Nichtoffener Wettbewerb | 12/2018
Neubau von Kammerspielen und Theaterwerkstätten in Ingolstadt
©blauraum
Perspektive Außenraum I Blick in Richtung Kammerspiele und Donau
1. Preis
Preisgeld: 62.000 EUR
Architektur
Erläuterungstext
In Ingolstadt entstehen in direkter Nachbarschaft zum prominenten Stadttheater die neuen Kammerspiele. Die neue Theaterspielstätte mit Probebühnen und die Theaterwerkstätten ergänzen den bestehenden Theaterbau zu einem Ensemble. Das Bild des „Städtchen neben der Stadt“, welches dem Stadttheater von Hardt-Waltherr Hämer und Marie Brigitte Hämer-Buro zu Grunde liegt, wird konsequent weiterentwickelt. Das neue Ensemble aus Kammerspielen, Werkstätten und Stadttheater stellt ganz bewusst Beziehungen zur Donau her und nimmt damit die ursprüngliche Entwurfsidee der Architekten des Stadttheaters auf - die Orientierung zur Donau, die zwar Teil des damaligen Wettbewerbsentwurfs war, im Planungsprozess jedoch der Ausrichtung zur Stadt hin weichen musste. Hauptfassade, Eingang, Publikumsräume und Außenterrassen der Kammerspiele sind sowohl der Donau als auch dem Theaterplatz mit dem Stadttheater zugewandt. Der Vision von der Stadt an der Donau wird durch die Kammerspiele ein weiterer Baustein hinzugefügt und der Theaterplatz wird städtebaulich in seiner Rolle als Auftakt zur Stadt gestärkt und belebt – Stadttheater und Donauspiele.
BAND DER FOYERS – STADT AN DER DONAU
An exponierter Lage zwischen Altstadt und Donau entstehen neben dem prominenten Stadttheater die Kammerspiele Ingolstadt. Der Gebäudekörper der Kammerspiele situiert sich westlich des Stadttheaters im Bereich des Skulpturengartens. Die Werkstätten werden als Anbau südlich am Stadttheater realisiert. Der als Solitär vor die eigentliche Stadt gesetzte Gebäudekomplex des Stadttheaters war stilbildend für den deutschen Nachkriegstheaterbau und gehört mit dem benachbarten Neuen Schloss zu den städtebaulichen Dominanten am Donauufer. Daher bilden sich die Kammerspiele bewusst als eigenständiger Baukörper ab und spannen eine Spange über den Theaterplatz auf. Die beiden plastisch ausformulierten Baukörper liegen frei vor der Silhouette der Altstadt und bauen als Ensemble vielfältige Beziehungen zu ihrer Umgebung auf. Es entsteht eine „Gebäudelandschaft“, die die Maßstäbe und Linien von Schloss und Herzogskasten aufnehmen und neu interpretieren. Die Kammerspiele bleiben trotz der spürbaren Reminiszenzen an „die große Schwester“ in allen Einzelheiten eine eigene Persönlichkeit in diesem kulturellen Ensemble. Das neue kulturelle Zentrum der Stadt steht so selbstbewusst neben den Symbolen mittelalterlicher Polis, Herzogskasten und Herzogsschloß. Die polygonale Form des Baues nimmt wie das Stadttheater im Sinne der mittelalterlichen Bauten, ihrer Straßenführungen und Platzbildungen, Maßstab und Linie auf. Die Winkel des Baues bilden Räume und Engpässe auf dem Theaterplatz, die wieder neue Räume zur Donau öffnen. Die gleiche Art der Raumbildung wird im Gebäude – im Foyer und Zwischenzonen weitergeführt.
In der Positionierung spielt die Lage der Tiefgarage West eine Rolle. Der südliche Teil der Tiefgarage West wird bebaut, der zu erhaltenden Kanal bildet die Trennlinie des neuen Baukörpers.
Das Foyer der neuen Spielstätte öffnet sich sowohl zur Donau als auch zum Theaterplatz. Es bildet zusammen mit dem Foyer des Stadttheaters, welches der Stadt und den Einwohnern zugewandt ist, ein Band der Foyers und bezieht in der Spannung beider Häuser den Theaterplatz als urbane Theaterfläche mit ein.
Die Schutterstraße, der Kreuzungsraum und die Freiflächen südlich des Theaters werden im Sinne eines Shared Space- Bereichs unter Berücksichtigung des ÖPNV umgestaltet. Sollte die Schloßlände in Zukunft verlegt oder gar in ihrer Nutzung obsolet werden, bietet die Lage der Kammerspiele einen angemessenen städtischen Rahmen für einen attraktiven, öffentlichen Raum am Fluss.
EIN MODERNER STADTHYBRID - KUNST- UND KOMMUNIKATIONSORT FÜR DIE STADT
Der Entwurf der Kammerspiele legt den Fokus auf die Schaffung eines Kunst- und Kommunikationsortes für die Stadt und auf die Öffnung für internationale Theatersprachen. Als moderner Stadthybrid fungiert das neue Gebäude sowohl als Spielstätte für Theaterinszenierungen als auch als vielfältiger Begegnungsort für breite gesellschaftliche Bevölkerungsgruppen. Sie bilden gemeinsam mit dem Stadttheater das neue kulturelle Zentrum Ingolstadts. Die Kammerspiele sind konsequent multifunktional ausgelegt. Über Ausstellungen im Foyer, Konzerte, Kongresse etc. ist eine große Bandbreite städtisch wirksamer Nutzungen möglich. Der Theaterplatz erhält durch die Kammerspiele eine der Donau zugewandte Bühne und bietet die Möglichkeit einer Bespielung für kleinere „Open-Airs“ (Mai-Sause u.ä.).
INTERPRETATIVES THEATER – ORT DER VERWANDLUNGEN
Der Theaterraum der Kammerspiele bildet den eigentlicher Kraftort und Kern des Hauses. Er ist multifunktional und ermöglicht von der Arenabespielung bis hin zum Totaltheater alle Spielarten zeitgenössischer Performances. Für die Interimsnutzung kann eine Guckkastenbühne installiert bleiben, um Musik- und Tanz-Gastspiele zu ermöglichen. Die klassische Einteilung von Guckkastenbühne und Zuschauerraum kann allerdings ohne weiteres aufgehoben werden. Der Raum lässt sich auf unterschiedliche Zuschauerkonstellationen umbauen. Dies wird neben der grundsätzlich flexiblen Ausbildung der Bühnentechnik mittels der modularen Teleskoppodien für die Stufung des Zuschauerraums ermöglicht.
Die größte Probebühne liegt Rücken an Rücken zur Hauptbühne und kann der Hauptbühne zuschaltet werden. Auch das Foyer bildet einen fließenden Übergang zwischen Außenraum und Theaterraum und kann für die Produktionen als Spielstätte genutzt werden. Das Gebäude lässt sich mannigfaltig interpretieren und verwandeln, denn Theater lebt vom Glanz, vom Licht, von der Leichtigkeit, von Spannungen, die in die Stadt hineinstrahlen.
PRODUKTIONSORT IM ENSEMBLE
Die Theaterwerkstätten werden südlich des Stadttheaters als eigenständiges Gebäude vorgesehen – als „Update“ des Stadttheaters. Die neuen Werkstätten können an dieser Stelle optimal sowohl den Kammerspielen, als auch dem Stadttheater synergetisch dienen. Eine unterirdische Verbindung zwischen dem Stadttheater und den Kammerspielen sorgt für einen witterungsgeschützten Transport der Kulissen auf Rollwägen. Die Werkstätten befinden sich auf einer Ebene mit der Hauptbühne der Kammerspiele. Die Anlieferung bleibt an Ort und Stelle des Stadttheaters bestehen. Der Lastenaufzug wird in den Bestand integriert und versorgt so optimal beide Spielstätten.
Die Werkstätten sind großflächig eingegraben und lassen den Blick auf die Südfassade des Stadttheaters weitestgehend frei. Ein Tiefhof sowie Fensterbänder versorgen die Werkstätten mit Tageslicht und machen die Arbeit in den Werkstätten einsehbar. Die Arbeitsprozesse, die sich im Hintergrund des Theaters abspielen werden dadurch verstehbar und sinnlich erfahrbar. Die Probebühne, die dort verortet ist, erhält eine Schaufassade zur Donau und kann bei Bedarf großflächig geöffnet werden.
MATERIAL – EIN HAUS ZUM ANFASSEN
Die Kammerspiele fügen sich in den Materialkanon des Stadttheaters ein. Sichtbeton in verschiedenen Spielarten prägt den Bau. Das großflächig verglaste Foyer öffnet sich über eine raumprägende Stufenanlage mit Terrassen aus bossiertem hellem Sichtbeton zum Theaterplatz und Donau. Der Bodenbelag aus fränkischem Jura-Naturstein zieht sich auch in den Innenraum des Foyers.
Der skulpturale Baukörper des Daches wird von einer dunkel glänzenden Betonfassade aus schwarzem Basalt sowie Flusskieseleinschlägen umhüllt und scheint über dem hellen Sockel zu schweben. Die fugenlose Fassade ist geschliffen und poliert, wodurch eine glatte, reflektierende Oberfläche entsteht, in der sich die Konturen der Umgebung widerspiegeln. Die scheinbar monochrome Fassade entwickelt im Licht ihre polychrome Qualität und Tiefe.
Im Inneren wird der dunkle Beton durch Schwarzstahlfläche in Einbauten und Dach ergänzt. Das neue Haus ist robust - gewappnet für den alltäglichen Gebrauch. Es ist ein Haus zum Anfassen, im wahrsten Sinne des Wortes. Raucheiche in den Einbauten, geprägte Bronzeoberflächen in Türelementen, lederummantelte Handläufe und besonders die samtenen rote Vorhänge als mobile Raumteiler erzeugen in der steinernen Betonerscheinung eine gediegene und festliche Atmosphäre.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Durchgang zwischen den Baukörpern Kammerspiele und Stadttheater ist spannungsvoll gestaltet und interpretiert das Thema Enge und Weite auf angenehme Weise. Der Theatervorplatz ist groß,urban und bleibt städtischer Freiraum,der weitergeführt wird bis zum richtig gesetztenDonaubalkon. Die Schutterstraße bleibt, die Oberflächenstruktur verschwindet und wird zum shared space.
Durch die teilweise Parallelität der Donau-Kaserne wird das Altstadt-Motiv im Osten der Kammerspiele aufgewertet, während die westliche Fassade die polygonale Kantenstruktur von Hämer aufnimmt. Die Donaukaserne wird als historisches Denkmal respektiert. Aus Sicht der Denkmalpflege wird jedoch die Nähe zur Kaserne kritisch hinterfragt.
Die horizontale Ausrichtung der Geländestruktur korrespondiert ebenfalls mit der Stadtsilhouette und dem Hämer-Bau. Der „Aufstieg“ zum Theater und danach die Bewegung nach unten in den Theaterraum hat die Anmutung eines großen Stadt-Foyers. Es gibt eine lange Sichtbeziehung in die Altstadt hinein und umgekehrt in den neuen Theaterbau.
Die Materialqualität ist hochwertig und das Foyer hat eine hohe Aufenthaltsqualität. Der Nucleus Theaterraum ist multifunktional bespielbar. Die raumakustischen Herausforderungen sind sehr gut zu realisieren. Das Verhältnis von Theaterbau und Funktionsbau ist positiv zu bewerten.
Der Anbau der Werkstätten ist optimal für den Betriebsablauf, die Funktionalität der Werkstätten ist positiv zu sehen. Durch die unterschiedliche Staffelung der Werkstätten wird der architektonische Grundgedanke des Hämer-Baus sehr überzeugend weiterformuliert.
Die Anlieferung zum Festsaal ist vorstellbar und umzusetzen.
Es ist davon auszugehen,dass die Platanen an der Südseite in vollem Umfang erhalten bleiben können. Gegebenenfalls muss das Bauvolumen an der Südseite zugunsten der Erweiterung im Osten reduziert werden.
©Blauraum Architekten, Hamburg, Adler + Olesch Landschaftsarchitekten GmbH, Nürnberg
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Perspektive Foyer I Blick in Richtung Bühne und Donau