Nichtoffener Wettbewerb | 09/2024
Neubau Hochschulcampus für Lebensmittel-, Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften in Kulmbach
©Schwinde Architekten / mk.landschaft
Blick auf den Hochschulcampus
3. Preis
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Franziska Graupner, Cassandra Oechsler, Wanli Xuan, Till Gartiser
Modellbau
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebau und Erschließung:
Die Setzung eines großen, quadratischen Solitärs mit Innenhof in der nordöstlichen Grundstücksecke sorgt mit klaren raumbildenden Kanten für eine eindeutige Adressbildung des neuen Unicampus.
Zusammen mit zwei weiteren kleineren Baukörpern – einem Gewächshaus mit Café – und einem weiteren Solitär später im 2. Bauabschnitt wird ein Ensemble gebildet, innerhalb dessen sich eine grüne Campusmitte aufspannt. Die Campusmitte ist terrassiert und bildet damit nach Norden eine Kante aus, die von der nördlichen Straße den Lärm abschottet. Die Konzentration der Baumassen in der nordöstlichen Geländeecke maximiert die Freiflächen und lässt auch entlang des Mains viel Raum für öffentliche Nutzungen wie Mainuferweg und Café und öffnet damit auch den Campus für die Öffentlichkeit. Durch die Größe des Baukörpers könnte allerdings der Frischluftzufluss Richtung Spinnereigelände beeinträchtigt werden.
Die Zufahrt für den motorisierten Individualverkehr erfolgt von Norden. Hier befinden sich ein Wasserspiel und Sitzgelegenheiten was an dieser Stelle in Frage gestellt werden könnte. Die Anlieferung erfolgt ebenfalls von Norden. Für die Mensaküche gibt es eine separate Anlieferung entlang der westlichen Gebäudekante, die sehr beengt erscheint und den westlichen Gebäudezugang kreuzt, was Konfliktpotential bietet.
Funktionalität und Gestaltung:
Das Gebäude hat vier Geschosse. In den beiden Sockelgeschossen befinden sich die zentralen Einrichtungen wie Hörsäle, Bibliothek, Mensa, Seminarräume und Praktikumsflächen. In den Obergeschossen 2 und 3 werden die mechanisch belüfteten Forschungsbereiche geschickt nach Norden und Osten als Lärmschutz verwendet. Die lärmsensitiveren Büros orientieren sich nach Süden und Westen, sowie zum Innenhof und profitieren damit vom Grün bzw. Blick zur Plassenburg, ermöglichen Fensterlüftung und sorgen überall für eine gute Belichtung.
Die L-förmige innere Erschließung der beiden Sockelgeschosse sorgt für gute Orientierung. Durch Ihre Großzügigkeit entstehen vielfältige Aufenthaltszonen, die sich in grüne Innenhöfe bzw. offene Dachterrassen weiten und damit die grüne Landschaft und Campusterrassen ins Gebäudeinnere ziehen. Die Forschungs- und Bürogeschosse sind dagegen stringent und funktional um den Innenhof organisiert, wobei jedes Büro den Blick ins Grüne bietet, sei es zum Innenhof oder nach außen. Dies wird sehr positiv gesehen. Die Nebenraumzone der Laborbereiche ist im Dunkelbereich angeordnet und sorgt damit für eine kompakte, wirtschaftliche Gebäudekonzeption. Die Einzelschachtanlagen der Labore erscheinen hingegen nicht mehr zeitgemäß.
Die Tierhaltung ist richtigerweise im Untergeschoss verortet, bedarf aber konzeptionell einer grundlegenden Überarbeitung. Der im 3. OG angeordnete MRT ist sowohl aus Gründen der Austauschbarkeit und Zugänglichkeit unglücklich.
Der Fensterflächenanteil scheint teilweise zu hoch und müsste im weiteren Planungsprozess bauklimatisch überprüft werden.
Konstruktion, Bauausführung:
Die vorgesehene Holz-Stahlbetonhybridkonstruktion mit Unterzugs-Spannweiten von 8,1 m in Verbindung mit ca. 4 m Holzbetonverbunddeckenelementen lassen eine wirtschaftliche Umsetzung erwarten, deren Eignung im Laborbereich nochmals zu hinterfragen wäre. Die Aussteifung erfolgt sinnvoll über Stahlbetonkerne der Treppen und Sanitärräume. Die Fassade aus Holztafelbauelementen führt die Holzkonstruktion auch gestalterisch nach außen. Ein vorgelagerter Wartungssteg sorgt für zusätzlichen Sonnenschutz und nimmt Rankhilfen für eine Fassadenbegrünung auf, deren Erdverbundenheit positiv gesehen wird, allerdings auf der dafür geeigneten West- und Südseite mit befestigten Flächen kollidiert. Darüber hinaus sollen Lamellen im Scheibenzwischenraum Sonnenschutz bieten, was als nicht zweckmäßig erachtet wird.
Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz:
Die Technikflächen werden im Untergeschoss konzentriert, was eine maximale Belegung der Dächer mit PV und Begrünung zulässt. Allerdings erscheinen die Technikflächen als unzureichend dimensioniert und würden vermutlich zu Dachzentralen führen, die das Erscheinungsbild des Gebäudes nachteilig beeinflussen würden.
Das angedachte Ausbauraster von 1,2 m ist geeignet für etwaige Grundrissanpassungen. Nutzungseinheiten von 600 m² lassen ein wirtschaftlich funktionierendes Brandschutzkonzept erwarten. Auch die anvisierten Sichtinstallationen an den Decken sowie die Beschränkung auf einen hygienischen Mindestluftwechsel plus Fensterlüftung in allen Nutzungseinheiten sind sinnhafte Komponenten für eine wirtschaftliche Umsetzung. Die Büros sollen allein durch öffenbare Fenster belüftet werden; dies steht zwar im Widerspruch zum Passivhausstandard, wäre aber unter Anwendung des low-tech-Gedankens als insgesamt funktionierendes Technik- und Energiekonzepts nachzuweisen. Das beschriebene Energiekonzept aus Geothermie und Luft-Wärmepumpen in Verbindung mit Flächenheizung und witterungsgeschützter Nachtabkühlungsmöglichkeit über die Fenster sowie dem geringen Gebäudefußabdruck lassen einen geringen Gesamtenergiebedarf erwarten. Gleichwohl ist das A/V-Verhältnis eher durchschnittlich.
Qualität und Funktionalität der Außenanlagen:
Die grüne Campusterrasse bildet das Zentrum der Freiraumgestaltung und lässt eine gute Benutzbarkeit erwarten. Dies trifft ebenso für die Mensaterrasse zu. Allerdings wurden die Intensität der Bearbeitung der Landschaft und die dadurch relativ urban anmutenden Grünflächen kontrovers diskutiert. Das großzügige grüne Band am Mainufer mit Gewächshaus und Café wird mit den vielfältig nutzbaren Aufenthalts- und Kommunikationszonen positiv gesehen.
Insgesamt ist der Entwurf eine gelungene Antwort auf die Setzung eines neuen Unicampus mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Gleichzeitig erfüllt er in zweckmäßiger Weise die Anforderungen an Funktionalität und zukunftsfähige Lehr- und Forschungsflächen.
Die Jury empfiehlt, im Falle der Realisierung unter anderem die oben angesprochenen Kritikpunkte anzupassen wie insbesondere auch:
- übergeordneter Frischluftzufluss
- Vorplatz mit Wasserspiel und Sitzgelegenheiten
- Anlieferung Mensa
- Einzelschachtanlagen der Labore
- Tierhaltung
- MRT Lage, Anlieferung Austauschbarkeit und Zugänglichkeit
- bauklimatische Überprüfung des Fensterflächenanteils
- Eignung von Holzbetonverbunddeckenelementen im Laborbereich
- Rankhilfen West- und Südseite
- Konzept Sonnenschutz/Verschattung
- Nachweis der Technikflächen.
- öffenbare Fenster / Passivhausstandard
©Schwinde Architekten / mk.landschaft
Innenraumperspektive
©Schwinde Architekten / mk.landschaft / Matthes Max Modellbau
©Schwinde Architekten / mk.landschaft
Lageplan