist. Somit sollen farbneutrale Räume als „szenischer Hintergrund“ für die museumstypisch Spot-artig ausgeleuchteten Ausstellungsstücke, Vitrinen und Schautafeln entstehen. Somit lassen sich auch einfach in die Wand eingelassene Vitrinen ins Ausstellungskonzept integrieren.
Die Böden sind budgetabhängig aus örtlichem Basaltlava-Platten auf Heizestrich oder als geschliffener dunkel gefärbter Estrichboden gedacht und die Decken verbleiben ebenso wie die Innenwände und sStützen aus Sichtbeton.
Türen und Fenster sind Holz-Glas-Konstruktionen oder budgetabhängig aus Aluminium.
In die Betondecken wird eine Grundbeleuchtung aus tiefliegenden Downlights sowie optionalen Spotlight-Anschlüssen zur Ausleuchtung von Ausstellungsstücken integriert Regelmäßig positionierte Elektro- und Datenanschlüsse im Fußboden ermöglichen wechselnde Ausstellungssituationen.
Brüstungen und Treppen erhalten Metall-Stabgeländer aus Baubronze.
Für die Orientierung werden eigens für das Museum zu entwickelnde Piktogramm-artige Metallsignets vorgeschlagen.


Außenanlagen

Für das Freiraumkonzept des Culinacums wurde besonderes Augenmerk auf die Schaffung einer Freianlage gelegt, die historische Pfade aufgreift und die befestigten Flächen minimiert, um Raum für essbare Gärten zu schaffen.
Die Wegeführung auf dem Gelände wurde durch platzartige Aufweitungen an den Gebäudezugängen, insbesondere dem Vorplatz und dem Gartenplatz, betont, um attraktive Aufenthaltsbereiche und Treffpunkte zu schaffen. Durch die dynamische Wegeführung entstehen Blickbeziehungen zu den Eingangsbereichen, die die Adressbildung und die Orientierung fördern. Der im Süden liegende Vorplatz wird durch ein Solitärgehölz und mögliche Außengastronomie bespielt. Im nördlichen Gartenplatz wird eine entspannte Atmosphäre unter dem lichten Schatten der Bestandsgehölze geschaffen, die Raum für weitere Gastronomie bietet.
Der nordöstliche Teil des Grundstücks wird als große zusammenhängende Gartenfläche gestaltet, die zur Kultivierung von Nutzpflanzen genutzt werden kann. Kleine Gartenpfade ermöglichen die Begehung, und der befestigte Gartenplatz mit Sitzelement bietet Raum für interessierte Besucher und Seminarteilnehmer.
Die bestehenden Gehölze können durch das Konzept erhalten werden und werden nord-westlich der Stadtmauer mit einer Obstbaumwiese ergänzt, sodass zukünftig auch hier das öffentliche Pflück-Angebot erweitert werden kann.
Am südlichen Zugang zum Gelände wird die Museumsküche/Atelier als markanter 'Eyecatcher' platziert, der die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zieht und einladend wirkt. Die Veranstaltungsfläche an der Museumsküche für Events und Seminare erstreckt sich zwischen der historischen Stadtmauer und dem Atelierbereich und bietet einen geschützten, überdachten Raum. Gleichzeitig ermöglicht sie die Nähe zu den essbaren Gärten entlang der historischen Mauer.
Dieses Entwurfskonzept zielt darauf ab, die Einzigartigkeit des Museumsgeländes samt Stadtmauer hervorzuheben, historische Elemente zu bewahren und gleichzeitig moderne Funktionen und historische Nutzungen zu integrieren. Es wird eine vielseitige und ansprechende Umgebung schaffen, die sowohl für die Museumsnutzung als auch für Veranstaltungen optimal geeignet ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln das Museum sowie die Gebäude des Ideenteils in Form eines polygonalen Gebäudeensembles aus ein- bis dreigeschossigen Baukörpern. Dabei bildet das Museum zur alten Stadtmauer eine räumliche Fassung nach Westen. Geschickt vermittelt die Freiform die historische Wegeführung zwischen Herrengasse, Hochstraße und Rheinufer. Mit großer Selbstverständlichkeit formuliert das Gebäude entlang dieser Wegeführung seine Addressbildung. Grundsätzlich ist die Entscheidung, den Museumsneubau selbstbewusst als Freiform zu entwickeln, nachvollziehbar. Jedoch wirkt die Positionierung der Gebäudekubatur im Norden und Westen eng an der Stadtmauer, bei gleichzeitiger Ausformulierung als Freiform zum Wettbewerbsgrundstück unentschlossen und wird im Preisgericht kontrovers diskutiert. So entwickelt der schmale Zwischenraum zur Stadtmauer wenig räumliche Qualitäten und kann als überwiegend verschatteter Freiraum in seiner angedachten Nutzung als essbarer Garten kaum überzeugen. Auch gerät hierdurch die nördliche Zugangssituation durch die Stadtmauer deutlich zu eng, während der eingeschossige Baukörper nach Süden in seiner Kleinteiligkeit zu wenig Kraft zur Adressbildung zur Hochstraße entwickelt. Der Erhalt des Baumbestands in nordöstlichen Teil des Baufelds, sowie der Linden zur Kirchstraße wird positiv bewertet. Die umgebenen Freiflächen lassen in ihrer Ausformulierung nicht den ganzheitlichen Planungsanspruch als Zentrum der essbaren Stadt erkennen. Ihre Zonierung entwickelt sich nicht aus dem Dialog mit dem Museum und hat eher den Charakter von Restflächen und Randbereichen. Entsprechend der Gebäudegliederung positioniert, gelangt man von Süden so- wie von Norden in das Foyer des Museums. Zwar sind die Funktionsbereiche im Erdgeschoss richtig angeordnet, jedoch verhindert die Innenlage des Foyerbereichs die wünschenswerten Blickbezüge in den umgebenen Freiraum und es wirkt beengt. Die Positionierung und Funktionalität des Cafébereichs ist nicht eindeutig nachvollziehbar.
Die vertikale Erschließung erfolgt entlang eines kompakten Erschließungskerns und führt die Besucher in die Dauerausstellung des 1. Obergeschosses. Die Brandschutzanforderungen an den Treppenraum sind hierbei nicht überall erkennbar. Ob das zweite Obergeschoss per Anleiterung entfluchtet werden kann, bleibt fraglich. Positiv wird honoriert, dass die barrierefreie Erschließung ein nahezu gleich- wertiges Museumserlebnis ermöglicht. Der angedachte Rundgang über die Stadtmauer als zusätzliches museales Element wird ebenfalls positiv bewertet. Eine Abstufung der weiteren Erschließung der internen Verwaltungsbereiche im 2. Obergeschoss wäre wünschenswert. Die dort geplanten Büroräume versprechen eine angemessene Arbeitsatmosphäre.
Das Gebäude ist als Stahlbetonskelettbau konventionell konzipiert. Die Außen- wände sind hierbei als Holzkonstruktion mit vorgeblendeter selbsttragender Natursteinfassade ausgebildet. Mit Blick auf Baukosten und die bauliche Umsetzung ist die Wahl der unterschiedlichen Konstruktionsweisen nicht nach- vollziehbar und wirkt unnötig kompliziert. Die an sich kompakte Gebäudekubatur befindet sich im wirtschaftlichen Bereich, wenngleich das Raumprogramm mit 15% überschritten wurde. Mit ihrem Beitrag formulieren die Verfasser insgesamt eine Arbeit, die typologisch überzeugen kann, jedoch in ihrem Ausdruck und Ausbildung der Öffnungen zu wenig in den Dialog mit dem umgebenen Stadtraum tritt. Nicht nachvollziehbar ist, dass die angedachten Baukörper des Ideenteils sich dem gleichen formalen Ausdruck des Museums bedienen und sich somit wechselseitig an Kraft nehmen.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Obergeschosse

Grundriss Obergeschosse

Piktogramme

Piktogramme