Offener Wettbewerb | 11/2024
Neubau Einsatzkräftestützpunkt Aspern in Wien (AT)
©Franz&Sue
1. Preis
Tragwerksplanung
TGA-Fachplanung
Bauphysik
Brandschutzplanung
Erläuterungstext
Feuerwehr, Rettung und Mehrzweckhalle werden als eigenständige Baukörper ausgebildet. In den Zwischenräumen befinden sich der zentrale Platz zum Ankommen mit den Hauptzugängen und der Übungsplatz.
Das Grundstück auf der „grünen Wiese“ verlangt nach einer klaren städtebaulichen Struktur, um Bezüge zu bestehenden und geplanten Infrastrukturen herzustellen. Der Entwurf teilt das umfangreiche Raumprogramm in drei Baukörper, die leicht zueinander verschoben sind. Diese Aufteilung sorgt für eine kleinteilige, übersichtliche Struktur, die die Maßstäblichkeit behält. Ein zentraler Vorplatz zwischen den Baukörpern der Feuerwehr und der Rettung dient als Ankunftsort, der sowohl über den Fahrradweg als auch die Straße gut erreichbar ist.
Raum- und Nutzungsverteilung
Die Baukörper basieren auf einer flexiblen Betonskelettkonstruktion, die zweigeschoßige Hallen ermöglicht. Diese können bei Bedarf durch Zwischendecken erweitert werden. Großdimensionierte Stahlbetonträger schaffen größtenteils stützenfreie Hallen. In den Obergeschoßen ergänzt eine leichte Holzrahmenkonstruktion den stabilen Betonbau und bietet ästhetische Leichtigkeit sowie nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten. Die Ausfahrten der Einsatzfahrzeuge sind nach Süden orientiert, wodurch der Lärm von der S-Bahn-Spange und der U-Bahn-Trasse abgeschirmt wird. In den Obergeschoßen befinden sich die Ruhe- und Schlafräume an der lärmgeschützten Nordfassade, während Büros und Aufenthaltsräume zur Südseite hin angeordnet sind.
Gebäudegestaltung und Lärmschutz
Die Feuerwehr verfügt in den Obergeschoßen über eine mäanderförmige Struktur mit zwei Höfen. Der nördliche Hof bietet einen ruhigen Rückzugsort, während der südliche Hof mit Küche und Essbereich verbunden ist. Auskragende, bepflanzte Fassadenelemente schützen vor Lärm und Sonneneinstrahlung. Beim Baukörper der Rettung liegt der Fokus auf einem introvertierten Innenhof, der als Erholungsraum dient. Die Ruhebereiche sind zur Nordfassade hin orientiert, während die Südfassade ebenfalls durch Schutzelemente abgegrenzt wird. Der Innenhof bietet zusätzliche Rückzugsorte, indem er im Obergeschoß zurückgestaffelt ist.
Funktionale Synergien und Übungsflächen
Zwischen Feuerwehrhalle und Übungsturm entsteht eine Lücke, die als Übungsplatz genutzt wird. Diese bauliche Synergie ermöglicht eine flexible Nutzung der Halle für Trainingszwecke und erweitert den Übungsbereich durch angrenzende Strukturen. Der enge funktionale Zusammenhang zwischen den verschiedenen Nutzungseinheiten gewährleistet effiziente Arbeitsprozesse.
Das Projekt setzt auf eine durchdachte städtebauliche Gliederung, flexible Baukörper und nachhaltige Baumaterialien. Die Trennung in mehrere Baukörper schafft eine übersichtliche und funktionale Struktur, während die Fassadengestaltung sowohl Lärm- als auch Sonnenschutz bietet. Das Zusammenspiel von Beton- und Holzbauweise gewährleistet Flexibilität und Nachhaltigkeit für die zukünftige Nutzung.
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebauliche Einbindung in die örtlichen Gegebenheiten
Die klare und ruhige Formensprache der beiden gleichwertigen Baukörper für die Feuerwache und die Rettungsstation, die gelungene Zugangssituation über einen gemeinsamen zentralen Vorplatz, sowie der westseitig angeordneten Mehrzweckhalle mit Übungsturm, liefert für die herausfordernden Bedingungen des Bauplatzes die beste Lösung aller eingereichten Projekte. Der zentrale Platz bildet eine Begegnungs- und Kommunikationszone im Zentrum des Einsatzkräftestützpunkts, der unabhängig von der baulichen Entwicklung der Nachbarschaft eigenständig ausgestaltet werden kann und die gemeinsame Identitätsbildung der beiden Einrichtungen Feuerwache und Rettung unterstützt. Das Preisgericht hebt auch die Qualität in der Gliederung der Baukörper hervor. Die Terrassen der Feuerwache sowie die dreiteilige Staffelung der Kubatur der Rettungsstation schaffen ein gut strukturiertes Erscheinungsbild mit angemessener Maßstäblichkeit und Lesbarkeit der einzelnen Funktionseinheiten.
Umsetzung des Raum- und Funktionsprogrammes im Innen- und Außenraum
Das Entwurfskonzept überzeugt durch eine sehr hohe Aufenthaltsqualität. Durch die Aufteilung der Funktionen auf zwei eigenständige Baukörper mit jeweils drei Geschoßen sowie durch die eingeschnittenen Terrassen und ein Atrium werden Grundrisse mit sehr guter Übersichtlichkeit, Orientierbarkeit, natürlicher Belichtung und Belüftung erreicht. Die innere Erschließung ist großzügig gelöst, wobei die Position des Antreteplatzes an der Hauptstiege der Feuerwache sowie die breite Gangverbindung im Bereich der Garderoben und Erschließung der Rettungsstation auf die erhöhte Frequenz in diesen Bereichen richtig reagieren. Richtig ist auch die differenzierte Anordnung von Arbeits-, Aufenthalts- und Ruheräumen in der Feuerwache. Die Ruheräume orientieren sich ausschließlich nach Norden zum angrenzenden Grüngürtel und werden so von Verkehrslärm und sommerlicher Überwärmung entlastet.
Die Anordnung einzelner Technik- und Nebenräume ist zu optimieren.
Im Freiraum wird die Qualität vor allem in den gut proportionierten Terrassen und dem gemeinsamen Platz gesehen. Es handelt sich um Räume, die differenziert ausgestaltet werden können. Durch die Ausbildung des Übungsplatzes im Zwischenraum zwischen Mehrzweckhalle und Feuerwache werden Synergien mit der Übungsfläche in der Halle generiert, die zum Platz hin großzügig geöffnet werden kann.
Äußeres Erscheinungsbild und innere räumliche Qualität
Die Fassaden weisen eine horizontale Gliederung auf, wobei der massive Sockel aus Stahlbeton eine stützenfreie und damit flexible und funktionelle Ausführung der Garagen gewährleistet. In den Obergeschoßen werden begrünte Holzfassaden vorgeschlagen. Im Erdgeschoß dominieren straßenseitig die Falttore der Garagen und Einfahrten, deren transluzente Ausführung ebenso wie die hohen Fenster der Nordfassade Einblicke in die Garagen ermöglichen. Tankstelle und Waschanlage im Osten werden durch Verlängerung der Dachfläche in das Sockelbauwerk der Rettungsstation integriert. Die Mehrzweckhalle erhält ebenfalls eine geschlossene, horizontal gegliederte Holzfassade mit intensiver Dachbegrünung.
In den Fassadendetails wird auf Aspekte der baulichen Beschattung eingegangen. Mit Pflanztrögen und Rankhilfen wird eine vorgesetzte Begrünung zur Verbesserung des Innenraumklimas angebracht. Durch geringe Trakttiefen in den Bereichen des Atriums und der Terrassen wird die Querlüftung der Gebäude sowie die Belichtung der angrenzenden Erschließungsflächen verbessert.
Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb
Das Projekt liegt exakt im Rahmen des vorgegebenen Kostenziels, kann diesbezüglich aber durch Optimierung einzelner Wirtschaftlichkeitsparameter noch verbessert werden. Die Wahl der Innenausbaumaterialien gilt es kritisch zu hinterfragen, vor allem in Kombination mit dem Heiz-, Kühl- und Lüftungssystem und dem Deckenaufbau.
Das Konzept ist hinsichtlich der Anforderungen der Kreislaufwirtschaft sehr ambitioniert. Es überzeugt durch die klare Strukturiertheit nachhaltiger Bauweisen und eine funktional differenzierte Nord-Südfassade. Der hohe ökologische Anspruch des Projektes wird gewürdigt, muss aber in weiten Teilen auch ohne Lehmbau fortgeführt werden können. Konkret ist eine CO2-Reduktion des Betonsockels und ein alternatives Kühlungskonzept im Holzbau, sowie allgemein ein detailliertes Energiekonzept, das der Nachhaltigkeit und Energieautarkie dient, auszuarbeiten.
Umsetzung der funktionellen, logistischen und verkehrstechnischen Vorgaben
Die Einsatzgaragen sind grundsätzlich sehr gut organisiert. Die generelle Problematik des knappen Vorfahrtsbereichs zwischen den Garagen und der Straße kann bewältigt werden. Die Übersichtlichkeit beim Ein- und Ausfahren ist gewährleistet.
Einzelne Probleme bei der Aufstellung der Fahrzeuge in der SEG-Garage können in der weiteren Planung gelöst werden. In der Feuerwache ist der Weg zum Rüstzeugraum zu optimieren. Auf Grund von Flächenreserven und der Flexibilität der Grundrisse gibt es dafür Spielräume, insbesondere in der Anordnung der Nebenräume. Die der Garage zugeordneten Versorgungsräume sind auf die Anforderungen im Einsatzfall abzustimmen. Bei der Rettungsstation sind die Einsatzwege im Zusammenhang mit der SEG-Garage zu optimieren. Die Positionierung sowie die Zufahrt zu Waschanlage und Tankstelle ist zu überprüfen.
©Franz&Sue
Ansicht Feuerwache und Mehrzweckhalle
©Franz&Sue
Ansicht Rettungsstation und Sondereinsatzgruppe
©Franz&Sue
Detailansicht
©Franz&Sue
Schnittperspektive Feuerwehr
©Franz&Sue
Schnittperspektive Rettung
©Franz&Sue
Grundriss OG 1
©Franz&Sue
Lageplan