Nichtoffener Wettbewerb | 09/2024
Neubau Hochschulcampus für Lebensmittel-, Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften in Kulmbach
©a+r Architekten
1. Preis
Architektur
-
Verfasser:
-
Mitarbeitende:
stefan hofmann, Gordon Krauß, Sarah Jansen, Oleksandra Joest
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebau und Erschließung:
Im heterogen geprägten, städtebaulichen Umfeld von großmaßstäblichen Baustrukturen und flankierender Bahntrasse schlägt das Projekt im Nord-Osten des Grundstücks, kompakt einen kraftvoll gestaffelten 5-6-geschossigen Baukörper vor. Selbstbewusst markiert dieser eine Adresse und geht dabei gleichermaßen flächenschonend wie respektvoll mit dem ihn umgebenden hochwertigen Grünraum am Fluss des Weißen Mains um. In seinem Maßstab und in der Körnung fügt sich das Baugefüge gut in den Kontext der benachbarten Baustruktur ein. Der bauliche Hochpunkt in der Mitte markiert das Campuszentrum, ein zukünftiger 2. Bauabschnitt kann im gestaffelten Duktus direkt an die Gebäude angeschlossen werden.
Durch die Konzentration der Baumasse entlang der nördlichen Grundstücksgrenze wird der Schallschutz für die weitgehend südorientierten Aufenthaltsbereiche gewährleistet. Gleichzeitig entflicht die Setzung des Baukörpers die PKW-Erschließung samt Anlieferungen von den Fußgänger-/Fahrraderschließungen mit denen des neuen Rampenkreisels, so dass kurze Wegebeziehungen entstehen. Das vorgeschlagene „Band der Wissenschaften“ verbindet den Campus mit der Innenstadt und kann gleichzeitig einen starken Bezug zum Landschaftsraum des Weißen Mains aufbauen.
Der Haupteingang ist durch den gestaffelten Rücksprung von der Stadt aus gut auffindbar und bildet samt Überdachung einen überzeugenden Ankunftspunkt, von dem aus sich vielfältige Blickbeziehungen sowohl in das Haus als auch in den Freiraum ergeben. Die Zuordnung der öffentlichen Funktionen von Mensa und Bibliothek schafft kommunikative Zonen, die zusammen mit dem mehrgeschossigen Forum und den großen Hörsälen im Zugangsbereich die vom Nutzer gewünschte Haltung eines einladenden und kommunikativen Lern- und Forschungsortes bieten.
Im stadträumlichen Bild entsteht ein maßstäblich durchgegliederter Baukörper in Rotskalen, der sich im weitläufigen Umraum des grünen Landschaftsparks in struktureller Schönheit behaupten kann.
Funktionalität und Gestaltung:
Innenräumlich überzeugt das Haus durch interessante Raumfolgen und Blickbezüge, die das Leitbild einer kommunikativen, interdisziplinären Lehr- und Lernumgebung abbilden können und Flächenreserven für Aneignung enthalten. Der Farbraum ist durch holzsichtige Oberflächen mit roten Akzenten der Erschließungselemente geprägt.
Die innere Erschließung ist klar in der Struktur, effizient in der Andienung und selbsterklärend für Besucher. Die Institute sind paarweise mit Infrastruktur verknüpft, gut organisierbar und maßstäblich in den Flurlängen. Durch Lichthöfe in den Obergeschossen entstehen maximal mit Tageslicht versorgte, in den Proportionen gut organisierbare Arbeitsräume. Im Bereich der Büros ist durchgehend Fensterlüftung vorgesehen, einer Überhitzung aufgrund hoher Glasflächenanteile wird durch Brüstungen ab dem 2.OG und Konzentration der Aufenthaltsbereiche nach Süden entgegengewirkt. Die typologische Struktur auf Grundlage eines 1,20 m Rasters ist robust und flexibel zugleich. Der Anteil klassischer Zellenbüros zu Open Space Bereichen kann einfach angepasst werden. Die Verwaltung wird in ihrer zentralen Anordnung im 2.OG positiv, das 4.OG mit großen Dachgärten und zeichenhaft nach außen wirkendem Gewächshaus sowie einem hier einzeln organisierten Institut als Programmbeitrag mit Potential bewertet.
Konstruktion, Bauausführung:
Kerne und Entfluchtung des Hauses sind wirtschaftlich eingeordnet, Schacht- und Technikflächen in UG/Dach sind in Umfang und Lagebeziehungen weitgehend funktional. Sicherheitsanforderungen werden in den Grundrissen angedacht.
Im konstruktiven Konzept ist das Projekt als C2C- kreislauffähiges „Materiallager“ konzipiert, die modulare Konstruktion wird in Holz-Hybridbauweise mit Fassaden in RC-Aluminium vorgeschlagen. Betonkerne und UG sollen in RC-Beton geprüft werden.
Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz:
Über seine kompakte Bauweise mit gutem A/V-Verhältnis und robuster, unterhaltsarmer Materialität lassen sich qualitativ wirtschaftliche Herstellungs- und Betriebskosten erwarten. Auch weist die Planung einen niedrigen Heizwärmebedarf (Passivhausstandard) und ein Stromsparkonzept samt Kompensation des Strombezugs durch Photovoltaik auf dem Gebäude auf. Ein Kraft‐Wärme‐Verbundsystem sorgt für guten maximalen Energieerhalt.
Qualität und Funktionalität der Außenanlagen:
Die hochwertig und mit geringer Versiegelung aufgesetzte Freianlagenplanung lässt in idealer Weise eine vielfältige Nutzbarkeit und Gestaltung der Freiflächen bzw. Belassung naturnaher Bereiche zu, Frischluftströme werden kaum beeinträchtigt. Großzügige Retentionsbereiche, u.a. in Form von Gründächern, sind vorgesehen bzw. möglich. So wird der Flussraum insgesamt in Wert gesetzt und zum identitätsstiftenden Angebot für Studierende und Anwohner.
Insgesamt konzipieren die Verfasser ein hoch funktionales und wirtschaftlich angelegtes Fakultätsgebäude, das in seiner Haltung als zukunftsfähiger Lehr- und Forschungsstandort umfassend überzeugen kann und sowohl auf der Objektebene als auch im Umgang mit den stadt- und naturräumlichen Ressourcen als Leuchtturmprojekt für besondere Nachhaltigkeit glaubwürdig ist.
Das Preisgericht empfiehlt einstimmig, den 1.Preis mit der Planung und Umsetzung des Projektes zu beauftragen.
Die Jury empfiehlt im Falle der Realisierung unter anderem die oben angesprochenen Kritikpunkte anzupassen wie insbesondere auch:
- Die Größe der Büroräume muss hinsichtlich gegebener Unterschreitungen nachgebessert werden.
- Die studentischen Räume im EG müssen Tageslicht erhalten, eine Toilettenanlage in naher Zuordnung zur Mensa fehlt, der Zugang zur Tierhaltung über das Hauptfoyer ist nicht akzeptabel.
- Der Glasflächenanteil der Fassaden ist über geeignete Maßnahmen noch weiter zu reduzieren.
- In der Technik sind Installationsräume zu gering bemessen und das Technikkonzept insbesondere der Mensa muss nachgebessert werden.
- Die positiv bewertete Fensterlüftung in den Büros ist hinsichtlich Passivhausstandard und dem angestrebten low-tech-Konzept zu diskutieren.
©a+r Architekten
©a+r Architekten