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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2021

Neubau Schulcampus mit Grundschule, Gymnasium und Sporthalle in Erfurt

1. Preis

Preisgeld: 24.000 EUR

pussert kosch architekten

Architektur

RSP Freiraum GmbH

Landschaftsarchitektur

LINDENKREUZ EGGERT | Bildermacherei & Utopografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Leitidee

Das Baugrundstück erstreckt sich von der Greifswalder Straße bis zum nordöstlich gelegen Bahndamm. Ein Fuß- und Radweg führt vom südlich gelegenen Einkaufs- und Versorgungszentrum zum nördlich geplanten Wohngebiet direkt über das Grundstück. Der Entwurf reagiert auf die äußeren Einflussfaktoren und berücksichtigt die städtebaulichen Gesetzmäßigkeiten der Nachbarschaftsbebauung. Die neuen Schulgebäude folgen den Rändern des Grundstücks, nehmen dabei die Baufluchten der angrenzenden Bebauung auf und schaffen dadurch einen sehr schönen und geschützten Schulhof. Die Sporthalle orientiert sich hin zur Greifswalder Straße und lässt den notwendigen Raum für die vorgesehene Wegeverbindung.

Gymnasium und Grundschule verschmelzen zu einem gemeinsamen Ensemble. Der Dreiklang bildet die inneren Funktionen nach außen ab. Das dreigeschossige Gymnasium erstreckt sich entlang der östlichen Grundstücksgrenze und übernimmt die lärmabschirmende Funktion zum Bahndamm. Im mittleren Bauteil sind die gemeinsam genutzten Räume wie Aula und Mensa sowie die Verwaltung untergebracht. Die daran anschließende zweigeschossige Grundschule verfügt über eine von oben belichtete, zentrale Mitte mit hohem Aufenthaltswert. Diese 3 Baukörper sind über transparente Eingangsfoyers miteinander verbunden, die Durchblicke auf die dahinterliegenden Schulhöfe zulassen.

Die Ausformulierung der Baukörper richtet sich nach den Grundstückgrenzen und der angrenzenden Bebauung. Durch die geschickte Verdrehung einzelner Gebäudeteile entstehen spannende und gut nutzbare Bereiche, innen wie außen. Zusammen mit den vorgelagerten Grüninseln wird entlang der Ringstraße eine großzügige Vorzone mit einer Kiss and Ride Zone geschaffen. Gleiches gilt für den rückwärtigen Bereich und die Gliederung der Schulhöfe. Rückspringende Gebäudeteile im Erdgeschoss generieren überdachte Pausenflächen.


Innere Organisation

Die Haupteingänge für die Grundschule und das Gymnasium befinden sich in den Baukörperfugen. Aula und Mensa sind zusammenschaltbar und befinden für alle gut erreichbar an zentraler Position im EG mit Orientierung zum Schulhof. Küche und Nebenräume bilden einen Rücken zur Ringstraße, über die auch die Anlieferung erfolgt. Ein weiterer Zugang für die Lehrer des Gymnasiums befindet sich im Osten in der Nähe der zugehörigen Stellplätze.

Die Lernwelten gruppieren sich um zentrale, kommunikative Bereiche die auch individuelle Lernzonen dienen und die über Lufträume miteinander verbunden sind. In der Grundschule ist dieser Bereich von oben belichtet und bietet fest eingebaute Sitzstufen für die Schüler. Dort können auch Veranstaltungen und Aufführungen stattfinden. Ein ganz besonderer Bereich für die Gymnasiasten stellt die multifunktionale Zone entlang des Fensterbandes dar. Dieser bietet genügend Fläche zum gemeinschaftlichen und selbstständigen Lernen.

Die 2-Feld-Sporthalle verfügt über 2 Zugänge und eine Tribüne im Obergeschoss. Die Sporthalle kann auch gut für den abendlichen Vereins- oder Freizeitsport genutzt werden, da sie völlig autark von den Schulen funktioniert. Die Stellplätze befinden sich direkt vor dem Eingang der an der Ringstraße, sodass keine Beeinträchtigungen der Anwohnerschaft bestehen.


Freianlagen

Die Freiflächen werden im Wesentlichen durch die expressive Gebäudeform der Schule beeinflusst und geprägt. Zusammen mit den Holzdecks, den Schattensegeln und den Sport- und Spielbereiche entstehen vielfältige und abwechslungsreiche Freibereiche für die Schüler und Schülerinnen.

Eine dichte Grünzone entlang der Grundstückgrenze zur benachbarten Wohnbebauung schafft einen wohltuenden Sicht- und Schallpuffer. Lärmemissionen von den Gleisen werden durch das 3-geschossige Gymnasium ausreichend abgeschirmt.

Die geforderten PKW-Stellplätze werden auf einem begrünten Parkplatz vor der Sporthalle und entlang der Ringstraße auf dem Grundstück nachgewiesen. Die Stellplätze für die Fahrräder sind dezentral in Eingangsnähe an verschiedenen Standorten innerhalb und außerhalb der Einfriedung angeordnet. Die Kiss and Ride Zone befindet sich unmittelbar vor der Schule an der Ringstraße. Dort können die Grundschüler zur Schule gebracht werden, ohne dass sie die Straße überqueren müssen.


Brandschutzkonzept

Die Schulen werden brandschutzrechtlich als Clusterschulen betrachtet. Das hat den Vorteil, dass an die Innenwände und Türen keine Anforderungen bestehen und moderne und damit freie und offene Unterrichtskonzepte umgesetzt werden können. Die Cluster werden in einzelne Brandabschnitte aufgeteilt und verfügen über zwei voneinander unabhängige Fluchtwege. Die Schulen erhalten eine Hausalarmierungsanlage.

Die Feuerwehr erreicht den Einsatzort über die Greifswalder Straße und die Ringstraße. Über den befestigten Geh- und Radweg zwischen Sporthalle und Schule gelangt sie auf die vorgesehenen Feuerwehraufstellflächen im Schulhof. Die Löschangriffe und Evakuierungen können von allen Seiten aus erfolgen.


Bauweise und Material
Die Schulgebäude und die Sporthalle sind in einer Holzhybridbauweise geplant. Techniktrassen, Beleuchtung und Akustiklamellen werden zwischen den Holzbinder integriert. Dadurch werden die Räume zwischen der Tragkonstruktion genutzt, die markanten Holzbinder bleiben sichtbar und es kommt zu keiner Volumenerhöhung aufgrund abgehängter Decken und dem Nachweis der Mindestraumhöhe.

Die Fassade aus lasiertem Lärchenholz ist in Holztafelbauweise geplant. Die Fassadenelemente werden im Werk gefertigt und mit einem Autokran vor Ort montiert. Durch den hohen Vorfertigungsgrad ist eine schnelle und wirtschaftliche Erstellung gesichert. Im Zusammenspiel mit den stark gegrünten Außenanlagen und den bewusst gesetzten Baupflanzungen präsentiert sich der Bildungscampus in einer sehr natürlichen Form und Materialität.

Der nachwachsende Rohstoff Holz bestimmt auch die Atmosphäre im Inneren. Feste Einbaumöbel, Türoberflächen, Handläufe und Deckenbekleidungen sind in Holz vorgesehen. Zusammen mit dem geschliffenen Gussasphaltestrich mit hellen Zuschlagsstoffen und den Sichtbetonwänden der aussteifenden Wände und Treppenhäuser entsteht eine sehr warme und angenehme Atmosphäre zum Lernen.


Nachhaltigkeitsansatz und Energetisches Konzept

Der grundsätzliche Ansatz des Konzeptes ist die Errichtung von nachhaltigen und wirtschaftlich effizienten Neubauten mit einer energetisch optimierten und CO2-armen Jahresbilanz. Grundlage liegt in der integralen Planung von Architektur und Technik im Zusammenspiel mit einer Brauchwassernutzung.

Unterstützt wird dies durch die gezielt gestalteten und ausgerichteten Baukörper, die einen sehr guten Wärmeschutz und eine hohe Luftdichtheit aufweisen, sowie der Begrenzung des Einsatzes technischer Anlagen auf das erforderliche Minimum. Bestreben ist zudem der Einsatz technischer Anlagen mit hoher Energieeffizienz und die Nutzung regenerativer Energien nach der EnEV und des EEWärmeG.

Eine raumlufttechnische Anlage ist für alle Aufenthaltsräume vorgesehen. Die Räume werden mit einer kontrollierten Lüftung zur Absicherung des hygienisch und bauphysikalisch erforderlichen Mindestluftwechsels betrieben. Die Zuluft für die Lüftungsanlagen wird über einen Lufterdkollektor geführt, wodurch eine Vortemperierung der Zuluft durch Erdwärme gegeben ist. Zusätzlich kann bei Bedarf eine natürliche Lüftung über die Fenster erfolgen.

Sämtliche Unterrichts- und Gruppenräume erhalten eine CO² Ampel und werden bei Bedarf über die Fenster stoßweise gelüftet. Für den sommerlichen Wärmeschutz ist neben dem außenliegenden Sonnenschutz, der entsprechend dem Solareintrag gesteuert wird, eine natürliche Nachtauskühlung in den Obergeschossen vorgesehen. Die Flachdächer werden als Retentionsdächer ausgelegt und puffern das Niederschlagswasser vor der Einleitung in die Kanalisation. Die Dachflächen werden komplett begrünt und mit Photovoltaikelementen bestückt.

Als Folgen des Klimawandels kommt es in den Frühjahrs- und Sommermonaten immer häufiger zu erhöhten Außentemperaturen, die teilweise die Auslegungsaußentemperaturen für technische Anlagen bereits überschreiten. Daraus ergeben sich erhebliche Lern- und Nutzungseinschränkungen für ein Schulgebäude. Direkte Kühl- und Klimatisierungsmaßnahmen werden aus Gründen der Betriebsfolgekosten wie auch der aus dem zusätzlichen Stromverbrauch resultierenden zusätzlichen Umweltbelastung nicht vorgesehen.

Mit folgenden Planungsmaßnahmen wird ein passiver und teilaktiver umweltverträglicher Ansatz vorgesehen:

- Ausbildung von Speichermassen
Massive Bauteile können sich aufheizen und reduzieren so die Temperaturspitzen
- Nutzbarkeit von Speichermassen
In modernen Gebäuden werden die Speichermassen von Decken durch abgehängte Decken oft unwirksam. Gerade in Schule kollidieren die Schallschutzmaßnahmen mit der Nutzbarkeit von Decken- speichermassen. In der Planung werden die Schallschutzmaßnahmen deshalb so vorgesehen, dass eine Raumluftzirkulation weiterhin möglich ist.
- Aktivierung der Speichermassen
Die für die Beheizung erforderliche Fußbodenheizung wird ebenso für die Kühlung genutzt, wobei Brunnenwasser oder Sole genutzt wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Arbeit gelingt durch die scheinbar selbstverständliche Ausformung und Positionierung der drei Baukörper eine ausgewogene Anordnung auf dem Baugrundstück mit ausreichend großen Vorplätzen und einer großen zusammenhängenden Fläche für die Schulhöfe.

Die Grundschule erscheint als eigenständiger Baukörper und ist damit für die jungen Schüler:innen gut auffindbar. Beide Eingänge sind deutlich zu erkennen und jeweils so positioniert, dass eine Erschließung der mittig angesiedelten Gemeinschaftsräume, als auch der beiden Schulbereiche möglich ist. Die Möglichkeit einer außerschulischen Nutzung der Gemeinschaftsräume in den Abendstunden ist damit ebenfalls gegeben.
Durch die polygonale Form ergeben sich auch im Inneren interessante, gut nutzbare Gemeinschaftsflächen, die insbesondere in der Grundschule eine gemeinsame Mitte erzeugen und zur guten Orientierung in diesem Gebäudeteil beitragen.

Auch im Gymnasium entstehen großzügige Aufenthaltsbereiche und Blickbeziehungen zwischen den Geschossen. Nicht ganz schlüssig sind in diesem Zusammenhang die Fluchtwege, hier sind evtl. zusätzliche Treppenhäuser oder notwendige Flure auszubilden bzw. Nutzungseinheiten in ihrer Größe zu beschränken. Auch ein nachvollziehbares Tragwerkskonzept wird vermisst. Die räumliche Anordnung der Lernbereiche ist sehr gut gelungen und unterstützt aktuelle pädagogische Konzepte, lediglich die naturwissenschaftlichen Räume sollten im 2. OG zusammengelegt werden.

Das Angebot an WC im Gymnasium erscheint sehr knapp, auch die Technikflächen sind stark unterdimensioniert.

Die Turnhalle wird selbstverständlich an der Greifswalder Straße platziert, ihre separate Nutzung durch Vereine ist gut möglich, lediglich die Parkplatzfläche im Vorfeld wird nicht so als Grünfläche wirken wie im Plan dargestellt.

Die vorgeschlagene Materialität und die damit erzeugte Atmosphäre überzeugen vor allem im Innenraum, wie die Holzfassade außen mit einer grauen Lasur erscheinen würde, ist noch zu überprüfen.

Das Konzept der Freiräume greift in spielerischer Weise die Gebäudekonfiguration auf und entwickelt vielfältige Nutzungsangebote in unterschiedlichen räumlichen Konstellationen. Während der Rand zur Wohnbebauung eine dichte Abpflanzung erhält, werden die Pausenflächen in sonnige und schattige Bereiche gegliedert. Es gibt sowohl aktive als auch ruhige Räume, eine Zuordnung zu den beiden Schulen ist gut möglich. Auch die Vorplätze werden durch Pflanzungen akzentuiert, so dass letztlich ein tatsächlich grüner Schulcampus entsteht.

Insgesamt ein sehr überzeugender Beitrag, der sowohl in seiner städtebaulichen als auch architektonischen und freiräumlichen Qualität überzeugt.