Nichtoffener Wettbewerb | 06/2024
Neubau Theaterwerkstätten im WarnowQuartier in Rostock
©blrm
Visualisierung
3. Preis
Preisgeld: 24.000 EUR
Architektur, Innenarchitektur
-
Verfasser:
Prof. Volker Halbach, Prof. Rüdiger Ebel, Jannes Wurps, Jan Busemeyer
-
Mitarbeitende:
Fassadenplanung, Tragwerksplanung
TGA-Fachplanung, Energieplanung
hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH
Brandschutzplanung
Visualisierung
Erläuterungstext
Reziprozität
In der Planungsaufgabe der Theaterwerkstätten Rostock liegt das große Versprechen, Produktion und Publikum zu einer einzigartigen Komposition zu vereinen: eine Chance, die notwendigen Funktionen zu einer wirklich spezifischen Form zu synthetisieren und für die Besucher:innen beim Blick durch die Enfilade erlebbar zu machen. Performativ und spielerisch.
Die große Chance bei der Konzeption der Theaterwerkstätten in Rostock liegt in der Schnittstelle zwischen den produktiven Prozessen einer Werkstatt und der Teilhabe der Öffentlichkeit. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit der Stadtraum und seine Bewohner:innen in das Produktionsgeschehen von Bühnenbildern einbezogen werden können. Der Vorschlag "Der Lauf der Dinge" schafft eine Typologie, die über eine reine Addition von Funktionen hinausgeht und die Frage aufwirft: Wie können heterogene Nutzungen auf eine tiefreichende Art und Weise in Beziehung gesetzt werden? Ist es möglich, sich eine Struktur vorzustellen, die ein neues Gefühl für die Produktion von Bühnenbildern schafft? Wie sieht eine Typologie aus, die das Quartier öffentlich adressiert und gleichzeitig ideale Abläufe für die Produktion von Bühnenbildern gewährleistet?
"Der Lauf der Dinge"1: Abläufe sichtbar machen
Kern des Entwurfs ist die Idee, den Fluss vom Material zum fertigen Bühnenbild in gebauten Raum zu übersetzen. Das vielfältige Raumprogramm wird in die Typologie einer Perlenkette übersetzt und mittels des Theatermotivs der Enfilade für Zuschauer:innen sichtbar gemacht. Die Segmente der Kette bilden dabei die Bühnen der Produktion: Zuschauerraum (Foyer), Bühne (Montagehalle), Hinterbühne (Logistikhof) und Kulisse (Kulissenfundus) werden gegeneinander verschoben und schaffen so Momente der Verborgenheit und Momente des gezielten Einblicks. Das narrative Element des Theaters wird so zum Kern der Inszenierung und die Abläufe werden sichtbar. Das Gebäude selbst wird als lebendige Bühne wahrgenommen, auf der immer wieder neue Szenen und Kulissen entstehen. "Der Lauf der Dinge" verbindet somit ein strukturiertes Funktionsschema, das reibungslose Abläufe garantiert, mit einer spielerischen und performativen Interpretation des Raumprogramms. Bühne frei!
Fassade & äußere Erscheinung
Fassade & äußere Erscheinung
Das Gebäude präsentiert sich von außen als architektonisches Ensemble, das die Funktionen eines Theaters und eines Werkstattgebäudes in sich vereint. Die Perlenkette, die das Herzstück des Innenraums bildet, ist im Stadtraum nur zu erahnen. Die homogene Fassade besteht aus Gitterrostelementen, die die verschiedenen Funktionen zu einer Gesamtfigur zusammenfassen und den Blick auf die überhöhten Tore und die "Vorführung im Inneren" lenken. Hinter den Gitterrostelementen angeordnete Lichtelemente treten in Kommunikation mit dem Stadtraum und tragen den performativen Gedanken des Inneren nach außen.
In der Planungsaufgabe der Theaterwerkstätten Rostock liegt das große Versprechen, Produktion und Publikum zu einer einzigartigen Komposition zu vereinen: eine Chance, die notwendigen Funktionen zu einer wirklich spezifischen Form zu synthetisieren und für die Besucher:innen beim Blick durch die Enfilade erlebbar zu machen. Performativ und spielerisch.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die städtebauliche Konfiguration des Baukörpers resultiert aus der Konzeption einer „Perlenkette oder Enfilade“, die die innere Welt der Produktion aufspannt. Die Baufigur ist eine Assemblage aus unterschiedlich hohen Räumen, deren höchste an den beiden Plätzen im Westen und Osten platziert sind und durch untergeordnete Räume an Nord und Südseite verbunden sind. Die Höhenentwicklung wird kontrovers diskutiert, die absoluten Höhen sind mit den Rahmenbedingungen des Bebauungsplans abzustimmen. Der fehlende Bezug zur „landschaftlichen Warnow-Achse“ wird kritisch bewertet.
Gewürdigt wird die relative Transparenz der öffentlichen Programme (Café/Kantine, Kreativbereich und Multifunktionsraum) auf der Quartiersplatzseite. Die Zeichenhaftigkeit des Eingangs weist plakativ auf die räumlichen Beziehungen und Verknüpfungen hin, die sich im Inneren des Gebäudes anschließen und auftun. Deren besondere Konzeption erlaubt den Besuchenden oder der Öffentlichkeit den potenziellen Blick in die Tiefe des Geschehens in der Werkstatt.
Von der gegenüberliegenden Seite des östlich gelegenen Platzes wird ein zweiter öffentlicher Eingang inszeniert, der neben der gegenläufigen Sichtbeziehung zum Verkaufsraum/ Kostümverleih führt und auch diesen Platz positiv belebt. Die interne Achse ist das Kernstück des Entwurfs und eine adäquate und attraktive Antwort auf die Frage nach der Beteiligung der Öffentlichkeit am Geschehen. Sie schärft den innovativen Charakter des Entwurfs.
Die Portale im Bereich der Achse kollidieren in einigen Bereichen mit wesentlichen Funktionen wie z.B. dem Containerstellplatz. Lage und Art der Ausführung bedürfen einer Überprüfung. Dazu gehört auch eine geschickte Lösung zur Brandabschnittstrennung im Rahmen der Erstellung eines Brandschutz- und Rettungswegekonzepts, um spezifische Anforderungen an die Verglasungen der Trennwand zum Zuschauerraum und somit hohen ökonomischen Aufwand vermeiden zu können.
Der himmelsoffene Logistikbereich entspricht der Ausschreibungsanforderung, erscheint jedoch zu knapp bemessen, der Hubtisch liegt dysfunktional zu nah an der Wand. Die Werkstätten funktionieren gut, die Belichtung über die Sheddächer ist räumlich spannend konzipiert, die Zugehörigkeit der Lager zu den einzelnen Werkstätten (Tischlerei und Dekoration) ist jedoch optimierbar. Der Dekorationsfundus ist zu klein dimensioniert. Die Konzeption der Konstruktion je nach Lastfall aus STB oder als Massivholzbau/ Brettschichtholzbau erscheint angemessen und insofern auch nachhaltig.
Die Vorhangfassade mit Gitterrostkonstruktionen führt die unterschiedlichen Kuben und Raumcharaktere auch städtebaulich zusammen. Die relative industrielle Anmutung verweist auf den Werkstattcharakter, die Öffnungen im EG an den wesentlichen Stellen adressieren wichtige Beziehungen zum öffentlichen angrenzenden Raum und vice versa.
Insgesamt gelingt es der Arbeit, ein attraktives und vielschichtiges, gleichzeitig absolut maßhaltiges Angebot an kultureller Teilhabe an das neue Quartier zu machen, das wahlweise aus dem funktionsfähigen Werkstattbereich zu- und abgeschaltet werden kann.
©blrm
Visualisierung Werkstatt
©blrm
Visualisierung Saal
©blrm
Lageplan
©blrm
Konzept
©blrm
Ansicht West
©blrm
Längsschnitt