Nichtoffener Wettbewerb | 01/2025
Neubau Werkstätten berufliche Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Tuttlingen
©Muffler Architekten PartG mbB mit Möhrle+Partner Landschaftsarchitekten
Perspektive B14
1. Preis
Preisgeld: 70.000 EUR
Architektur
-
Verfasser:
-
Mitarbeitende:
Möhrle + Partner Freie Landschaftsarchitekten BDLA/IFLA
Landschaftsarchitektur
-
Verfasser:
-
Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Die Ferdinand-von-Steinbeis Gewerbliche Schule Tuttlingen gehört zu den größten Berufsschulzentren in der Region und mit den Fachbereichen Medizintechnik und der Lernfabrik Informationstechnik zu den besten des Landes. Um den wachsenden Schülerzahlen, dem größeren Platzbedarf durch neue Technologien und den sich wandelnden Anforderungen an die Lehre gerecht werden zu können, soll das bestehende, eingeschossige Werkstattgebäude ersetzt werden. Der Neubau soll die Schüler auf die beruflichen Herausforderungen vorbereiten und die Entwicklung sowie Zukunftsfähigkeit der Schule gewährleisten.
Nach unserer Auffassung sind Schulgebäude Orte und Räume mit einem offenen und lebendigen Charakter. Sie beherbergen Räume, die zum Denken anregen, gleichzeitig aber auch Behaglichkeit und Geborgenheit ausstrahlen und Schülern den Platz zur individuellen persönlichen Entfaltung bieten. Ein Haus, welches sich den Bedürfnissen seiner Nutzer anpasst und sich mit seiner Umgebung auseinandersetzt. Dabei begreifen wir den Neubau des Werkstattgebäudes als Weiterbauen der bisherigen Schule, die sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig verändert hat und nun erneut an zukünftige Erfordernisse angepasst werden soll.
Der bauliche Kontext bestimmt sich durch die heterogene Struktur der umgebenden Bebauung mit unterschiedlicher Maßstäblichkeit. Das für die Planung zur Verfügung stehende Grundstück ist Teil des sich nach Osten großmaßstäblich entwickelnden Bildungscampus bestehend aus Ferdi-nand-von-Steinbeis-Schule, Fritz-Erler-Schule und den beiden Gymnasien IKG sowie OHG. Im Norden schließt eine kleinteiligere Wohnbebauung an, im Westen ist es durch die stark frequentierte Bundesstraße B14, die The-odor-Heuss-Allee begrenzt. Das Grundstück ist durch die Bestandsbauten und die vorhandene Erschließungssituation klar definiert, es weist für die vorgesehene Nutzung ein hohes städtebauliches, architektonisches und funktionales Entwicklungspotenzial auf, welches durch die Situierung des zu entwerfenden Gebäudes und den dadurch entstehenden Dialog be-stimmt werden kann. Gleichzeitig bietet sich mit dem Neubau die Chance einer starken Präsenzgestaltung zur Bundesstraße als „Leuchtturm“ für die exzellente Ausbildung in der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule.
Das Volumen des Werkstattgebäudes besteht aus einem fast quadratischen, viergeschossigen und einem länglichen, zweigeschossigen Gebäudeteil. Diese staffeln zu der westlich gelegenen Anlieferung und dem niedrigeren Bestand Bau B ab. Das Motiv des annähernd quadratischen, höheren Hauptgebäudeteils stellt einen Bezug zum Eingangsgebäude Bau A und den beiden Baukörpern der Fritz-Erler-Schule her. In der gemeinsamen Mitte spannen sie einen Schulhof auf, der durch die präzise Setzung des Neubaus nach Westen gefasst wird und damit zur Klä-rung und Optimierung der städtebaulichen Situation beiträgt. Durch die Setzung der neuen Gebäudekubatur wird ein bestmöglicher Schallschutz für den Außenraum und die bestehenden Gebäude bewirkt. Die Erschließungsstraße zum Schülerparkplatzes im Nord-Westen und zur Anlieferung kann grundsätzlich in ihrer Lage erhalten bleiben.
Durch die Ausprägung des viergeschossigen Neubaus wird eine „Leuchtturmfunktion“ zur Theodor-Heuss-Allee geschaffen. Die Anbindung aller Nutzflächen des Erweiterungsgebäude und die dadurch bedingte Vernetzung von Theorie und Praxis an den bestehenden Bau B erfolgt über das zweigeschossige Volumen des westlichen Baukörpers der Erweiterung und den geplanten Steg im 1. Obergeschoss. Das Zusammenspiel der Baukörper von Bestand und Neubau mit dem Außenraum erzeugt nicht nur eine Schulanlage, sondern einen gesamtheitlichen Raum als einprägsamen Ort.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Entwurf für den Neubau der Werkstätten der Gewerblichen Schule - Ferdinand-von-Steinbeis – in Tuttlingen, formuliert ein selbstbewusstes klares, städtebauliches Gebäude, das den westlichen Abschluss des Schulcampus, hin zur B14 bildet. Der viergeschossige, punktförmige Neubau wird gekonnt auf dem zur Verfügung stehenden Gelände situiert und in das vorhandene stadträumliche Umfeld eingebettet und über einen zweigeschossigen „Annex“ an den Bauteil B angebunden. Dieser Anbau beinhaltet die ebenerdige Anlieferung hin zur B14 und schafft im Obergeschoß ausreichend Raum für die Medizintechnik. Der viergeschossige Punktbaukörper erscheint maßstäblich und in seiner baulichen Körnung angemessen. Durch seine Ausrichtung auf dem Grundstück sucht er die Nähe zur umgebenden Bebauung und definiert gleichzeitig neue Raumkanten zur benachbarten B14 im Westen, den Bestandsbauten im Norden und dem zentralen gelegenen Schulhof im Osten, mit der angrenzenden Fritz-Erler-Schule als baulichem Gegenüber. So werden neue räumliche Bezüge und öffentliche sowie halböffentliche Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen. Der geringe Abstand zum nördlichen Bestandsgebäude C wird allerdings in Hinblick auf eine natürliche Belichtung in diesem Bereich eher kritisch gesehen.
Durch die kompakte Grundrissgestaltung hält sich die geplante Flächenversiegelung in Grenzen und es verbleiben angemessene Außenbereiche. Die Ausgestaltung dieser Freiräume scheint angemessen, wenngleich die Ausarbeitung noch etwas zurückhaltend wirkt. Der Neubau schirmt den Pausenhof gegenüber der stark befahrenen B14 im Westen ab, was begrüßt wird.
Vom zentral gelegenen Pausenhof aus gelangt man über den gut gelegenen Haupteingang in das Gebäude. Ein angemessenes und funktional gut gelegenes Foyer verknüpft die gewünschten Funktionsbereiche miteinander. Die Wege sind kurz und übersichtlich. Der Bereich Holz- und Bautechnik kann direkt vom Foyer aus erreicht und räumlich, wenn gewünscht, mit ihm verknüpft werden. Eine mögliche Anlieferung wird durch diese Lage begünstigt. Einzig die räumliche Trennung von Maschinenraum und Universalwerkstatt wird kritisch bewertet. Sie sollten direkt nebeneinander verortet sein, da ansonsten der gewünschte Materialfluss nicht gewährleistet werden kann.
Die vertikale Haupterschließung erfolgt über zwei ausreichend dimensionierte Flucht- Treppenhäuser in den Gebäudeecken. Diese räumlich geschickte Setzung der Treppenhäuser erübrigt jedes Weitere und schafft somit ausreichend Platz für einen zentralen Innenraum. Ein Lasten- und ein Personenaufzug ergänzen die Vertikalerschließung an zentraler Stelle. Allerdings wird die Wegeverbindung, von der Anlieferung hin zum Lastenaufzug, als zu eng und verwinkelt angesehen. Durch die Aufzüge können alle Ebenen barrierefrei erschlossen werden.
Die Lernbereiche im Erdgeschoß und in den Obergeschossen sind gut gelegen und schaffen kurze Wege zu den Klassenräumen, was begrüßt wird. Die Raumfolge und ihre funktionalen Verflechtungen in den Unterrichtsbereichen sind gut gelöst. Die räumliche Ausbildung von Aufenthaltsbereichen und Kommunikationszonen im zentralen Innenbereich ist gut gelöst. Zudem schaffen Stichflure eine direkte Anbindung nach Außen, was als räumlich angenehm empfunden wird.
Die Verortung von Nebennutzräumen und Technikräumen im Untergeschoß erscheint sinnfällig. Das geforderte Raumprogramm ist vollständig und das pädagogische Konzept wurde weitestgehend sinnvoll umgesetzt. Die gewünschten Raumcluster sind räumlichen gut organisiert.
Die konstruktive Lösung und die Materialität der Innenräume erscheinen angemessen. Die Ausbildung der Konstruktion als Holzhybridbauweise wird nachvollziehbar nachgewiesen und entspricht der stringenten, disziplinierten Skelettbauweise mit den aussteifenden Stahlbetonkernen. Einzig die Deckenstärken der Betonfertigteilplatten von 15cm Stärke wird in Hinblick auf die hohen Lasten und einen möglichen Körperschalleintrag ins Gebäude kritisch gesehen.
Die klare, ruhige Fassadengliederung weiß zu überzeugen. Sie ist konsequent aus den Innenräumen und der jeweiligen Orientierung abgeleitet und gekonnt vorgetragen. Die äußere Verkleidung mit Holzfertigteilen und einer vorgeblendeten „Glaspaneelkonstruktion“ kann leider nur in Teilen überzeugen. Sie verspricht keine robuste und wartungsarme Fassadenkonstruktion. Die vorgeschlagenen Holz- / Alufenstern hingegen sorgen für eine gute haptische Qualität in den Innenräumen.
Betrachtet man die Kenndaten, bewegt sich der Entwurf in einem durchschnittlichen, wirtschaftlichen Bereich. Sowohl die Kubatur als auch die notwendigen Fensterflächen sind reduziert, ohne dabei räumlich, gestalterische Qualitäten opfern zu müssen.
Das beschriebene Energiekonzept ist plausibel und wirkt robust. Durch die Nutzung der inneren Speichermassen (Betonfertigteildecken) kann ein angenehmes Raumklima, ohne extremen technischen Aufwand, erzeugt werden.
Im Bereich des Brandschutzes sind die notwendigen Brandabschnitte erkennbar. Flucht- und Rettungswege werden konzeptionell erfüllt.
Die architektonische Gestalt wirkt der Aufgabe gegenüber angemessen, besonders in Bezug auf die städtebaulichen Aspekte. Es handelt sich hier um eine insgesamt sehr gute Arbeit mit überzeugenden innen- und außenräumlichen Qualitäten. Das räumlich- pädagogische Konzept weiß in großen Teilen zu überzeugen. Gelungen erscheint der zentrale Innenraum, als zukünftiger, funktionaler Schnittpunkt für ein lebendiges Gemeinschaftsleben.
©Muffler Architekten PartG mbB mit Möhrle+Partner Landschaftsarchitekten
Perspektive Schulhof
©Muffler Architekten PartG mbB mit Möhrle+Partner Landschaftsarchitekten
Lageplan
©Muffler Architekten PartG mbB mit Möhrle+Partner Landschaftsarchitekten
Schnitt Quer
©Muffler Architekten PartG mbB mit Möhrle+Partner Landschaftsarchitekten
Ansicht Süd
©Muffler Architekten PartG mbB mit Möhrle+Partner Landschaftsarchitekten
Ansicht West