Einstufiger, nicht offener Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Auswahlverfahren | 04/2024
Neubau Campusmensa in Rottenburg am Neckar
©H|G Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB
Perspektive Zugangssituation
2. Preis
Preisgeld: 21.000 EUR
H|G Hähnig | Gemmeke Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB
Architektur, Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Als neuen Baustein ergänzt die Campusmensa den bestehenden Schulcampus am Hohenberg und wird durch die vielschichtige Nutzungskonzeption zu einem attraktiven Aufenthaltsort.
Durch die städtebauliche Ausrichtung verbindet der Mensaneubau bestehenden räumliche Qualitäten und wird auf funktionaler und stadträumlicher Ebene zum Gelenk zwischen den Schulen im Nord-Westen, den bestehenden Grünstrukturen im Südwesten sowie den angrenzenden Stadtquartieren. Der Mensaneubau wird so zu einem identitätsstiftenden Ort für die vielschichtigen Nutzergruppen, schafft Raum für Begegnung und Austausch der Nutzer*innen.
Der Zugang zur Mensa, die „Adresse“, erfolgt über den Vorplatz im Nordwesten und wird von einem überdachten Vorbereich markiert. Mit Betreten des Gebäudes eröffnet sich eine interne Achse, welche durch das Gebäude führt - die Rue Intérieure. Sie verbindet die vielfältigen Funktionen und bildet das gemeinsame Rückgrat des Neubaus.
Der Gastraum ist durch seinen räumlichen Zuschnitt und seine Teilbarkeit mittels mobiler Trennwände multifunktional nutzbar und den Anforderungen entsprechend adaptierbar. Ebenso erlauben eine flexible Bestuhlung verschiedene Raumkonfigurationen, um auch innerhalb des großen Raumes Zonierungen vornehmen und Rückzugsorte schaffen zu können. Dabei ist die Lounge direkt eingebunden und Teil des Gastraumes. Umlaufende Sitznischen an den Außenfassaden bieten weitere Sitz- und Rückzugsgelegenheiten.
Der Mehrzweckbereich sowie das Büro der GWO sind im vorderen Bereich des Gebäudes angeordnet und können sowohl von innen über die Rue Intérieure als auch von außen über den Vorplatz erschlossen werden. Damit wird eine Sichtbarkeit von Außen ermöglicht. Zudem erlaubt die Positionierung im Gebäude eine vom Gastraum unabhängige, ganztägige Nutzung der Räumlichkeiten. Damit wird die Mensa über die Essenszeiten hinweg ganztägig bespielt und dient darüber hinaus als Treffpunkt und Anlaufstelle für die Jugendarbeit, Senioren des Ortes und für Veranstaltungen.
Eine Auskragung des Daches ermöglicht einen wettergeschützten Außenbereich mit festen Sitzgelegenheiten. Die begleitenden Sitzelemente begrenzen einerseits den Außenbereich räumlich und dienen zudem als Verbindungselement hin zum südlich gelegenen Minispielfeld, der Picknickwiese sowie der angrenzenden Festwiese. Integrierte Sitzbänke schaffen außerdem weitere Treffpunkte und Aufenthaltsmöglichkeiten.
Die Campusmensa ist in einer Hybrid-Bauweise aus Holz und Recycling-Beton geplant.
Beurteilung durch das Preisgericht
Auf der begrenzten Baufläche platzieren die Verfassenden einen quadratischen Pavillontypus.
Mittels einer sehr subtilen Drehung, heraus aus der Achsialität der Festwiese, nimmt der neue Baukörper den Bezug zu Freiräumen und Baulichkeiten der Umgebung auf.
Die neue Eingangshöhe wird gegenüber dem Bestandsgelände leicht angehoben - die freiräumliche, funktionale Anbindung des Vorplatzes an das Schulgelände gelingt. Gleichzeitig bildet der Neubau einen angemessenen östlichen Abschluss des hier entstehenden zukünftigen Campus.
Im Inneren finden sich die verschiedenen Funktionsbereiche stringent organisiert. Ein zentraler Erschließungsraum teilt als ‚Rue Interieur‘ das Gebäude in einen südwestlich gelegenen Gastraum mit angelagertem Mehrzweckraum und Büro für die Jugendarbeit und einen nordöstlichen Funktionstrakt mit dienenden Räumen. Über drei grüne Lichthöfe wird der zentrale Teil des Innenraums gut belichtet. In ihrer gesamträumlichen Wirkung werden sie im Mensabereich jedoch kritisch diskutiert - hier sollte ggfs. ein Ersatz durch Oberlichter in Erwägung gezogen werden. Mit dem durchgesteckten Erschließungsbereich wird ein durchgehender Blickbezug von Nordwest nach Südost ermöglicht - eine Qualität, die von der Jury ausdrücklich gewürdigt wird. Die Belichtung des Nebenraumtrakts sollte nochmals überprüft werden.
Die Umkleiden sind über einen separaten Eingang erreichbar, was eine gute Trennung zwischen rein und unrein mit sich bringt. Der Warenfluss ist funktional und erfüllt die Auslobungsvorgaben. Die Ausgabe ist wie gewünscht als lange Theke geplant, was einen schnellen Durchsatz der Schüler darstellen wird. Die Rückgabebereiche in den Funktionsnischen werden für Kreuzungspunkte im Schichtbetrieb sorgen. Zudem sind die Wege in die Spülküche sehr lang, was zu einem erheblichen Personalaufwand führen wird. Die Spülküche schließt unmittelbar an die Rückgabe an, was sehr gut gelöst ist. Die Speisereste werden dann über die Umberpackung in den Müllbereich geführt, was durchaus möglich ist.
Die klare Organisation der Nutzungen überzeugt, v.a. die gewünschte optionale Teilung des Gastraums in kleinere Einheiten ist hier gut möglich. Kritisch dagegen wird die Positionierung der Funktionsnischen unmittelbar an den Lichthöfen gesehen, die hier die Transparenz und Raumwirkung stören. Eine separate Nutzung des Mehrzweckraums und Bereichs für die Jugendarbeit ist gut vorstellbar. Insgesamt sind die organisatorischen Prinzipien überzeugend. Vorplatz und Erschließung des Haupteingangsbereichs bleiben in der Bearbeitung des Reliefs, in der Grünausstattung und im Nutzungsangebot noch etwas vage - hier wäre eine Präzisierung der Darstellung angemessen gewesen.
Zur Festwiese und nach Südosten wird der Mensa eine umlaufende Terrasse angegliedert. Lineare Sitzelemente fassen die Terrasse, das Mini-Spielfeld wird eingebettet in einen Wiesenbereich, der gut zwischen diesen verschiedenen Abschnitten vermitteln könnte. Zum Verkehrsübungsplatz wird die Terrasse vergleichsweise aufwändig mit einer Stützmauer gefasst. Im nordöstlichen Bereich reagiert der Entwurf mit einer Teilunterkellerung für Gebäudetechnik auf die bewegte Topografie, tangiert dabei aber auch die Grenze der Zufahrt zum Verkehrsübungsplatz.
Mit ihrem angemessenen Rhythmus aus opaken und transparenten Abschnitten, dem warmen Holzmaterial und den spielerischen Rundfenstern unterstützt die Fassade den Charakter des Pavillons und schafft eine freundliche Adresse, die die Nutzer aller Altersklassen gut anspricht. Der Wettbewerbsentwurf sieht als prägendes raumbildendes Element vor, die gesamte Flachdachkonstruktion als Trägerost auszubilden. Damit erhoffen sie sich auch die in beiden Richtungen auskragenden und teilweise weit überstehenden Dachüberstände in Anstand zu bewältigen. Durch den hohen Aufwand bei der Herstellung der zahlreichen biegesteifen Verbindung an den Kreuzungspunkten der Bauteile und durch die geringe Ausnutzung einer Vielzahl der Querschnitte scheint die Konstruktion nicht wirtschaftlich. Die Konstruktion ist dadurch wenig materialeffizient. Das Gebäude weist eine relativ große Hüllfläche auf. Nach ihren wirtschaftlichen Kenndaten liegt die Arbeit im mittleren Bereich. Insgesamt findet die gute Organisation und Funktionalität Anklang, hinsichtlich der Ausdehnung des Baukörpers und dem Umgang mit der südöstlichen Topografie bleiben aber noch Fragen offen.
©H|G Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB
Perspektive Gastraum
©H|G Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB
Lageplan
©H|G Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB
Ansicht Nord-West
©H|G Architekten und Stadtplaner Partnerschaft mbB
Modell