Nichtoffener Wettbewerb | 12/2024
Neubau Ausstellungshaus Welt der Versuchungen in Erfurt
©conica.studio
Haupteingang
Anerkennung
Preisgeld: 5.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
Prof. Sebastian Jehle, Fleur Keller, Thomas Kramps, Prof. Sebastian Jehle
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Mitarbeitende:
TGA-Fachplanung
Erläuterungstext
LEITIDEE
Der Neubau der Welt der Versuchung an der prominenten Lage am Stadteingang Erfurt erfordert eine eindeutige Definition des Ortes. Die verschiedenen funktionalen Anforderungen werden dabei bewußt als ein gestalterisch durchgängiges Ensemble entwickelt, das mit dynamischem, eigenständigem Charakter klar lesbar wird. Dabei bildet der Neubau, der durch eine differenzierte horizontale Schichtung gegliedert ist, umlaufend klare Raumkanten aus. Den selbstbewußten Auftakt bildet der prägnante Kopfbau zum Quartiersplatz, wo er mit der Überkragung und der breiten einladenden Treppe zusammen mit dem großzügigen Platz den Eingang betont und mit transparenter Geste in das Gebäude einlädt.
STÄDTEBAU UND FREIRAUM
Mit dem Ausstellungshaus Welt der Versuchung ergibt sich die Chance, einen offenen und lebendigen Ort des Austausches und der niedrigschwelligen Begegnung mit den Themen Suchtprävention und Gesundheitsförderung zu schaffen. Gleichzeitig kann der Neubau des Austellungshauses ein Stück Stadtreparatur an der prominenten Lage am Eingang zur Altstadt Erfurt leisten. Städtebaulich erfordert dies eine eindeutige Definition des Ortes, mit der die Bedeutung des Ausstellungsgebäudes als offenes Haus repräsentiert und die stadträumliche Situation sowohl Richtung des neuen Quartiersplatzes als auch zu den umliegenden Seiten bestimmt wird. Bei dem Neubau für die Welt der Versuchung kann es sich somit nicht um einen reinen Funktionsbau handeln, sondern es erfordert eines städtebaulich wie architektonisch markanten Auftritts.
Die verschiedenen funktionalen Anforderungen von Ausstellung und Gastronomie sowie Workshop- und Seminarräumen werden dabei bewußt als ein gestalterisch durchgängiges Ensemble entwickelt, das mit dynamischem, eigenständigem Charakter klar lesbar wird. Dabei bildet der Neubau, der durch eine differenzierte horizontale Schichtung gegliedert wird, umlaufend klare Raumkanten aus. Den Sockel bildet die offene Parkebene, auf die sich die transparente Foyerebene mit allen öffentlichen Bereichen legt. Abgesetzt von dieser transparenten Ebene entwickelt sich der kraftvolle dreigeshossoge Baukörper mit Ausstellung, Workshop und Verwaltung.
Einen selbstbewußten Auftakt bildet der prägnante Kopfbau zum Quartiersplatz, wo er mit der Überkragung und der breiten einladenden Treppe zusammen mit dem großzügigen Platz den Eingang betont und mit transparenter Geste in das neue Gebäude einlädt. Neben dem Eingang öffnet sich das Haus mit dem Café und trägt mit seinen Außensitzbereichen zur Belebung des Platzes bei. Das Platzniveau geht mit der großzügigen Treppe in das Foyer über, ein Aufzug zur behindertengerechten Erschließung ist dem Punkt ebenfalls direkt zugeordnet. Das höher liegende Niveau legt sich über die Parkebene. Diese Schichtung ermöglicht die wirtschaftliche Umsetzung der Parkplätze als oberirdische, natürlich belüftete Ebene, ohne Errichtung eines Untergeschosses.
Das direkt an den Eingangsbereich und das Foyer anschließende Atrium, das Lichthof-artig über die gesamte Höhe des Gebäudes reicht, wird zum Herz des Hauses für Partizipation und Diskurs wie auch zum Schaufenster in Richtung Stadt.
Durch das Verschwenken öffnet sich die Kubatur selbstbewußt Richtung Nord-Osten an der Straße ‚Am Hügel‘ und wird zum prägnanten Stadteingang. Nach Norden und Westen bildet der Neubau eine klare Kante im Gegenüber zu der Wohnbebauung Weidengasse/Huttenstraße. Ein weiterer Eingang an der Huttenstraße ermöglicht den Mitarbeitern den autarken Zugang der einzelnen Nutzungsbereiche. Auch erfolgt über die Nordseite die Erschließung der Parkplätze wie auch die Anlieferung des Gebäudes.
Die Freiraumkonzeption ist mit der gleichen Klarheit entwickelt und lässt einen hochwertigen städtischen Raum entstehen, der eine hohe Gestaltungs- und Aufenthaltsqualität sowie die Integration von Stadtgrün umsetzt. Der Haupteingang der Welt der Versuchung erhält einen adressbildenden Vorplatz an der Weidengasse, der Aufenthaltsmöglichkeiten, Treffpunkte und Räume für Außengastronomie bietet. Eine temporäre Reisebus-Haltstelle wird in der Nähe des Eingangs angeboten.
Gleichzeitig verbessert ein hoher Anteil an Grünflächen das Mikroklima in der dicht besiedelten und versiegelten Altstadt. Vor dem Atrium des Gebäudes entlang der Straße ‚Am Hügel‘ wird ein grüner städtischer Platz angelegt. Die Platzierung der großflächigen Grüninseln ermöglicht eine gute Orientierung und verstärkt die Bezüge zwischen Innenraum und Außenraum. Die Grüninseln können auch als temporäre Ausstellungsflächen genutzt werden.
Die kompakte Anordnung des Neubaus schont die Freiflächen und den Baumbestand. Die wenigen Bäume, die zur Anlage des Gebäudes entfernt werden müssen, werden durch eine höhere Anzahl von stadtklimafesten Neupflanzungen im Planungsgebiet ausgeglichen.
Der Verlauf der Straße Am Hügel zwischen Huttenstraße und Weidengasse wird mit gleichem Platzbelag als verkehrsberuhigter Bereich hergestellt. Die Markierung der Fahrbahnen erfolgt durch die Höhenunterschiede. Die Fahrbahnen der Huttenstraße und Weidengasse werden verschmälert, um einen fußgängerfreundlichen Stadtraum zu schaffen. An der Huttenstraße können öffentliche Parkplätze angeordnet werden.
Als Überflutungsschutz sind drei große Grüninseln als Verdunstungsfläche vorgesehen, die neben der Kanalentlastung bei der Verdunstung von Niederschlagswasser zur Kühlung des Mikroklimas beitragen. In den anderen Grünflächen können leichte Versickerungsmulden im Falle des Starkregenereignisses Regenwasser halten, verdunsten und versickern. Für die PKW-Stellplätze werden Rasengitterplatten verwendet, um die Versickerung des Oberflächenwassers zu ermöglichen. Ein großer Teil des Gebäudedachs wird als Retentionsdach ausgebildet. Somit kann das Regenwasser gespeichert werden und verdunsten.
Beurteilung durch das Preisgericht
Das große, haushohe Atrium verbindet alle Räume und öffnet sich als Schaufenster und Einladung nach außen. Dieser Leitgedanke wird unterstützt durch eine hohe räumliche Qualität des Atriums, in dem es über Treppen angehoben wird und die Abwinkelung nicht nur eine zentrale, sichtbare Position nach Außen, sondern auch eine innenräumliche Akzentuierung erfährt.
Das Zurücktreten des Baukörpers von der Weidengasse bietet eine angemessene Eingangssituation von der Altstadt und öffnet sich mit einer platzartigen Eingangsgeste schlüssig zum Stadtraum hin. Die beiden Abwinkelungen des Baukörpers vor allem Richtung Norden bilden ein schönes Gegenüber zum Platz an der Kronenburgstraße.
Die Anhebung der Parkgarage wird generell als positiv bewertet, allerdings könnte ein halb eingegrabenes Geschoss eine im Moment zu hohe Mauer an der Straße „Am Hügel“ vermeiden. Ebenso wirft diese zwar gelungene Inszenierung des Eintretens in die Welt der Versuchungen Fragen bezüglich der Barrierefreiheit und niedrigschwelligen Öffnung des Gebäudes für Alle auf.
Positiv wird der geringe Versiegelungsanteil zu Gunsten begrünter, verdunstungswirksamer Grünflächen bewertet. Auch die Fassadenbegrünungen und die Gründächer leisten einen wichtigen Beitrag zur Wasserretention und der Verbesserung des Mikroklimas. Generell bleibt der Freiraumentwurf jedoch bezüglich seiner gestalterischen und räumlichen Qualität sehr schematisch und lässt eine maßstabgerechte Differenzierung vermissen.
Die verschiedenen Winkel des Baukörpers werden im Inneren des Gebäudes gekonnt aufgenommen und bilden interessante und gut proportionierte Ausstellungsräume unterschiedlicher Größe und Orientierung. Die Fassade wird in Ihrer Einfachheit im Ausdruck begrüßt.
Positiv kann die eingeschobene Parkgarage, die kompakte Organisation der Räume und Verwendung der Materialien angeführt werden.
Die Idee des Atriums als mehrfach nutzbarer Raum auch für die Stadtgesellschaft wird hier glaubwürdig eingelöst.
©Hascher Jehle Architektur
Lageplan
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Foyer
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Ausstellung
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Ansichten
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Artirum