Künstlerischer Realisierungswettbewerb | 10/2024
Nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig
©ZILA mit Bea Meyer und Michael Grzesiak
Banner, Fahnen, Transparente
1. Preis
Preisgeld: 35.000 EUR
Kunst
Kunst
Mathes Beratende Ingenieure GmbH
Tragwerksplanung
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ überzeugt das Preisgericht durch seine zugleich abstrakte und konkrete Würdigung eines zentralen Elements von Protestbewegungen im Allgemeinen und der „Friedlichen Revolution“ von 1989 im Besonderen. Die kraftvolle Inszenierung der 50 über den Platz verteilten Objekte, in den Boden gesteckte Banner, Fahnen und Transparente, überlässt den Betrachtenden Raum für Assoziation, Aneignung und Partizipation. Die nahbaren Objekte haben eine jeweils eigene, diXerenziert gestaltete Form und Größe. Gemeinsam ist den Transparenten jedoch ihre Materialität, weiß lackierter Edelstahl, und die Leere. Sie zitieren also keine Parolen, sondern fungieren als noch unbeschriebene Projektionsflächen. Insofern konstituieren sie einen Freiheits- und Möglichkeitsraum, zugleich lassen sich die weißen Flächen als Signal einer friedlichen Gesinnung interpretieren. Bemerkenswert ist die künstlerisch hergeleitete Platzierung der Objekte, die durch eine ungleiche, spontane „Streuung“ im Landschaftsraum und sensible Setzung gekennzeichnet ist. Die mögliche Überschreitung des bisher angedachten Planungsbereichs wird vom Preisgericht als Qualität anerkannt. Der planerische Rahmen für den Ökotopia-Park auf dem Wilhelm- Leuschner-Platz wird somit sensibel durch ein prägnantes Denkmal ergänzt. Die Gruppen der Transparente verdichten sich im nordwestlichen Teil des Platzes, als stünden dort viele Protestierende unmittelbar beieinander, während sie an anderen Stellen in kleineren Gruppen oder gar nur vereinzelt auftreten. Das veranschaulicht auf beeindruckende Weise das Risiko und die Dynamik von Protestbewegungen: Oft sind es zuerst nur Einzelne, die den Mut fassen, sich mit einer Meinungsäußerung zu exponieren, vielleicht bleiben sie auch alleine oder werden gar abgestraft, manchmal aber finden sie Gleichgesinnte, aus Wenigen werden viele, an denen schließlich kein Weg mehr vorbeiführt. Einen direkten Bezug zu den Ereignissen von 1989 stellt der Entwurf insofern her, als in den Boden über den Platz verteilt insgesamt sechzehn ZiXernzüge aus Aluminiumguss eingelassen sind, auf denen die historisch wichtigsten Daten – die „irregulären Tage“ (Michael Schade) – der Ereignisse rund um die „Friedliche Revolution“ benannt sind.
Die Leere der Transparente lädt in subtiler Form zur gedanklichen Befüllung der Transparente ein, die leichte, spontan in die Wiese eingesteckt wirkende Form macht die Objekte zum nahbaren Gegenstand des Alltags.
Kontrovers diskutiert das Preisgericht die Frage der aktiven Partizipation, die sich im schlechten Fall in Form von Vandalismus ausdrückt. Für beides bietet das Denkmal die Plattform und es gilt ein angemessenes Konzept zu bieten. Eine im Entwurf bereits benannte, das Denkmal begleitende Website mit weitergehenden Informationen zu u.a. den im Boden genannten Daten ist ein Ansatz, der vom Preisgericht unterstützt wird, aber als alleinige Antwort noch nicht ausreicht, um das Potential dieser oXenen Frage auszuschöpfen. Hier bleibt oXen, mithilfe welcher Choreographie die Besuchenden die Anregung zu Mut und Meinungsfreiheit abstrakt oder konkret zu Anteilnahme aufgefordert werden, eigene Meinungen zu entwickeln, zu diskutieren und zu manifestieren. Sicherzustellen ist, dass diese Prozesse zwar zur Diskussion der Grenzen der freien Meinungsäußerung und des Ringens für Freiheit anregen, aber der friedliche und respektvolle Rahmen aber gesichert wird.
Insgesamt ist der Entwurf ein hervorragender Beitrag zum Wettbewerb, der vom Preisgericht für sein schlüssiges Gesamtkonzept ausgezeichnet wird, das dauerhaft einen kraftvollen und inspirierenden Ort für die würdevolle Auseinandersetzung mit Kernfragen der Demokratie schaXt.
©ZILA mit Bea Meyer und Michael Grzesiak
©ZILA mit Bea Meyer und Michael Grzesiak
©ZILA mit Bea Meyer und Michael Grzesiak
©ZILA mit Bea Meyer und Michael Grzesiak
©ZILA mit Bea Meyer und Michael Grzesiak