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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2024

Neubau Schulungs- und Veranstaltungsraum KZ-Gedenkstätte Schwesing

Visualisierung

Visualisierung

1. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

Schoener und Panzer Architekten BDA

Architektur

Station C23 - Büro für Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitidee

Das Gelände der KZ-Gedenkstätte Schwesing besteht aus den fragmentarisch erhaltenen Überresten der historischen Anlagen und künstlerisch-baulichen Interventionen der vergangenen Jahrzehnte. Durch das 2017 errichtete „Haus der Gegenwart“ und die vorgelagerten Infostelen erhalten Besuchende auch unabhängig von den Öffnungszeiten des Gebäudes elementare Informationen und einen ersten Überblick über das Areal.

Der geplante Neubau soll mit dem „Haus der Gegenwart“ nicht in Konkurrenz treten, sondern gemeinsam mit dem Bestandsgebäude den klar lesbaren ersten Anlaufpunkt des Geländes bilden. Der gebaute Bestand wird dazu schonend in die Planung des Neubaus integriert – es entsteht ein gemeinsamer Informations-, Schulungs- und Veranstaltungsort.

Der Neubau soll als wertungsfreies, zurückhaltendes und dienendes Gebäude wahrgenommen werden und zur offenen Diskussion einladen. Die ehemalige Lagergrenze jedoch, und mit ihr die Grenze zwischen systematischer und menschenverachtender Machtausübung auf der einen und beklemmender, angsteinflößender Unterdrückung und wahlloser Tötung auf der anderen Seite, wird sowohl im Freiraum als auch im Gebäude sichtbar gemacht.


Städtebauliche Einbindung und Landschaftsarchitektonisches Konzept

Der eingeschossige Neubau wird als nordöstliche Erweiterung des bestehenden „Haus der Gegenwart“ geplant. Die bereits früher gewählte Setzung des Bestands wird damit gestärkt und ausgebaut.

Dem Neubau wird ein Platz vorgelagert, der in offener und einladender Atmosphäre die verschiedenen Nutzungen inhaltlich verknüpft und funktional verbindet. Im Nordwesten wird der Vorplatz fußläufig vom Parkplatz und vom neu angelegten Zugangsweg aus erschlossen. Die Infostelen werden durch die Setzung des Neubaus stellenweise versetzt und unter Berücksichtigung der beschriebenen Blickbeziehungen und Reihenfolge auf dem Vorplatz neu verortet.

Die ehemalige Lagerstraße wird vollständig freigelegt und durchschneidet den Vorplatz. Im Bereich der Überlappung wird das raue, spitzsteinige, hindernisreiche Pflaster der Lagerstraße glatt geschnitten – der Übergang versinnbildlicht die Last der Geschichte im Kontext aktuellen Komforts. An der auch nach Westen hin freigelegten Lagerstraße werden in regelmäßigem Abstand Cortenstahlstelen aufgestellt, die in Höhe und Rhythmus die ehemaligen Wachposten entlang der Lagerstraße symbolisieren. Die Lagerstraße wird bewusst nicht an den Fuß- und Radweg im Westen angebunden, sondern endet – der Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit der historischen Nutzung entsprechend – im Nichts, einem an den Friesenwall erinnernden, grün überwachsenen Graben.

Der Vorplatz, im ehemaligen Außenbereich des Lagers liegend, endet nach Osten hin scharfkantig mit einer Cortenstahlkante. Das Überschreiten dieser Linie ist gleichbedeutend mit dem Betreten des Lagers und damit des eigentlichen Gedenkortes.
Die Parkplatzflächen werden als dienendes, untergeordnetes Infrastrukturelement auf dem straßenseitigen, nördlichen Teil des Baufeld angelegt. Die Zufahrt wird nach Westen verschoben, um den PKW-Verkehr von der ehemaligen Lagergrenze und dem Erinnerungsort zu lösen. Unter Schatten spendenden Bäumen werden die notwendigen Stellflächen um eine grüne Insel herum angelegt. Durch eine Neupflanzung von Obstgehölzen wird das Parken räumlich von dem Gedenkort abgegrenzt.


Gebäudestruktur und Organisation

Das Haus wird über einen Unterschnitt von Norden aus betreten. Im Unterschnitt können die Wände von außen beschrieben werden – es entsteht hier auch außerhalb der Öffnungszeiten ein Ort der Information, der Reflektion, der Erinnerung und des Gedenkens.

Über einen Windfang wird das innenliegende Foyer erreicht – ein Dachoberlicht versorgt diesen Bereich mit natürlichem Tageslicht. Vom Foyer aus werden alle Nutzungen erreicht, insbesondere der bestehende Seminar- und Schulungsraum im Westen und der neue, mittig teilbare Schulungs- und Veranstaltungsraum im Osten.

Durch die neuen Veranstaltungsräume schiebt sich der Erweiterungsbau über die ehemalige Lagergrenze hinaus in den Grünraum hinein. Die bereits im Außenraum wahrnehmbare Grenze wird auch im Innenraum des Veranstaltungsraums sichtbar gemacht und liefert damit ein wichtiges didaktisches Mittel, die Geschichte des Ortes zu erzählen und in die heutige Zeit zu transportieren. Die ehemalige Lagergrenze durchschneidet das Gebäude zusätzlich als Lichtschlitz. Vom neuen, mittig teilbaren Veranstaltungsraum aus wird ein Überblick über das ganze Lager mit Küchenbaracke, Fundamentresten der WC-Anlagen, Hydrant und Stelenfeld freigegeben.

Die im Bestand vorhandenen, von außen zugänglichen Sanitäranlagen werden beibehalten und unter neuem Dachüberstand in das Gesamtgebäude integriert.


Konstruktion und Gestaltung

Der Neubau wird als einfacher, vorfabrizierter Holzrahmenbau errichtet. Der Bestand wird vollständig integriert, lediglich die vorgehängte Lärchenholzfassade wird zugunsten der Anbindung und einheitlichen Gestaltung gelöst, die Außenfenstertür wird versetzt.

Das Gesamtgebäude erhält eine vorgehängte hinterlüftete Cortenstahlfassade. Das Gebäude bietet damit auch außerhalb der Öffnungszeiten eine robuste und dem Ort angemessene Erscheinung. Die Gestaltung steht außerdem im engen Bezug zu den vor Ort bereits getätigten Interventionen.

Die Fenster werden als Holz-Aluminiumfenster mit außenliegendem, textilen Sonnenschutz umgesetzt. Die Böden werden als Nutzestrich ausgebildet – im Schulungsraum von der Cortenstahleinfassung unterbrochen.


Nachhaltigkeit und energetisches Konzept

Es wird vorgeschlagen, das Gebäude über eine Luft-Wärmepumpe zu beheizen. Die Wärme wird den Räumen mittels Fußbodenheizung zugeführt.

Über eine hochgedämmte Außenhülle soll das Gebäude in Anlehnung an den Passivhausstandard errichtet werden. Ein Verzicht auf eine mechanische Be- und Entlüftungsanlage wird in Anbetracht der Lage am Waldrand angestrebt und in der weiteren Planung geprüft. Alle Räume werden durch Fensterlüftung mit Frischluft versorgt, eine Nachtauskühlung wird vorgesehen. Die Verschattung durch die südwestlich angrenzende Vegetation ermöglicht einen Verzicht auf Kühlsysteme.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Setzung wird vom Preisgericht als sehr positiv gewertet. Sie respektiert vollumfänglich das Gedenkstättenkonzept und leistet mit der Aufnahme des Hauses der Gegenwart einen positiven Beitrag zum Weiterbau des Bestandes.

Den Verfassern gelingt es, mit einer klug gewählten Freiraumkonzeption den Auftakt zum Gedenkort vorbildlich zu fassen: Die notwendigen Flächen für die Buswende und die KFZ-Stellplätze erhalten eine neue Zufahrt vis a vis der Hofstelle und gruppieren sich um eine grüne Mitte. So entsteht gleichsam als Auftakt ein Grüner Anger. Die ehemalige Lagerstraße wird vollständig freigelegt und durchschneidet den Vorplatz. Sie wird bewusst nicht an den Fußund Radweg im Westen angeschlossen, sondern endet im Nichts an einem grün überwachsenen Graben. Dies symbolisiert in geeigneter Weise die Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit der historischen Nutzung als Konzentrationslager. Von der Jury wird besonders die Gestaltung des Vorplatzes gewürdigt: Dieser endet nach Osten hin scharfkantig mit eine Cortenstahlkante. Das Überschreiten dieser Linie ist für die Jury nachvollziehbar mit dem Betreten des Lagers und damit des eigentlichen Gedenkortes. Somit wird die Grenze des Lagers eindrücklich auch im Freiraum sichtbar gemacht.

Fazit: Eine besonders gut gestaltete Freiraumkonzeption, die sich dem Neubau unterordnet und ihn wohltuend ergänzt.

Der wertige architektonische Ausdruck greift materiell die vorhandenen künstlerischen Mahnmale der Gedenkstätte auf und fügt somit ein weiteres passendes Teil hinzu. Als selbstverständliches, solitär stehendes Gebäude überzeugt es als Einheit. Die gut gesetzten Öffnungen in der Fassade respektieren die wichtigen Bezüge zum Gelände. Diskutiert wurde, in wie weit der skulpturale Ausdruck der Architektur einen positiven Beitrag zum Erinnerungsort liefert. Das Preisgericht kommt zu dem Urteil, dass der ernsthafte Ausdruck eine angemessene Antwort auf die Fragestellung, was ein Gebäude im Kontext einer Gedenkstätte leisten kann, gibt. Ebenfalls wurde wertgeschätzt, dass das Gebäude eine gewisse Schwere verkörpert, die dem Thema der Erinnerung zuträglich ist. Gleichwohl wirkt die Architektur im Inneren nicht schwer, sondern bietet durch das große Oberlicht im Foyer eine sehr gut belichtete Eingangssituation. Weiterhin bietet das Gebäude hochwertige Räume, die eine qualitative Lehr- und Vermittlungsatmosphäre versprechen.

Auf funktioneller Ebene ist das Projekt präzise durchgearbeitet. Die Qualität des Grundrisses wird hervorgehoben. Insbesondere die Lichtführung und die Ausrichtung der Haupträume, sowie die Integration des Bestandes führen zu einem konsistenten Gefüge. In Bezug auf die bau- & planungsrechtlichen Anforderungen sind keine Beeinträchtigungen zu erwarten. Das Raumprogramm ist bis auf minimale Abweichungen erfüllt.

Die Nachhaltigkeit des Gebäudes ist nicht offensichtlich und hat sicherlich auch nicht höchste Priorität. Die Holzbauweise mit vorgehängter Cortenstahlfassade und die kompakte Gebäudekubatur lassen aber ein effizientes und energiesparendes Gebäude erwarten. Es wird bestätigt und ist gut nachvollziehbar, dass auf Photovoltaikanlagen auf den geneigten Dachflächen verzichtet werden soll. Positiv hervorgehoben wird der Versuch, auf ein natürliches Lüftungskonzept zu setzen. Zu hinterfragen ist der hohe Versiegelungsgrad im Freiraum (Parkplätze). Bei dem Gebäude handelt es sich um eine hochwertige und robuste Architektur mit einem hohen Präzisionsgrad. Dies wird vom Preisgericht hervorgehoben. Die Wirtschaftlichkeit scheint folgerichtig der Bauaufgabe angemessen.
Lageplan

Lageplan

Grundriss

Grundriss

Ansichten

Ansichten

Schnitte

Schnitte

Perspektive Lagerstraße

Perspektive Lagerstraße

Perspektive Eingangsbereich

Perspektive Eingangsbereich