Nichtoffener Wettbewerb | 04/2022
Neubau Rathaus und Gestaltung Dorfplatz in Odelzhausen
©Braunger Wörtz Architekten
Perspektive
1. Preis
Preisgeld: 34.000 EUR
Architektur
Architektur & Zeichnung Wolfram Gothe und Paul Trakies
Visualisierung
Architekturmodelle Boris Degen Modellbau
Modellbau
Erläuterungstext
Einfach_Heimat
Die schöne Gemeinde Odelzhausen im Landkreis Dachau: Geprägt vom Leben und Wirken der Menschen über 12 Jahrhunderte, der Schlichtheit der lieblichen Landschaft und der sich daraus entwickelten einfachen Gebäude. Inmitten des Ortes liegt der Dorfplatz umgeben von der Markt- und der Gartenstraße und gesäumt von Gebäuden, welche noch heute für Identität und Heimat stehen und den Rhythmus des städtebaulichen Maßstabes anzeigen. Von dort öffnet sich der schöne Blick zur katholischen Pfarrkirche St. Benedikt. Ein lebendiger Ort mit viel Gemeinsinn der Bürgerschaft, deren heimatliche Mitte sich nun angemessen weiterentwickeln darf.
Die Idee des Einfach_Heimat_Weiterbauen
Mit der Idee des Einfach_Heimat_Weiterbauen wird das bestehende städtebauliche Ensemble behutsam und zeitgemäß ergänzt.
Die städtebauliche Setzung nimmt umliegende Volumina in ihrer Körnung respektvoll auf und formuliert gleichzeitig einen selbstbewussten, eigenständigen Baukörper. Mit seinen gegliederten Dachformen und den maßstäblich ausgeformten Fassaden fügt er sich gleichwohl angenehm in die dörfliche Struktur ein. Dabei entstehen durch das Versetzen der Baukörper gut proportionierte Außenräume als Dorfplatz mit Rathauseingang, Zugang zum Metzger und Dorfladen, Biergarten und rückseitige Park-/Andienungsbereiche. Eine verbindende fußläufige Gasse von West nach Ost erlaubt eine kurze Verbindung der Aussenräume. Mit der Wahrung des örtlichen Maßstabes und der Proportionen (Geschossigkeit und Dachneigungen) wird im Gesamtkontext spannungsvoll weitergebaut.
Grüß Gott im Neuen Rathaus und auf dem Dorfplatz
Begrüßt werden die Besucher auf dem neuen Dorfplatz umgeben vom Rathausbaukörper und den angrenzenden Nachbargebäuden. Sinnfällig und einladend werden alle Nutzungen von dort erschlossen: Die Metzgerei und der Dorfladen im nördlichen Bereich, zentral mittig das Rathaus und südlich das Wirtshaus. Südöstlich schließt die integrierte Tiefgaragenabfahrt an mit rückseitiger Andienung des Rathauses und der Gewerbe. Über den Dorfplatz und die fußläufige Gasse vom Parkplatz führen alle Wege in das helle und freundliche Foyer des Neuen Rathauses, ebenso wird ein separates zweites Treppenhaus erschlossen, welches den Ratssaal und die fremdvermieteten Gewerbeeinheiten getrennt erreicht. Die einladende Haupttreppe führt direkt in die beiden übersichtlich erschlossenen Rathausebenen der Obergeschosse und schließlich im flexiblen Ratssaal. Dieser ist mehrfach teilbar, separat bespielbar und genießt mit eigenem Freibereich den direkten Blick über den Dorfplatz in den Ort und zur Kirche St. Benedikt.
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit - Architektonisches und gestalterisches Konzept
Ganz wundervoll liegen die Materialien am Ort bereit – Holz, Stein, Ziegel und Putz.
Diesem schlichten, einfachen und gleichzeitig wertigen Konzept folgt das neue Ensemble in bescheidener Reduktion:
Während die beiden nördlichen Baukörper mit einem feinen Kalkputz handgescheibt anmutig versehen sind, erhält der südliche Baukörper eine vertikal strukturierte Lärche-Holzfassade mit Ein- und Durchblicken bis in den Ratssaal. Die Unterscheidung der Fassaden unterstreicht die Sonderfunktion des südlichen Baukörpers aus Ratssaal, Wirtshaus und Praxen und dessen städtebauliche Dominante – gleichzeitig wird insgesamt einen menschlichen Maßstab und dörfliche Identität erzeugt.
Alle Baukörper erhalten maßvolle Fensteröffnungen mit tiefliegenden weitestgehend witterungsgeschützten Lärchefenster
Die Konstruktion der Gebäude aus 2-fachen Wärmeziegel und Holz-Hybriddecken dokumentiert den nachhaltigen Ansatz aus CO2-reduzierter Bauweise und die „Brücke“ zu einem Neuen Einfachen Bauen: Einfache Materialien, welche haptisch, anmutig und wartungsarm und sortenrein verbaut sind.
Beurteilung durch das Preisgericht
In der städtebaulichen Disposition fügt sich der Entwurf in die umliegende Bebauung angemessen ein. Der weit nach Westen vorgerückte südlichen Trakt verbaut allerdings eine mögliche größere Offenheit und Weiträumigkeit des Dorfplatzes. Der Baubestand der näheren Umgebung und die vorhandene Straßenführung werden in ausreichendem Maße berücksichtigt, die städtebaulichen Bezüge sind sinnvoll aufgenommen. Nachbarbeeinträchtigungen werden soweit möglich vermieden. In der giebelständigen Baukörperanordnung, den Baukörpergrößen und den Dachfirstrichtungen zeigt sich eine auch in den Einzelmerkmalen ausgeprägte Ähnlichkeit mit dem Kontext. Die Giebelgliederung findet dabei aber keine Entsprechung in der inneren Gebäudestruktur. Sie erweckt den Anschein gereihter Einzelbaukörper. Einerseits wird damit die nahtlose Einfügung in die Eigenart der Odelzhausener Ortsmitte erreicht, andererseits bewirken die „Attrappengiebel“ bei Teilen des Preisgerichts ein gewisses Unbehagen.
Die Materialwahl der Fassaden in konventioneller Ausführung als Mauerwerkskonstruktion ist sowohl gestalterisch überzeugend, als auch in Bezug auf die Energieeffizienz nachhaltig.
Die Zugänge und Anlieferzonen zu den jeweiligen Nutzungsbereichen entsprechen den Anforderungen. Die inneren Erschließungen sind funktionstüchtig vorgeschlagen. Die baulichen Rettungswege erscheinen nicht einwandfrei nachgewiesen.
Gebäudedaten und Flächenverhältnisse entsprechen weitgehend dem Durchschnitt aller Arbeiten. Die Nutzflächen wurden optimiert, die nachzuweisenden Flächen für die Verwaltungsnutzung entsprechen nicht den Programmsollwerten. Sie sind entschieden zu knapp bemessen. Dies wird äußerst kritisch bewertet. Auch die übergroßen Raumhöhen der Nutzungsbereiche unterhalb der Satteldächer entsprechen nicht den funktionalen und wirtschaftlichen Anforderungen.
Der Entwurf ermöglicht durch den auf der östlichen Fläche des Grundstücks angeordneten Baukörper die Gestaltung einer großzügigen Platzfläche mit dreiseitiger räumlicher Fassung. Die mittige Aufweitung des Platzes, welche durch den Gebäuderücksprung entsteht, bildet gemeinsam mit der gegenüberliegenden Bebauung einen ansprechenden Dorfplatz wobei die Lage der westlichen Giebelfassade die Aufweitung und Öffnung der Platzfläche auch zu den Gebäuden im Süden und Südwesten einschränkt. Die Platzfläche kann multifunktional genutzt werden, auch wenn das Platzangebot für die vorgesehene Marktnutzung nicht ausreichend ist. Die Übergangsbereiche zu den nördlichen und östlichen Nachbarn wirken sehr offen und „hart“. Die intensive Nutzung der öffentlichen Flächen könnte die umliegende Wohnnutzung beeinträchtigen.
Das Baumdach an der südwestlichen Grundstücksecke akzentuiert die Freischankfläche der Gastronomie und bildet gleichzeitig einen kontrovers beurteilten, einengenden räumlichen Abschluss zur Kreuzung. Der Höhenunterschied von Norden nach Süden wird über eine Sitzstufe in Verlängerung der Nordfassade an das Gebäude angebunden, so dass der Platz vor dem Gebäude höhengleich anschließt.
Die gesamte Grundstücksfläche ist als befestigte Fläche dargestellt. Positiv wird die Wahl von Naturstein gesehen. Eine Differenzierung der Formate ist im Plan nicht zu erkennen. Der Nutzungsvorschlag der nordöstlichen Fläche für PkwParkplätze wird als unbrauchbar angesehen. Auch die Umfahrung des gesamten Baukörpers mit einer Fahrwegverbindung an der nördlichen Grundstücksgrenze wird vom Preisgericht nachdrücklich kritisiert. Die geforderten barrierefreien Stellplätze sind nicht nachgewiesen.
©Braunger Wörtz Architekten / Logo verde Ralph Kulak Landschaftsarchitekten GmbH
Lageplan
©Braunger Wörtz Architekten
Ansicht
©Braunger Wörtz Architekten
©Braunger Wörtz Architekten
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