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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2020

Neubau der Integrierten Sekundarschule "Am Breiten Luch" in Berlin-Lichtenberg

1. Preis

Preisgeld: 26.000 EUR

Renner Architekten

Architektur

KHR architecture

Architektur

boye und bode landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

ifb frohloff staffa kühl ecker

Tragwerksplanung

B4-Plan Ingenieurgesellschaft mbH

TGA-Fachplanung

Eberl-Pacan Architekten + Ingenieure Brandschutz

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Der Schulneubau wurde aus dem städtebaulichen Kontext entwickelt. Dabei wurde auf die besondere Lage des Grundstücks im Umfeld der mehrgeschossigen Blockrandbebauung, der lärmintensiven Verkehrsbereiche und der südlich angrenzenden Sport- und Bildungsbauten in offener Bauweise Bezug genommen. Das Bauvolumen wird als Fortführung und Endpunkt der vorhandenen Bildungsbauten verstanden. Als eigenständiger Baustein mit Wiedererkennungswert erzeugt der Entwurf ein hohes Maß an Identifikation für das Quartier.

Architektonisches Konzept
Der Schulneubau orientiert sich in angemessener Weise an der vorhanden städtebaulichen Struktur und Körnigkeit. Entlang der nicht überbaubaren Wasserdruckleitung weicht der Baukörper von den vorhandenen Baufluchten ab und öffnet sich signifikant zum offenen Stadtraum. Die Sporthallen bilden den städtebaulichen Hochpunkt und sind mit ihrer transparent gestalteten Fassade nach Norden bereits von weitem sichtbar. Die Compartments orientieren sich zum ruhigeren und grünen Südbereich. Ein kontemplativer Innenhof im 1. Obergeschoss versorgt alle Gebäudeteile des komplexen Baukörpers mit viel Tageslicht und schafft spannungsreiche Sichtverbindungen innerhalb und außerhalb des Gebäudes.

Compartments
Die Compartments sind einheitlich und nach dem Grundprinzip des Lernhauses gestaltet. Das zentrale Forum hat einen direkten Außenbezug zum Innenhof und die Unterrichtsräume gruppieren um das Forum entlang der südlichen und westlichen Außenfassaden. Durch Sichtbezüge zwischen den Klassen- und Teilungsräumen und zum Forum wird die Identifikation mit dem eigenen Lernhaus gestärkt. Teilungsräume können flexibel den Unterrichtsräumen im Klassenraum-Plus-Prinzip zugeschaltet werden oder das Forum erweitern. Das Forum kann flexibel gestaltet und möbliert werden und ist durch den compartmenteigenen Balkon erweiterbar. Der Teambereich wird so angeordnet, dass Rückzug und Konzentration der Pädagogen möglich sind, ohne die Aufsicht über den Lernbereich zu vernachlässigen und gleichzeitig Ansprechbarkeit für die Schüler zu signalisieren. Obwohl die Compartments als eigenständige Einheiten gestaltet sind, bleibt die Schule als Gesamtes durch die vorhandenen Sichtbezüge zu anderen Compartments über den gemeinsamen Innenhof hinweg jederzeit erfahrbar und erhalten.

Funktionsverteilung
Da die Compartments, die Verwaltung und die naturwissenschaftlichen Fachräume in den Obergeschossen angeordnet sind, entsteht im Erdgeschoss ein halböffentlicher Bereich, der sowohl von den SchülerInnen als auch von Vereinen und anderen Institutionen im Stadtteil genutzt werden kann. Der Cafeteria/Mensa- und Mehrzweckbereich wurde zusammen mit den Musikräumen unter den Sporthallen angeordnet und lässt Veranstaltungen aller Art sowohl von der Schule als auch im Zusammenhang mit den Sporthallen zu. Es entsteht eine große zusammenhängende „Veranstaltungslandschaft“. Im ruhigeren Bereich des Erdgeschosses zum Schulgarten ausgerichtet liegen die Kunst- und Werkräume, die Lehrküche, die Bibliothek und der Therapiebereich. Auch diese Funktionen sind außerschulisch nutzbar und flexibel von außen zugänglich.

Äußere Erschließung
Die Geste des auskragenden Baukörpers schafft eine eindeutige Adressbildung und Eingangssituation für Schüler und Sportler. Eine klare Sichtverbindung durch das Gebäude lässt eine optimale Orientierung erwarten und verbindet mit einer inneren Straße die Eingangsbereiche der aktiv gestalteten Hofbereiche im Norden mit den ruhigeren Außenbereichen auf der Südseite. Sporthalle und Schulgebäude können unabhängig genutzt und bei Veranstaltungen über 1.OG verbunden werden.

Innere Erschließung
Das klare und übersichtliche innere Erschließungskonzept dient der optimalen Orientierung an jedem Punkt im Gebäude. Alle Nutzungsbereiche gruppieren sich um einen zentralen Innenhof mit viel Tageslicht. Von der zentralen Erschließung sind alle Compartments und Nutzungsbereiche direkt zu erreichen.

Freiraumkonzept
Ziel ist es, einen lebendigen, geborgenen Lern- und Aufenthaltsort für Kinder und Jugendliche zu kreieren, der spannend ist, der Orientierung bietet und den Ansprüchen an eine öffentliche Nutzung gerecht wird. Die Gestaltung bleibt flexibel und partizipativ, um der künftigen Aneignung durch die SchülerInnen viel Raum zu lassen und Engagement und Mitwirkung zu stärken.

Vorplatz. Die der Falkenberger Chaussee zugewandte Platzfläche wird als offenes Entrée gestaltet. Der Platz empfängt die Besucher, eignet sich zum kurzen Austausch und weist den Weg ins Gebäude.

Pausenflächen. Die Pausenflächen gliedern sich in drei ebenerdige Bereiche sowie einen Dachgarten im 1. OG, die einem abgestuften Nutzungskonzept folgen.

„Aktion“ Der vordere lärmexponiertere Pausenbereich bietet den SchülerInnen Angebote für körperliche Aktivität, zum Toben und zum spielerischen Wettkampf. Robuste Betonelemente in unterschiedlichen Höhen dienen zum Klettern, Springen und Chillen.

„Kommunikation“ Nicht Spiel und Sport sondern differenzierte Möglichkeiten zum Sitzen, Abhängen und Kommunizieren zu zweit und in Gruppen stehen hier im Vordergrund. Sitzmauern, Podeste und Hängematten bieten hier vielfältige Möglichkeiten. Es gibt einen Bereich mit Außenarbeitsplätzen, wo die SchülerInnen sich an Tischen austauschen oder gemeinsam Hausaufgaben machen können. An zentraler Stelle wird ein erhöhtes Bühnenpodest für schulische Feste vorgeschlagen.

„Grüne Oase“ Der Schulgarten umfasst einen naturnahen und einen Wirtschaftsteil mit Hochbeeten. Der geschützte Werkhof und ein Gartenhaus bieten Raum zum Arbeiten und Unterrichten im Freien.

„Kontemplation“ Der Innenhof im 1. Obergeschoss ist ein kontemplativer Freiraum. Er dient als Terrasse für die SchülerInnen der anliegenden Compartments und als loungiger geborgener Rückzugsraum. Schollenartige begrünte Podeste laden zum Fläzen ein. Als Atelier können hier in geschützter Umgebung künstlerische Arbeiten ausgestellt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zur prinzipiellen Herausforderung der prototypischen Planung eines kontemporären Schulgebäudes kommen die spezifischen Herausforderungen des Grundstücks, wie umgebender Verkehr mit Lärm und Erschütterungen, aufgrund von Druckwasserleitungen unüberbaubare Bereiche und eine anzustrebende Schonung des Baumbestands hinzu.

Durch die überraschende und kluge Positionierung der Sporthalle entsteht eine völlig neue Anordnung der Anlage auf dem Grundstück. Das Ausweichmanöver aufgrund der Abwasserdruckleitung erzeugt einen Dreh, der nicht nur städtebaulich und freiräumlich, sondern auch in lärmtechnischer Hinsicht hervorragend funktioniert. So entstehen auf mehreren Ebenen zahlreiche geschützte Freiräume und Fassaden auf dem stark lärmbelasteten Grundstück. Der sich daraus ergebende äquivalente Zuschnitt der erdgeschossigen Freiräume wird positiv beurteilt. Der Baumbestand kann weitgehend erhalten werden, das hohe Maß der Versiegelung in den Außenanlagen ist jedoch kritisch zu überprüfen.

Die ungewöhnliche Anordnung der Gebäudeteile wird von der Jury letztlich überwiegend positiv gesehen. Was verbirgt sich hinter diesen Fassaden? Ist das wirklich eine Schule? Schule ist heute idealerweise ein Ort, an dem jedem Kind größtmögliche Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden. So ein Haus darf auch im städtebaulichen Zusammenhang Eigenständigkeit und Charakter zeigen.

Der Haupteingang erfolgt von der Falkenberger Chaussee, ein zweiter von Süden, aus Richtung der bestehenden Bildungseinrichtungen. Die Eingänge sind über ein zentrales Foyer, eigentlich einen inneren Platz, miteinander verbunden. Auf dieser Ebene ordnen sich richtig die stadtteilwirksamen Nutzungen mit Mehrzweckbereich, Musik, Bibliothek und auch Fachbereichen an. Durch den Quadratmeterdruck auf Erdgeschossebene wandern die Sporthallen, vernünftigerweise nicht überbaut, ins 1. OG.

Der innere Platz/die Verbindungsachse entwickelt sich am Richtungswechsel der Gebäudeteile in einer Art baulichem Gelenk offen nach oben und ist in den darüberliegenden Geschossen ausschließlich zu einem großen inneren Hof orientiert. Hier wäre eine Öffnung der Fassade auch Richtung Straßenraum wünschenswert. So erscheint das Gelenk hinsichtlich seiner Orientierung nach aussen und der Erlebnisqualität der vertikalen Erschließung verbesserungswürdig.

Vom 1. bis 4. OG werden in den westlichen, lärmabgewandten Gebäudeteilen die Compartments von SEK I und II und nach Osten die Doppelsporthallen gestapelt. Verwaltung, Naturwissenschaften und Lernwerkstatt sind dazwischen eingestreut. Die Compartments selbst funktionieren gut. Das Forum wird über den ruhigen, introvertierten Innenhof gut belichtet. Klassen und Teilungsräume sind großteils nach aussen orientiert. Der Teamraum hat guten Bezug zum Geschehen. Ein Steg im Freien komplettiert den Rundgang um den Hof. Die Nebenräume und auch die Tribünen der Sporthallen sind intern gut erreichbar. Der Zugang für die benachbarte Bestandsschule und für den Außensport ist überschneidungsfrei möglich.

Der Energiebedarf und die Kompaktheit des Beitrages liegen im Wettbewerbsmittel. Aufgrund der hohen Eigenstromproduktion sind die Betriebskosten dennoch günstig. Die ausreichende Belichtung von Klassenräumen und Foren ist gewährleistet, jedoch müssen im Erdgeschoss viele Flächen ganztägig mit Kunstlicht versorgt werden. Hier ist die Tageslichtqualität, insbesondere des zentralen Foyers und des Bereiches Wirtschaft, Arbeit, Technik, nachzuweisen bzw. nachzubessern. Der textile Sonnenschutz des Schulbaukörpers ist in Kombination mit den vorgesehenen hölzernen Nachtlüftungs- Elementen und der Speichermasse wirksam. Bei der großflächig verglasten Sporthallenfassade fehlt der notwendige Sonnenschutz hingegen gänzlich.

Aus lärmtechnischer Sicht sind die Gebäude äusserst gewinnbringend positioniert. Es entsteht viel ruhige Fassade an einem sehr ausgesetzten Ort. Die Auskragung im Bereich der Abwasserdruckleitung muss entsprechend mit Absorptionsflächen ausgestattet werden. Die brandschutztechnische Lösung der Compartments ist noch zu überarbeiten. Die Entfluchtung des zentralen Bereichs am Gelenk ist noch ungelöst. Eine baudynamische Begleitung wird bei diesem Projekt empfohlen.

Die Fassaden irritieren und werden im Preisgericht lebhaft diskutiert. Vor allem die Fassaden der Sporthallen können nicht überzeugen, sie vermitteln andere Bilder. Die Fassaden müssten, um der Funktion entsprechend realisierbar zu sein, insbesondere im Bereich der Sporthallen wesentlich geschlossener ausgeführt werden. Dabei sollen sie jedoch nicht ihren spezifischen Duktus aufgeben, der u.a. die Eigenständigkeit dieses insgesamt bemerkenswerten Schulprojektes ausmacht.