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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Neubau Neckartalschule in Heilbronn-Böckingen

Das Forum

Das Forum

Anerkennung

Leupold Brown Goldbach Architekten

Architektur

PEYKER landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Im Herzen des Stadtteils Heilbronn-Böckingen soll ein Ersatzneubau für die Neckartalschule entstehen. Durch Entwidmung der Landwehrstraße in diesem Bereich ergibt sich die einmalige Gelegenheit einen großzügigen, autofreien Außenbereich entstehen zu lassen. Beide Schulen, die Neckartalschule und die Grünewald-Grundschule erhalten so die Möglichkeit auf einem einheitlich gestalteten Campus zusammen zu wirken und Integration zu leben.

Der vorgesehene Baukörper für die Neckartalschule legt sich an die neue Campusmitte, das Forum. Alle Funktionen werden in einem Baukörper untergebracht, der durch Vor- und Rücksprünge die Außenbereiche mitgestaltet und prägt. So zeigt sich der Mensabereich präsent aber in angemessener Wandhöhe als gemeinschaftliches Herzstück und Willkommensgeste, erkennbar von allen Seiten. Wenn es das Wetter zulässt, kann sich hier das gemeinschaftliche Essen auf das Forum ergießen, ein Ort der Begegnung entsteht. Direkt daneben befindet sich der Eingangsbereich der neuen Schule, eingeschoben und wettergeschützt. Betritt man das Gebäude, findet man sich in einem Tageslicht durchfluteten Foyer wieder, der direkte Blickbezüge in die geschützten Pausenbereiche der Neckartalschule zulässt. Der Pausenhof wird zusätzlich gegliedert. Das „Nest“ als introvertierterer Bereich und der offenere Bereich für Spiel und Bewegung. Der Ganztagesbereich aktiviert mit seinem Eingang geschickt die Fassade zur Grünewaldstraße. Von hier aus werden auch die funktional angeordneten Nebenräume der Mensa beliefert. Die Fachklassen sind im Erdgeschoss Richtung Salzburger Straße angeordnet. So wirkt auch hier der Außenbereich belebter, es entstehen keine Rückseiten. Die Obergeschosse werden über eine gut gesetzte Treppe erreicht, Blickbezüge nach außen lassen das Beschreiten der Treppe zum Erlebnis werden. Das Obergeschoss ist effizient strukturiert, Verwaltung und Lehrerbereiche befinden sich hier in zentraler Lage. Die vorgesehene Raumkonfiguration sorgt dafür, dass alle Klassenzimmer der Förderklassen flexibel erweitert werden können, sollten die Förderräume zu einem späteren Zeitpunkt entfallen. Die Vor- und Rücksprünge des Erdgeschosses bieten hier die Möglichkeit geschützte Außenräume zu schaffen. So könnte sich die Schulbibliothek einen Außenbereich mit direkter Orientierung zur Campusmitte erobern. Auch wird den Lehrern ein privater Außenbereich zugeordnet. Das 2te Obergeschoss versammelt weitere Klassenräume, die auch mit Außenklassen („das grüne Klassenzimmer“) verbunden werden.
Für die Schülerinnen und Schüler der Neckartalschule entsteht ein Schulumfeld mit vertrauter und wertschätzender Atmosphäre. Das Wechselspiel zwischen Lernen und Freizeit im Schulbetrieb kann hier wunderbar ausgelebt werden. Nischen und Aufenthaltsbereiche in unterschiedlichen Größen und Qualitäten sorgen dafür, dass der Leitsatz des Nutzers baulich eine perfekte Entsprechung findet. „Sicherheit bieten und gleichzeitig ermutigen, die eigene Lernbiografie positiv zu gestalten und hemmenden Entwicklungsfaktoren zu überwinden.“

Freibereiche

Der Schulcampus profitiert von einer besonderen Standortgunst durch seine ruhige Nachbarschaft zur Wohnbebauung und seine stattlichen Bäume. Entsprechend behutsam soll in den Baumbestand eingegriffen werden. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler- und Altersgruppen erfordern ein ausgewogenes System differenzierter Freiraumangebote: Rückzugs- und Erholungsräume, Aktivflächen sowie Orte für Kommunikation und Begegnung.
Dem Umgang mit der Topographie kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Das leicht geneigte Gelände zwischen den Schulen wird mit einer Sitzmauer terrassiert. Die Geländestufe schafft eine leichte Distanz zwischen dem etwas tieferliegenden Schulhof der Grünewaldschule und dem erhöhten Campus. An zwei Stellen ist die Sitzmauer durch Stufen unterbrochen. Dort werden die Querungen der Fahrradspur markiert.
Die Schulgebäude, die Mensa, die Turnhallen und der Kindergarten werden über einen durchgängigen, öffentlich nutzbaren Freiraum miteinander verbunden. Der öffentliche Erschließungsraum wird zu einem interessanten Raumkontinuum mit platzartigen Aufweitungen und abgeschirmten Nischen. Diese  Promenade für Fußgänger und Radfahrer verknüpft verschiedene Aktivitätsbereiche miteinander  – etwa diverse Spiel- und Sportangebote, einen Schulgarten mit Hochbeeten, eine abgesenkte Arena mit Sitzstufen.
Der öffentliche Spielplatz muß der Neckartalschule weichen und schließt direkt an deren neuen Pausenhof an. Der Spielplatz kann so von den Schülern mitgenutzt werden. Das Bewegungsangebot von Schulhof und Spielplatz sieht insbesondere Elemente vor, an denen die Kinder ihre Fähigkeiten steigern und immer wieder ihre Grenzen ausloten können. Es sollen ein naturnaher Balancierparcours und Kletterelemente aus Holz, Seilen und Rutschen entstehen.
Die Zonierung der unterschiedlichen Bereiche spiegelt sich in den Materialien wider.
Die Oberflächenbeläge der Pausenhöfe sollen aus sickerfähigen Betonpflasterplatten ausgebildet werden. Die Promenade und der Campus hingegen sollen aus farbigen Asphalt hergestellt werden.
Das Niederschlagswasser der Dach- und Belagsflächen wird in unterirdische Rigolen geleitet.
Dort wird es zurückgehalten, kann allmählich versickern oder gedrosselt an die Kanalisation weitergeführt werden.

Nachhaltigkeit

Neubauten müssen heute einen positiven Beitrag auch im Sinne der Nachhaltigkeit für die Umwelt erbringen. Der Entwurf für die Neckartalschule, Heilbronn stellt ausgehend vom Material, dem kompakten, hochgedämmten Baukörper bis zur optimierten technischen Ausstattung und der damit maximierten Nutzung natürlicher Ressourcen ein Gesamtpaket dar, das diesen Anforderungen gerecht werden soll. Die Materialien sind entsprechend den Anforderungen ausgewählt. Der Einsatz von Beton ist auf das sinnvolle Maß begrenzt. Holz wird aufgrund seiner günstigen CO2 Bilanz bevorzugt eingesetzt. Die extensive Begrünung verzögert den Regenabfluss und reduziert die sommerlichen Maximaltemperaturen auf dem Dach. Das Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und für die Bewässerung genutzt. Die Wärmedämmung lehnt sich an den Passivhausstandard an. Als Dämmstoffe kommen vorzugsweise mineralische und/oder nachwachsende Materialien zum Einsatz. Fenster sind mit Dreifach-Wärmeschutzglas auszuführen. Es wird Glas mit hohen Transmissionskoeffizienten für sichtbares Licht eingesetzt, um eine optimale Tageslichtqualität in den Räumen zu erreichen. Außenliegende Sonnenschutzbehänge bzw. feststehende Verschattungseinrichtungen und Dachüberstände schirmen unerwünschte solare Lasten im Sommer ab. Über motorisch angetriebene Oberlichter wird das Gebäude im Sommer nachts mit kühler Außenluft durchspült und so „entwärmt“, in Räumen mit mechanischer Lüftung erfolgt dies über die Lüftungsgeräte.Die gute Tageslichtqualität in Verbindung mit einer intelligenten Präsenz- und tageslichtabhängigen Kunstlichtregelung sowie der Einsatz von LED Technik führt zu einem niedrigen Strombedarf für die Beleuchtung und damit gleichzeitig zu einer Reduzierung der inneren Wärmelasten. Hochbelegte Bereiche wie z. Bsp. Klassenräume erhalten dezentrale mechanische Lüftungsgeräte. Dadurch wird eine bedarfsgerechte, hocheffiziente Lüftung sichergestellt. Küche, Mensa werden nach den relevanten Vorgaben mechanisch belüftet. Alle Räume mit einer Außenfassade erhalten Lüftungsflügel, so dass ein hybrider Lüftungsbetrieb realisiert werden kann, d.h. natürliche Lüftung ist bei moderaten Außenbedingungen möglich. Die Dächer werden mit PVT Kollektoren belegt. PVT Kollektoren stellen Elektrizität als auch Warmwasser bereit. Die Orientierung ist bezüglich der Maximierung der Eigenstromnutzung optimiert. Eine kleine solarthermische Kollektoranlage unterstützt die Warmwasserbereitung für den Mensabetrieb. Der Heizwärmebedarf wird von einer Wärmepumpe in Verbindung mit den PVT Kollektoren bereitgestellt. Das Verteilnetz ist konsequent auf Niedertemperarturwäre ausgelegt, um so einen effizienten Betrieb der Wärmepumpe zu ermöglichen. Die Wärmepumpe sollte mit einem großzügig dimensionierten Wärmespeicher kombiniert werden, um so Niedertarifzeiten effektiv nutzen zu können. Die Wärmepumpe bietet in Verbindung mit der Lüftungstechnik die Option einer Temperierung der Räume, wenn dies bei extremen Sommerkonditionen notwendig wird. So ist die Zukunftssicherheit für die uneingeschränkte Nutzung der Schule auch bei sich ändernden klimatischen Randbedingungen gegeben.


Tragwerk

Die in sich geordnete Gebäudeform mit parallelen Kanten erzeugt eine hohe Wirtschaftlichkeit und eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit der Herstellung in Holzhybridbauweise. Das Tragwerk ist als vorgefertigte Holzkonstruktion in Skelettbauweise mit aussteifende Stahlbetonkernen vorgesehen. Im Inneren tragen Stützen und Träger aus Mehrschichtholz die Holzdecken. Im Bereich der Fassade werden die tragenden Stützen und Unter- bzw. Überzüge in die Fassadenelemente in großen vorgefertigten Elementen integriert. Die Fassadenelemente werden zusammen mit dem Holzbau montiert, wodurch die Geschoße während der Montage sehr einfach wettergeschützt werden können. Die Decken sind als weitspannende Hohlkastenelemente vorgesehen mit ab Werk integrierten Akustikelementen.

Fassaden und Materialitäten

Opake Fassadenelemente sind aus nachwachsenden Rohstoffen vorgesehen. Die Horizontalität wird mit Holz ver¬schalten Brüstungselementen konsequent über alle Gebäudeteile hinweg erlebbar gemacht. Zusätzliche vertikale Holzelemente sorgen für das richtige Verhältnis von 55% opaker zu 45% transparenter Fassadenelemente. Die transparenten Fassadenelemente bestehen aus Pfosten-Riegelkonstruktionen und normalen Fenstern in Holz-Aluminium oder reiner Holzbauweise. Die Verglasung ist mit 3-fach Isolierverglasung vorgesehen. Wärmedurch¬lass und Sonnenschutz-eigenschaften der Verglasungen werden mit der Fachplanung entsprechend Anforderungen und Orientierung optimiert. Außenliegender Sonnenschutz trägt zu angenehmen Lernklima bei.
Die lichtdurchfluteten Innenräume sind geprägt von Holzoberflächen und glatten Leichtbauwänden.
Das Gebäude erhält si die gewünschte Haptik und Massstäblichkeit, die den Nutzern entspricht. Ein einheitlicher, alltagstauglicher Bodenbelag aus Linoleum schafft Ruhe und sorgt für die richtige Farbstimmung.

Brandschutz
Die Feuerwehrzufahrt kann über die Grünewaldstraße und über die Salzburger Strasse erfolgen. Die befahrbaren Flächen auf dem eigenen Grundstück werden gleichzeitig als Flächen für die Feuerwehr genutzt. Die Aufenthaltsräume im EG haben einen direkten Ausgang ins Freie. Hierbei können die Aufenthaltsräume auch zu Raumgruppen zusammengefasst werden, so dass der Ausgang über einen benachbarten Raum sichergestellt wird. Die Ober¬geschosse haben als horizontale Rettungswege zusätzlich angrenzende Terrassenflächen. Alle Aufenthaltsräume der beiden Obergeschosse sind an gesicherte Treppenanlage und an die Treppe des Foyers angebunden. In jedem Fall werden immer min zwei bauliche Rettungswege erreicht. Die Flu¬re und die offenen Lernflächen werden somit nicht in ihrer Nutzbarkeit eingeschränkt. Sämtliche an den Mittelflur angrenzenden Aufenthaltsräume sind feuerbeständig abgetrennt. Für den zentrale Treppenraum sind Rauchablei¬tungsöffnungen an den höchsten Punkten vorgesehen. Wände mit Brandschutztüren sorgen für Brandschutzbereiche; diese Brandschutztüren können offenstehen, Rauchindikatoren steuern diese Türen und sichern den Raumabschluss im Brandfall.


Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliches und architektonisches Konzept / Freianlagenkonzept
Die Verfasser:innen entwerfen einen versetzten Stapel aus drei Geschossebenen, die sich nach Norden hin abtreppen. Nach kontroverser Diskussion begrüßt das Preisgericht die außenräumliche Gliederung und die Vielfalt der sich, durch die unterschiedlich ausgerichteten Gebäudeteile, ergebenden Flächen. Die fließenden Übergänge von Außen- und Innenraum unterstützen diesen Ansatz. Das Schieben der Mensa aus der Gebäudeflucht führt zur Fällung wertvoller Bäume und wirkt sich negativ auf die Durchwegung des Schulgeländes und damit auf die Pausenflächen aus. Das Preisgericht bezweifelt, dass ein behutsamer Eingriff in den Baumbestand ausreicht, um das Gebäude zu realisieren. Die Verlegung des Spielplatzes scheint unnötig. Die Einsehbarkeit aus den umliegenden Gebäuden als soziale Kontrolle zu Nichtschulzeiten wird positiv aufgefasst.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, Umsetzung des Themas Holzbaukonstruktion / Baukonstruktion und Materialität
Die Spannweiten im Gebäude sind mit Holz realisierbar. Die Auskragungen bedürfen konstruktiver Durcharbeitung. Positiv gewertet werden die Dachüberstände und der außenliegende Sonnenschutz. Kritisch gesehen werden die Vielzahl der sensiblen Dach- und Abdichtungsanschlüsse sowie die formbedingt große Oberfläche. Das Preisgericht würdigt den Beitrag für dessen außen- und innenräumliche Qualitäten mit einer Anerkennung. Die konstruktive wie bauphysikalische Komplexität des Baukörpers lässt erhöhte Bau- und Instandhaltungsaufwände erwarten. Daher wird von einer Prämierung der Arbeit abgesehen.
Der Pausenhof

Der Pausenhof

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

1. Obergeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Querschnitt

Querschnitt

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Detail Ansicht/Schnitt

Detail Ansicht/Schnitt