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Einladungswettbewerb | 11/2021

Neubau Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf

2. Preis

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Architektur

Erläuterungstext

Leitidee
Als kristalline Skulpturen stehen der Turm für das Finanzministerium und das Atriumhaus für die weiteren Ministerien auf einem zweigeschossigen, terrassierten Stadt-Sockel. Die im Grundriss simplen Organisationsformen werden nur durch sehr leichte Schliffe und Faltungen zu dynamischen, aufwärtsstrebenden Figuren. Den Sockel mit öffentlichen Nutzungen wie Gastronomie und Bibliothek flankieren zwei große, schräg angestellte Grünflächen, an denen sich die Parkgestaltung der Haroldbucht hinaufentwickeln wird. Diese Flächen stehen als Almwiesen zum Liegen, für Vertical Farming oder einfach nur zum Anschauen der Öffentlichkeit zur Verfügung. Am Fuß der Böschungen sind Sitzstufen angeordnet und laden zum Verweilen ein. Social Return soll hier deutlich über den bloßen Zugang zu halböffentlichen Nutzungen hinaus gehen. Die starke Begrünung des Sockels und der aufgehenden Gebäude sind ein deutliches Signal für die Notwendigkeit von viel Natur im Kampf gegen den Klimawandel. Die „Dörfer zur Stadt“ des städtebaulichen Entwurfs werden im Duktus der Gesamtgestaltung als dreieckige Groß-Loggien mit verschiedensten Nutzungs- und Austrittsmöglichkeiten für die Nutzer und mit viel Begrünung interpretiert. Schräge und abgestaffelte Gründächer folgen dem Wunsch nach mikroklimatischer Optimierung und biodiverser Funktion.

Ökologie
Angestrebt wird hohe Innovation im nachhaltigen Bauen und in puncto Energieeffizienz. Ab dem 2.OG sind die aufgehenden Geschosse in einer Holzhybridbauweise mit sichtbarer Primär-Holzfassade hinter der Glas-Sekundärfassade konzipiert. Auf Abbrand dimensionierte Außenwände in vorgefertigter Elementbauweise und Massivholzdecken bilden zusammen mit einem tragenden Innenwandring das Holztragwerk der Häuser. Durch die Sekundärfassade als gläserne Vorhangfassade werden bauseits Brandschutz, UV-Schutz und Feuchteschutz des Holzes gewährleistet. Der Brandschutz der Fassade wird durch horizontale Schottung des Fassadenzwischenraums und ggf. als weitere Brandschutzkompensation durch eine Fassadensprinklerung sichergestellt. Alle nichttragenden Wände des Gebäudes werden in Trockenbauweise erstellt, Unter- und Sockelgeschosse sowie die Erschließungskerne sind in Stahlbetonbauweise geplant.

Fassade
Die äußere Hülle des Gebäudes wird durch eine ganzgläserne Vorhangfassade gebildet. Die dahinterliegende Primärfassade ist als Holzkonstruktion mit bodentiefen, öffenbaren Holzfenstern geplant. Der Sonnenschutz wird durch im Fassadenzwischenraum liegenden Alu-Lamellen-Raffstores gewährleistet. Die Doppelfassade ist geschossweise geschottet und belüftet. Die Sekundärfassade ist an Süd- und hohen Ost-West-Fassaden zu 50% mit geschosshohen Photovoltaikelementen belegt. An den Loggien und am oberen Abschlussrand der Vorhangfassade werden die Nutzflächen und die Vegetation im Falle von hohen Windgeschwindigkeiten durch einen Rand aus schräg angestellten Glaswindschildern geschützt.

Programmumsetzung
FM und AdL sind im Hochhaus untergebracht, Ministerium 2 und 3 im Atriumhaus und in den unteren Ebenen des Hochhauses. Sonderflächen und Shared Services liegen im Sockelbauwerk. Das Hochhaus und das Atriumhaus sind im 5.-7.OG durch ein Brückenbauwerk miteinander verbunden. Im 5.OG sind zentrale IT-Bereiche für alle Nutzer zusammengefasst. Die Brücke zwischen den beiden Gebäudeteilen ist optional zu betrachten. Im Falle anderer bzw. kleinteiligerer Mieterbesätze kann sie entfallen. Die beiden Gebäudeskulpturen würden dadurch noch an Klarheit gewinnen. Ebenfalls zusammengefasst sind die Konferenzbereiche aller Nutzer im 1.OG des Sockelbauwerks.

Integration oberirdischer Parkplätze
Die Anforderung an zusätzliche 300 oberirdische KFZ-Stellplätze wird als temporäre Lösung mittels 8 automatischer Parksafes gelöst, um oberirdisch hinzukommende Baumasse zu minimieren und die durch die südliche Straßenplanung ohnehin schon unumgängliche Einengung der Haroldbucht so reduziert wie möglich zu halten. Die Parksafes sind zum Atrium hin angeordnet, um die Erscheinung des oberirdischen Gebäudes nach außen nicht zu einem „Parkhaus mit Aufsatz“ werden zu lassen. Sie sind als Stahl-Leichtbau konzipiert und können vollständig zu Büroflächen umgebaut werden. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sollte die oberirdische Integration der 300 Stellplätze seitens des Bauherrn noch einmal überdacht werden. Für ein fortschrittliches Finanzministerium wäre die deutliche Reduktion der derzeitig sehr hohen Stellplatzanforderungen mit dem Ziel der Reduktion des motorisierten Individualverkehrs ein zeitgemäßes Signal dem andere Institutionen und Behörden und letztlich auch die Bevölkerung folgen könnten.

Effizienz
Die Grundrisse sind auf hohe Effizienz (VF/BGF, NUF/BGF) optimiert. Durch die Integration der oberirdischen KFZ-Stellplätze in das Gebäude werden diese Faktoren im Atriumhaus temporär verschlechtert. Nach dem Rückbau des KFZ-Parkens oder falls dieses erst gar nicht zur Ausführung kommt, hat auch das Atriumhaus mit bis zu ca. 17% Verkehrsflächenanteil sehr gute Effizienzwerte.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf zeichnet sich durch eine identitätsstiftende Grundidee aus, die das Ensemble aus Sockel, Atrium und Turm durch leichte Faltungen zusammenbindet. Die Volumetrie der Baukörper sowie ihre konsequente Aufteilung entspricht dem städtebaulichen Gesamtkonzept und verspricht eine hohe Kompatibilität mit den weiteren Bausteinen des Areals. Es entsteht durch die leichten Gebäudeknicke eine zeichenhafte Architektur. Darüber hinaus gelingt es, die lange Südseite zur Brücke zu gliedern und die Gasse nach Osten zu weiten. Zudem schafft die Landschaftsfaltung des Sockels einen guten Bezug zur Haroldbucht.
Die drei Elemente Sockel, Atrium und Hochhaus erhalten eine plausible Konzeption, die den jeweiligen Gebäudetypus entspricht. Die zentrale Erschließung durch den Sockelbereich bindet gut den Freibereich und die öffentlichen Nutzungen der Gastronomie und Bibliothek ein. Warum von diesem Bereich nicht auch großzügig das Finanzministerium erschlossen wird, sondern dieses eher unscheinbar von Westen erfolgt, ist unverständlich. Auch die Ausbildung des Zugangs zum Ministerium mit Rolltreppe zum 1. Obergeschoss funktioniert nicht nur sicherheitstechnisch nicht, sondern auch in Bezug auf die Barrierefreiheit und lässt darüber hinaus eine räumliche Großzügigkeit vermissen.
Diese gewünschte Großzügigkeit öffnet sich hervorragend im ersten Obergeschoss mit dem hier angeordneten Konferenzbereich, der gut mit Tageslicht versorgt ist und mit den vorgelagerten Terrassen eine hohe Aufenthaltsqualität verspricht. Auch die weiteren Besprechungsräume liegen komplett im Tageslichtbereich, was begrüßt wird. Darüber entwickelt sich der Atriumbau als Zweibund und ermöglicht mit diesem wirtschaftlichen Grundkonzept einen gut dimensionierten Innenhof mit angemessener Belichtung der hier angeordneten Büros. Gleichzeitig sind an diesem Zweibund jedoch auch die paternostergeführten PKW-Stellplätze als Parksafes angeordnet. Durch diesen Entwurfsansatz wird zwar eine gute Möglichkeit einer späteren Umnutzung von Stellplätzen entwickelt, für die primäre Nutzung werden aber lange Wege an einseitig organisierten Büros erzeugt. Es entstehen 'blinde Flächen' am Atrium, das ansonsten eine gute Nutzung und Belichtung verspricht.
Genauso wie der Atriumtyp ist auch das Hochhaus, bis auf die drei Geschosse umfassende Rolltreppe, gut organisiert und im 5. - 7. Obergeschoss sinnvoll an den Atriumbau angebunden. Beide Gebäude öffnen sich durch die in den Fassadenknicken platzierten, grünen Loggien zum Stadtraum und unterstützen hierdurch das gewählte Konzept.
Intensiv diskutiert wurde der grundsätzliche Ansatz der Fassadenausbildung bestehend aus einer Primärfassade aus Holzelementen und einer Sekundärfassade als Glasvorhangfassade mit PV-Modulen – wobei die Durchsichtigkeit der PV-Elemente nicht alle überzeugt. Diese doppelschalige Fassade ist nach Süden durchaus verständlich und führt an dieser Stelle zum gewünschten Schallschutz und einer guten Energiegewinnung. Das Prinzip der Doppelfassade als Grundsystem für alle Fassaden führt jedoch zu hohen Investitions- als auch Folgekosten ohne substanziellen Gewinn.
Während die Doppelfassade zur Rheinkniebrücke einen sehr guten Schallschutz gewährleistet, mindert der allseitig umlaufende zweischalige Aufbau die Tageslichtversorgung in den dahinterliegenden Büros. Das Atrium ist angemessen proportioniert und sorgt für ausreichendes Tageslicht. Die Erschließung im Atrium und im Hochhaus ist hingegen nur teilweise an die Fassade angebunden und bietet nicht durchgängig Außenraumbezüge und natürliche Belichtung.
Der sommerliche Wärmschutz wird über einen effizienten Raffstore im Fassadenzwischenraum hergestellt. Auch die natürliche Lüftung und die Nachtluftkühlung ist funktional ausgebildet. In Bezug auf die Ressourcenschonung liefert die Holz-Hybrid-Tragkonstruktion und die Holzfassade einen wichtigen Beitrag.
Aus dem eher wenig kompakten Baukörper und den geringen Fensterflächenanteilen resultiert ein erhöhter Energiebedarf. Hervorzuheben ist auch überdurchschnittliche PV-Eigenstromproduktion in Dach und Fassade. Somit wird der erhöhte Energiebedarf ein stückweit kompensiert und die Lebenszykluskosten liegen demnach nur leicht über dem Wettbewerbsmittel.
Insgesamt besticht der Entwurf durch eine eigenständige formale Ausprägung des Gebäudeensembles, die hohe Identität schafft, sowie durch gute Nutzungsqualitäten. Gleichzeitig werfen das oberirdische Parksystem wie die entwurfsbestimmende Fassadenausbildung aber auch Fragen auf.