Einladungswettbewerb | 02/2024
Neubebauung Grundstück Ecke Gustav-Adolf-Straße/Geisseestraße in Nürnberg
©studio sufuco
Perspektive Strasse
3. Preis
Preisgeld: 12.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Tragwerksplanung
Erläuterungstext
WERKHAUS AN DER GUSTAV-ADOLF-STRASSE IN NÜRNBERG
Ein Maßanzug für Ferrari und ein langfristig werthaltiger Stadtbaustein zugleich
Das Ziel des Bebauungsvorschlags ist die Schaffung eines Gesamtensembles, das ideal die Anforderungen an einen
repräsentativen Flagship-Store für Ferrari mit Alleinstellungsmerkmalen erfüllt, das aber gleichzeitig ein flexibel transformierbar
Stadtbaustein als Gewerbe- und Wohnimmobilie ist. Diese Absicht wird von der städtebaulichen Setzung der Baukörper und
Freiräume, über die Wahl der Gebäudetypologie bis zur Gestalt des baukonstruktiven Details verfolgt.
Städtebauliche Setzung: Gesamtensemble mit passgenauen Bezügen zum gesamtstädtischen und nachbarschaftlichen
Kontext
Der Bebauungsvorschlag besteht aus zwei unterschiedlich hohen Punkthäusern auf einem gemeinsamen Sockelgeschoss, die mit
ihrer Ausrichtung, Volumetrie und Höhenabwicklung als Gesamtensemble einen Dialog sowohl mit dem gesamtstädtischen als
auch mit dem nachbarschaftlichen Kontext aufauen. Das höhere Punkthaus markiert den städtebaulich bedeutenden
Kreuzungsbereich Gustav-Adolf-Straße / Geisseestraße am Übergang zwischen Innen- und Außenstadt und verleiht dem
Gebäudekomplex eine exponierte Präsenz am Nürnberger Ring. Das niedrigeren Punkthaus vermitelt zwischen den
heterogenen Bebauungsstrukturen des unmitelbar angrenzenden Quartiers in St. Leonhart.
Durch das zusammenhängende Sockelgeschoss als Hallentypologie ergeben sich wiederum vielfältige Bezüge zu den
Gewerbebauten in der Nachbarschaft. Aufgrund der Positionierung der Baukörper entstehen auf dem Areal keine Rückseiten.
Die Adressen der einzelnen Nutzungen befinden sich an atraktiven und großzügig dimensionierten Stellen in den jeweiligen
Straßenräumen. Hierdurch wird das heterogene Umfeld städtebaulich geordnet und aufgewertet.
Ökonomisches Raumprogramm: Flexible Nutzungsmöglichkeit mit charakteristischen Raumstrukturen und barrierefreien
vertikalen Verbindungen
Das Sockelgeschoss enthält den Flagship-Store für Ferrari. Im Bereich unter den Punkthäusern befinden sich die
Verwaltungsbereiche. Dazwischen sind die repräsentativen Ausstellungsflächen, der Verkaufsraum und der Diagnosebereich als
zusammenhängende, frei gestaltbare Flächen artikuliert. Durch die Ausnutzung der Topografie des Grundstücks werden die
unterschiedlich hohen Funktionsbereiche so geordnet, dass ein kompaktes Raumvolumen mit atraktiven Sichtbeziehungen
untereinander entsteht.
Die auf dem Sockelgeschoss platzierten Punkthäuser gewährleisten mit ihren zentralen Erschließungskernen eine optimale
Flächeneffizienz für atraktive Arbeitsräume und eine höchstmögliche Multifunktionalität im Hinblick auf flexible Anpassungen
der Nutzungseinheiten. So kann der Gesamtkomplex von einer Mietpartei oder als Multi-Tenant-Immobilie mit unterschiedlich
großen Miteinheiten genutzt werden. Auch eine spätere Transformation der Geschossflächen in unterschiedlich große
Wohnlofts ist möglich und zeigt die einzigartige typologische Nachhaltigkeit des Entwicklungskonzepts auf. Trotz der flexiblen
Raumstruktur ergeben sich charakteristische Räume, die sich auch über vertikale Deckendurchbrüche intern barrierefrei
miteinander verbinden lassen.
Mit der gewählten Raumstruktur können die Vorgaben der Bayerischen Bauordnung hinsichtlich des Brandschutzes optimal
eingehalten werden. Die Punkthäuser stellen jeweils einen eigenen Brandabschnit dar, ohne dass zusätzliche Brandwände
erforderlich sind. Für Nutzungen im Büro- und Verwaltungsbereich ist eine Raumeinteilung bis 400 m² ohne notwendige Flure
möglich.
Gestaltprägendes Materialkonzept: Konsequente Ablesbarkeit des ressourcensparenden Cradle-to-Cradle-Prinzips
Der Bebauungsvorschlag implementiert durch eine ressourcenschonende Materialwahl eine nachhaltige Bauweise mit einer
sortenreinen Konstruktion aus rezyclierbaren Bauelementen. Diese lässt sich auch in der Gestalt des Gebäudekomplexes
ablesen, der als Loftwerk mit lichtdurchfluteten Verkaufs-, Büro und Wohnräumen konzipiert ist. Der Neubau des Werkhauses
ist als Hybridkonstruktion in Holz- und Stahlbetonbauweise angedacht, wobei die beiden Materialien entsprechend ihrer
technisch-konstruktiven Stärken unter Berücksichtigung ästhetischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte und der gewünschten
Nachhaltigkeit eingesetzt werden.
Die mehrgeschossigen Punkthäuser sind als Holzskeletbau konzipiert. Hier kommen typisierte, im Werk vorgefertigte
Bretsperrholzdecken (CLT-Decken) zum Einsatz, die auf Bretschichtholzträgern und Holzstützen auflagern. Die auf die geplante
Holzbauweise abgestimmten Stützweiten von 5,4m stellen wirtschaftliche Bauteilabmessungen sicher. Die Aussteifung der
Gebäude wird durch den Erschließungskern in Stahlbetonbauweise gewährleistet.
Im gemeinsamen Sockelgeschoss reagiert das Tragwerk auf die anderweitige Nutzung. Minimierte Stützenanzahl und
größtmögliche Flexibilität bei gleichzeitiger Nutzung der intensiv begrünten Dachflächen als Terrasse werden durch die
Ausbildung eines Stahlbetonskelettragwerks realisiert. Ebenso werden die ins Erdreich einbindenden Geschosse vollständig in
Stahlbetonbauweise errichtet, so dass hier die geforderte Dauerhaftigkeit ohne zusätzliche Maßnahmen zielsicher umgesetzt
wird.
Die vorgesehenen Konstruktionen erfüllen die Anforderungen an ein nachhaltiges Tragwerk. In den Punkthäusern wird durch
den großflächigen Einsatz von Holzbauteilen überwiegend ein nachwachsender Rohstoff verwendet. Stahlbetonbauteile sind aus
Beton mit rezyklierten Zuschlagstoffen (sog. R-Beton) vorgesehen. Gleichzeitig wird durch die Robustheit dieser Konstruktionen
ein langlebiges und somit nachhaltiges Tragwerk erzielt.
Für die Fassade wird eine Pfosten-Riegel-System mit Verblechungen aus recyceltem Aluminium („Hydro-Circular“) appliziert, das
in einem Herstellungsprozess unter ausschließlichem Einsatz regenerativer Energieträger hergestellt werden soll und für eine
Langlebigkeit des Gebäudes an einem von Emissionen belasteten Standort sorgt. Die metallische Eloxierung reflektiert die
Farben der Umgebung und der je herrschenden Lichtstimmung und bildet so vielseitige Bezüge zum Kontext.
Freiräumliche Atmosphäre: Idealtypsicher Umgang mit den Folgen des Klimawandels
Durch die vorgeschlagene Baumaßnahme wird der Grünanteil auf dem Grundstück wesentlich erhöht. Die bisher versiegelte
Fläche wird durch straßenraumbildende Landschaftsinseln mit großkronigen Baumanpflanzen gegliedert, um Zugänge zu den
unterschiedlichen Nutzungsbereichen attraktiv zu gestalten und Aufenthaltszonen auf dem Areal zu definieren. Diese werten das
Ortsbild auf und verbessern die klimatisch angespannte Innenstadtlage durch Verdunstungskühlung, Verschattung und
Rückhaltung von Regenwasser.
Durch die Ausbildung eines Klimagratens auf dem Sockelgeschoss ergeben sich zusätzliche Freiräume, die einen besonderen
Mehrwert für die Arbeitsplatzqualität der Büroimmobile bieten. Zudem tragen sie als Lebensräume für Insekten und Vögel zur
Biodiversität des Standorts bei und sorgen wie die Dachflächen der Punkthäuser für eine natürliche Kühlung in heißen
Sommermonaten. Die Freiflächen der Penthouse-Wohnungen sind als großzügige Dachgärten in Form von Patios angelegt. Sie
bieten attraktive wind- und schallgeschützte Aufenthaltsbereiche im Freien mit spektakulären Ausblicken auf die Stadt
Nürnberg.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit setzt zwei unterschiedlich hohe Punkthäuser auf einen gemeinsamen Sockel. Das höhere Gebäude markiert den Kreuzungsbereich an der Ringstraße, während das niedrigere Gebäude zum dahinterliegenden Stadtteil vermittelt und der zweigeschossige Sockel zu den umliegenden Hallenstrukturen eine Beziehung aufbaut. Der so stadträumlich sehr differenziert ausgestaltete Solitaire weist praktisch keine Rückseiten auf. Die Freibereiche des Gebäudes sind gut zoniert und verbinden sich selbstverständlich mit dem ansonsten schwierigen, heterogenen städtischen Umfeld. Die richtig positionierten Zugänge in das Gebäude erhalten so angemessene und gut funktionierende Vorbereiche.
Der Höhenversatz des Grundstückes wird geschickt für die unterschiedlichen Zugänge und Zufahrten zu Autohaus Büro, Wohnen und Werkstatt sowie die Tiefgaragenzufahrt genutzt.
Mit einer sehr gut proportionierten Fassade für alle Funktionen des Gebäudes stellt sich das Gebäude sachlich ruhig, aber an den richtigen Stellen differenziert dar. Ein Stück moderne, zeitlose, aber dennoch emotionale Architektur in der sich die Marke Ferrari sehr gut repräsentieren und identifizieren kann.
Mit der Aufteilung der Büroflächen auf zwei Gebäude wird der funktionale Nachteil erkauft, dass keine zusammenhängende Fläche von knapp 1000 m² auf einer Ebene, was die Vorgabe war, nachweisbar ist. Dies gelingt nur mit internen Geschossverbindungen innerhalb der Bürogeschosse oder einem Übergang durchs Freie, auf dem Dach des Sockelgebäudes.
Ansonsten funktionieren die Bürogeschosse gut und lassen differenzierte Bürostrukturen zu.
Die Freibereiche der beiden Wohnungen im obersten Geschoss des hohen Hauses sind aus Lärmschutzgründen zwar nachvollziehbar und ergeben gute Sichtbeziehungen in den Wohnungen, gleichwohl wären großzügigere Freibereiche für die Wohnungen an dieser Stelle wünschenswert.
Die Konstruktion in Holzbauweise für die beiden Punktegebäude stellt einen guten Beitrag für einen Ressourcen schonen den Umgang mit Baumaterialien das.
Der Showroom für Ferrari ist aufgrund des Erschließungskerns des höheren Gebäudes räumlich nicht optimal für flexible und wechselnde Präsentationen der Fahrzeuge nutzbar. Hier muss bei Realisierung mit den entsprechenden Funktionen in diesem Bereich reagiert werden. Die Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage bleibt deutlich unter den Vorgaben des Raum Programms zurück.
Städtebauliche konzeptionell und gestalterisch stellt die Arbeit jedoch einen sehr wertvollen Beitrag für die Aufgabenstellung dar.
©studio sufuco
Lageplan
©studio sufuco
städtebauliche Setzung
©studio sufuco
Fassadenschnitt
©studio sufuco
Grundriss 2OG
©studio sufuco
Grundriss 1OG
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Schnitt
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Ansicht Süd
©studio sufuco
Ansicht Nord