Nichtoffener Wettbewerb | 05/2024
Neubau Verwaltungsgebäude im Freilichtmuseum Hessenpark
©Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten / PATRICIA BAGIENSKI - GRANDITS
Blick in den Innenraum
1. Preis / Zuschlag
Preisgeld: 26.180 EUR
Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten
Architektur
TGA-Fachplanung, Energieplanung
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Verfasser:
Architekturmodelle Boris Degen Modellbau
Modellbau
Erläuterungstext
STÄDTEBAULICHES UND ARCHITEKTONISCHES KONZEPT
Ein Haus. Das neue Verwaltungsgebäude für den Hessenpark soll ein einfaches Haus werden. Gleichzeitig steht es an prominenter Stelle, direkt am Eingang des Hessenparks als neuer zeitgenössischer Baustein. Als solcher nimmt es sich in seiner Formensprache und Höhe zurück und passt sich nicht der Form der bestehenden Gebäude an. Es bedient sich aber einiger wesentlicher Elemente. So wird der Hessenpark ergänzt durch ein Schaustück der Übertragung tradierter Bauweisen mit aktueller Technik, die es durchaus wert sind in der heutigen Zeit wieder anzuwenden. Das neue Haus bildet die Grenze des Vorplatzes im Zusammenspiel mit dem Bestandsgebäude. Der Eingang erlaubt einen Durchblick in den Hof ohne die Arbeitssituation nach außen preiszugeben.
Durch die synergetische Nutzung von Flächen im Innenraum ist es gelungen, einen eingeschossigen Baukörper auf das Baufeld zu platzieren. Dadurch werden vertikale Erschließungselemente mit Wartungskosten und zusätzlichem Energie- und Flächenbedarf vermieden. Einfach barrierefrei. Zum öffentlichen Bereich des Eingangsplatzes des Hessenpark ist eine dienende Spange angeordnet. Die Öffnungen sind auf den einladenden Eingang und das zeitweise geöffnete Verkaufsfenster begrenzt, mit dem Ziel ein ausgewogenes Verhältnis von Geborgenheit für die Mitarbeitenden und eine freundliche Offenheit für die Besuchenden zu erzeugen.
Ein Haus wie ein Dorf - Im Inneren schichten sich verschiedene Arbeitsbereiche um einen versetzt zentral gelegenen kleinen Innenhof. Dieser bietet zusätzliche Belichtung, einen Außenarbeitsbereich für die Mitarbeitenden und hat zudem eine klimatische Wirkung im Sommer. Das Motiv des kleinen Dorfbrunnens, der überall auf dem Gelände bei den einzelnen Häusergruppen zu finden ist, wird hier im Hof aufgenommen. Pflanzen und Wasser sorgen im Sommer für Atmosphäre, Schatten und adiabate Kühlung. Einfache und natürliche Prinzipien, die sich sowohl psychologisch als auch klimatisch positiv auf die Arbeitsatmosphäre auswirken. Die Heimathäfen gruppieren sich ringförmig an den Außenwänden. Die dunkleren, das Haus aussteifenden und tragenden Ecken werden mit dem Thinktank und den Lagern besetzt, die weniger Licht erfordern. Die kommunikativen Aufenthaltsflächen orientieren sich zum Hof. Ein einfaches Haus, wie ein Zelt, bietet zonierte und vielfach nutzbare Raumabfolgen, die kommunikative und konzentrierte Arbeitssituationen zulassen.
FREIRAUM
Für die Gestaltung des Vorplatzes schlagen wir einfache, aber wirkungsvolle Elemente vor. Das Thema des Brunnens wird noch einmal aufgegriffen. Die Begrenzungen von Platz und Grünflächen erfolgen mit einfachen steinernen Sitzbänken.
MAXIMALE FLEXIBILITÄT
Die Lebensdauer von Gebäuden hängt maßgeblich von der Anpassungsfähigkeit und (Nutzungs-)Flexibilität ab. Die Möglichkeit ohne größere Eingriffe, Raumzusammenhänge zu verändern, Büro- bzw. Arbeitskonzepte anpassen zu können, ist wesentlich. Die Ausbildung der immobilen Elemente - Tragwerk und Einbauten - folgen konsequent dieser Maxime.
KREISLAUFEFFEKTIVE KONSTRUKTION AUS HOLZ UND STROH
Holz, Stroh und Lehm sind der Kanon der Materialität. Die großen geschlossenen Flächen des Daches und der Außenwände sind mit Strohballen gedämmt. Das Konstruktionsraster ist auf diese Bauweise angepasst.
Das Tragwerk mit 25 x 25 m ist in konstruktiv geschickter Weise gegliedert. Entlang der Außenwände sind an allen Ecken geschlossene Wandelemente aussteifend angeordnet. Damit sind die Gratsparren fixiert. Auch der exzentrisch angeordnete Lichthof ist in sich ausgesteift ausgebildet. Dafür wird in jeder der vier Wandebenen ein vertikal sichtbar ausgebildeter Fachwerkträger errichtet. Die Lage des Lichthofes erlaubt auf der Südseite eine Stützenreihe, die die langen Sparren ressourcenschonend annähernd halbiert. Gleiches gilt auf der Ostseite – dort ist eine Wandebene eingezogen.
Wände und Decken sind in Strohballenbauweise ausgeführt, mit Ständerkonstruktionen aus Holz, die mit Stroh ausgefacht sind. Wand- und Deckenaussteifung sowie Innenbekleidung werden mit Dreischichtplatten sichergestellt. Die Ständer werden im Innenraum sichtbar überhöht und reflektieren die an die Fachwerkbauweise angelehnte Bauweise mit Stroh wieder.
Die Langlebigkeit des Bauwerks wird durch den flexibel nutzbaren Einraum sichergestellt. Unterschiedlichste Nutzungen sind in dieser Räumlichkeit umsetzbar. Trennbarkeit und Demontierbarkeit der Tragstruktur zur Weiterverwendung der Bauelemente, werden durch einfach lösbare und dem Formschluss folgende Verbindungen aus Einschraubmuffen, Verzahnungen und Konusdübeln sichergestellt.
GEBÄUDETECHNISCHES KONZEPT
Das Gebäude selbst bietet durch sein gutes A/V-Verhältnis und die kompakte Form gute Voraussetzungen für einen niedrigen Endenergiebedarf. Wichtig ist die einfache und zuverlässige Funktion der technischen Komponenten. Die Wärmeerzeugung sichert die vorhandene Fernwärmeversorgung, die Beheizung wird durch eine flächendeckende Fußbodenheizung vorgenommen. Kühlung und Lüftung erfolgen frei. Dabei wird die evaporative Kühlung der einströmenden Luft über den bepflanzten Innenhof genutzt. Die wärmere Luft steigt im Raum auf und strömt durch die oberen Öffnungsklappen ab. Kühle Luft aus dem Hofbereich strömt nach. Die Klappen und Türen können durch die gesicherte Hof-Lage im Sommer immer geöffnet bleiben und dienen so auch der freien Nachtauskühlung. Auf der nicht verschatteten Ostseite des Daches werden PV-Elemente vorgesehen. Alle gebäudetechnischen Komponenten sind wiederverwendbar oder recyclebar. Die Fußbodenheizung besteht aus metallischem (kein Verbundstoff) gut vom Heizestrich trennbaren Material, die PV-Anlage aus innovativen organischen Solarfolien, die ohne seltene Erden hergestellt werden. Zum quantitativ sinnvollen Einsatz von Stromspeichern, müssen im weiteren Planungsverlauf Simulationsberechnungen durchgeführt werden.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Baukörper entwickelt sich aus einer nahezu quadratischen Grundform, die mit der östlichen Seite zum Eingang hinleitet. Der Baukörper bildet eine eigenständige Form, die sich nicht vornehmlich an den umgebenden Typologien orientiert. Diese Form wird unterstützt durch eine nur leichte Dachneigung, die in ihrer Flachheit auffällt.
Der Eingang wird durch leichte Abschrägung der Außenwände gebildet. Diese subtile Bearbeitung funktioniert, auch wenn der Holzbau orthogonale Konstruktionen nahelegt. Die Entwässerung muss in diesem Fall besonders gut im Detail geplant werden, zumal diese über alle vier Außenwände erfolgt.
Das Gebäude wird durch einen Innenhof gegliedert, der leicht versetzt zur Mitte angeordnet ist. Dadurch entstehen unterschiedliche Raumzonen, die gut mit entsprechenden Funktionen belegt sind. Die Zonierung und die Flexibilität in Kombination mit dem Innenhof schaffen eine hohe Qualität der Nutzung als Büro und Besprechung.
Die angebotenen Nutzflächen sind geringer, als in der Auslobung beschrieben. Die Aspekte der Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Materialität und Energieeffizienz werden erfüllt, wenn auch im Vergleich zu anderen Arbeiten nur im durchschnittlichen Bereich. Die Eingeschossigkeit erleichtert die barrierefreie Erschließung und die Schaffung entsprechender Rettungswege.
Das knappe Flächenangebot, die Eingeschossigkeit und die gewählte Konstruktion führen zu einem Entwurf, der im Hinblick auf die Baukosten vorteilhaft ist. Er liegt - bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen - in der vergleichenden Kostenbetrachtung unter dem Durchschnitt der Arbeiten, jedoch über dem Wert der Vorgaben aus dem „0"-Projekt.
Die Anforderungen des Landes Hessen an die Energieeffizienz zur Übererfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen können mit dem vorliegenden Entwurf gut erfüllt werden. Das vorgeschlagene Energiekonzept folgt konsequent dem Low Tech Prinzip und hinterlässt damit einen positiven Eindruck. Der verbleibende niedrige Energiebedarf soll durch die vorliegende Fernwärme gedeckt werden. Der Einsatz einer großflächigen PV-Anlage zur Ergänzung der Stromversorgung wird sehr positiv bewertet, auch wenn die vorgeschlagene Technologie aus laminierten Dünnschichtmodulen Fragen zum Wirkungsgrad und zur Konstruktion offenlässt. Der Entwurf befindet sich bezüglich der energetischen Gesamtbewertung im guten Mittelfeld aller abgegebenen Arbeiten.
Insgesamt wird die Eigenständigkeit des Entwurfs positiv gewürdigt, wobei jedoch auch die in der perspektivischen Darstellung abgebildete Maßstäblichkeit und monolithische Anmutung hinterfragt werden.
©Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten
Vertikalschnitt und Ansichten
©Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten
Lageplan
©Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten / PATRICIA BAGIENSKI - GRANDITS
Blick auf das neue Verwaltungsgebäude des Freilichtmuseums Hessenpark