Nichtoffener Wettbewerb | 10/2024
Neuentwicklung Grundstück Parkhaus Mitte in Bremen
©ADEPT
Anerkennung
Preisgeld: 24.500 EUR
Architektur, Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Architektursprache
Das Parkhaus Mitte befindet sich im historischen Kern Bremens und ist von bedeutenden städtischen Sehenswürdigkeiten umgeben. Die Nähe zu diesen kulturellen Schätzen inspiriert unsere architektonische Antwort.
Die Fassade unseres neuen Gebäudes ist durch bogenförmige Verbindungen, eine rhythmische Struktur und sorgfältige Detailierung gekennzeichnet und erzielt eine Balance zwischen Moderne und Tradition an. Die gewählte Architektursprache ist eine Verbeugung vor der kulturellen Bedeutung der Stadt und trägt dazu bei, dass sich das neue Gebäude harmonisch in seine Umgebung einfügt. Die Fassade besteht hauptsächlich aus wiederverwendetem rotem Backstein, eine Materialwahl, die das Gebäude in den lokalen architektonischen Kontext einbettet und ihm ein Gefühl von Wärme und Textur verleiht. Die großflächigen rechteckigen Fenster fluten die Innenräume mit natürlichem Licht. Diese Fenster sind tief in die Ziegelfassade eingelassen, was ihr zusätzliche Tiefe verleiht, das Schattenspiel verstärkt und eine natürliche Integration des Sonnenschutzes ermöglicht. Die roten Strukturelemente oberhalb der Fenster sind tragende Elemente für das darüber liegende Mauerwerk.
Die Ziegelfassade ist mit Hilfe von subtilen Variationen in Tiefe und Textur gegliedert. In einigen Bereichen ragt das Mauerwerk leicht nach außen oder ist vertieft, wodurch eine Schichtung entsteht. Das Ziegelmauerwerk weist dekorative Muster oder Perforationen auf, insbesondere in Bereichen wie der Attika oder um die Fenster herum, was der Fassade im Detail ein handwerkliches Element verleiht. Diese Gliederung trägt dazu bei, die Masse des Gebäudes weiter aufzulockern, so dass es in der Annäherung noch stärker einen menschlichem Maßstab vermittelt.
Auf der Straßenebene ist die Fassade transparent, mit großen Glasfronten, die den öffentlichen Raum einbeziehen. Die terrassenförmig angelegten Obergeschosse (Staffelgeschosse) des Gebäudes reduzieren die visuelle Masse des Gebäudes, insbesondere in den höheren Etagen, und schaffen Möglichkeiten für private Terrassen für die Wohnungen. Integrierte Begrünungen in Kombination mit leichten Unterkonstruktionen dienen als natürliche Abtrennung zwischen den privaten Terrassen, wodurch die Außenbereiche für die Wohneinheiten aufgewertet werden und die Fassade einen grünen Ausdruck erhält.
Das grüne Bindeglied und die terrassierten Gärten
Unser Projekt geht über das Gebäude selbst hinaus und initiiert eine städtebauliche Strategie, die darauf abzielt, die umliegenden Gebiete zu beleben. Auf diese Weise wird das Gebäude zu einem aktiven Mittelpunkt für neue Kreisläufe und hilft bei der Aufwertung der Fußgänger. Indem wir die Carl-Running-Straße in eine neue „grüne Verbindung“ umwandeln, schaffen wir sowohl eine physische als auch eine mentale Verbindung zwischen dem pulsierenden Geschäftsviertel der Innenstadt und den grünen historischen Wallanlagen. Die Verbindung ist als fußgängerfreundlicher öffentlicher Raum geplant, wobei der Schwerpunkt auf unversiegelten Flächen für Tiefbeete, robuste Bepflanzung und sorgfältig platzierte Bäume liegt. Entlang des Weges lenken Stadtmöbel und Wegweiser, die die historische Bedeutung der Wälle hervorheben, den Publikumsfluss und fördern einen nahtlosen Übergang zwischen dem modernen städtischen Leben und der reichen historischen Stadtlandschaft Bremens.
Die Gestaltung der Fußgängerzonen integriert die Regenwasserbewirtschaftung als Teil der Pflasterung, wodurch das Wasser zu einem visuellen Element im Straßenbild wird und gleichzeitig als kühlendes Element zur Abschwächung des städtischen Wärmeinseleffekts dient. Die Schaffung einer grünen Verbindung, die den Zugang zur Feuerwehr in einer engen Straße aufrechterhält, erfordert ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen der Einführung von Grün und der Gewährleistung der notwendigen Zugänglichkeit für Rettungsfahrzeuge. Die grünen Tiefbeete sind so bemessen und auf einer Straßenseite angeordnet, dass auf der Sonnenseite der Straße Platz für den Hauptverkehr, bewegliche Außenmöbel und Einsatzfahrzeuge bleibt. Das Herzstück dieser neuen grünen Verbindung und das Herzstück unseres neuen Gebäudes ist unsere grüne Oase - die terrassierten Gärten. Dieser grüne Gartenraum fällt sanft von einer Ebene zur nächsten ab und schafft intime Gemeinschaftsgärten, in denen sich Bewohner, Mitarbeiter und Besucher entspannen und den jahreszeitlichen Wandel der artenreichen Bepflanzung genießen können.
Die Gärten dienen als wichtige grüne Lunge sowohl für das neue Gebäude als auch für die „grüne Verbindung“, indem sie die Luftqualität verbessern und für natürliche Kühlung sorgen. Mit Hilfen von einheimischen, robusten Pflanzen, gastronomisch orientierten Funktionen und Erholungsbereichen werden die Gärten zu einem lebendigen Treffpunkt, der das Gemeinschaftsgefühl fördert und öffentliche Aufenthaltsflächen bietet, die die Lebensqualität für Bewohner und Besucher gleichermaßen verbessern.
Zirkuläres Bauen und ökologischer Fußabdruck
Ökologischer Fußabdruck und die zirkuläres Bauen sind bei unserem Projekt kein nachgeordneter Gedanke, sondern werden von Anfang an nahtlos integriert. Durch die Wahl von Materialien mit geringem CO2-Fußabdruck, die Wiederverwendung bestehender Bauteile und die Einführung innovativer Betriebssysteme wollen wir ein effizientes Gebäude mit einem deutlich reduzierten CO2-Fußabdruck schaffen. Ein Schwerpunkt dieser Strategie ist die Nutzung der auf dem Gelände vorhandenen „Materialbank“. Dadurch wird verhindert, dass neue, nicht benötigte Materialien hinzugefügt werden, und es wird der Abfall, der beim Abriss des bestehenden Gebäudes entsteht, verringert. Da es sich um ein ausgesprochen komplexes Thema handelt, haben wir von Beginn des Wettbewerbs an externe Kompetenz in unseren Entwurfsprozess integriert. Dieses sind unsere ersten Überlegungen zu diesem Thema:
Durch die Wiederverwendung der bestehenden Fundamente im Untergeschoss können wir den CO2-Fußabdruck und die Kosten des neuen Gebäudes erheblich reduzieren. Darüber hinaus schlagen wir vor, das neue Gebäude als Hybrid aus Holzkonstruktion und wiederverwendeten Parkdecks aus dem Bestand zu konzipieren, während Stahlträger vom Dach ein neues Leben als Transferträger finden könnten, wenn Stützenpositionen aufgrund des gestaffelten Volumens des Gebäudes nicht immer übereinander stehen.
Im Einklang mit der Ästhetik des UNESCO-Welterbegebiets werden für die Fassade recycelte oder aus Abfällen hergestellte Ziegel verwendet, um eine Harmonie mit der Umgebung zu gewährleisten.
Die flache Dachlandschaft bietet die Möglichkeit, großflächig Solarpaneele zu installieren und Bereiche der Dachbegrünung nahtlos zu integrieren. Darüber hinaus optimieren passive Designstrategien wie Sonnenschutz und CTS-gesteuerte, zu öffnende Fenster die natürliche Belüftung und reduzieren den Bedarf an künstlicher Beleuchtung und mechanischer Kühlung. Die Bewässerung der terrassenförmig angelegten Gärten wird durch Regenwassernutzung unterstützt, um eine dauerhafte Bepflanzung zu gewährleisten.
Mehr als ein Gebäude
Die Neugestaltung des Parkhauses Mitte ist nicht nur ein architektonisches Projekt, sondern eine Vision für die Zukunft der Bremer Innenstadt. Wir glauben, dass die Integration von städtebaulichem Denken und architektonischer Sprache sicherstellen wird, dass unser neues Gebäude und die umgebende Stadtgestaltung als Symbol für das Engagement der Stadt für Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und kulturelles Erbe dienen wird. Mit Hilfe der durchdachten Integration moderner Anforderungen mit dem historischen Kontext wird das Gebäude zu einem Eckpfeiler des städtischen Lebens in Bremen und fördert eine lebendige, inklusive, multifunktionale und resiliente urbane Situation für kommende Generationen.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Wettbewerbsbeitrag zeichnet in seinem städtebaulichen Auftritt die äußeren Begrenzungen des Wettbewerbsgrundstücks nach und bildet einen Blockrand um einen innenliegenden Hof. Es wird ein siebengeschossiger Baukörper angeboten, der sich gleichmäßig in den drei oberen Geschossen zurückstaffelt. Dieser städtebauliche Ansatz wirkt stadträumlich angemessen und vermittelt ein ausgewogenes Verhältnis zur Nachbarschaft. Der Innenhof wird mit einer überwiegend offenen Flanke an das angrenzende „Hortengebäude“ herangeführt. An dieser Stelle wird, so die Erläuterung der Verfasser, als Bindeglied, ein terrassierter Garten angeordnet, in dem unter anderem gastronomische Nutzungen vorgesehen werden. Dieses Bauteil kann sowohl hinsichtlich der Nutzung als auch im Hinblick auf die Erschließung in Form einer komplexen Treppenanlage nicht überzeugen, da öffentliche und private Nutzungen an dieser Stelle verschwimmen und Nutzungskonflikte vorhersehbar sind.
Die Erschließung des Innenhofes erfolgt von allen vier Gebäudeseiten aus. Es werden eingeschossige Zugänge vorgeschlagen, die in ihrer räumlichen Wirkung und Proportion nicht überzeugen können, da sowohl die Durchgangshöhe als auch die Tiefe des Durchgangs hinsichtlich der Erschließungsaufgabe unmaßstäblich sind.
Die vertikale Erschließung der Obergeschosse wird über vier Treppenhäuser organisiert, es wird hiermit ein robustes und leistungsfähiges Erschließungskonzept angeboten. Einzig die getrennte Erschließung im Erdgeschoss, getrennt nach Wohn- und Büronutzung kann nicht nachvollzogen werden, da die Treppenhäuser und Aufzüge im weiteren Verlauf gemeinsam genutzt werden.
Die angebotenen Erdgeschossnutzungen sind plausibel, die Büronutzungen in den Oberschossen sind aufgrund der Gebäudetiefe über 18 Meter nicht optimal dimensioniert. Als Wohnnutzung werden im 4. Obergeschoss kleine Appartements entlang eines langen, durchgängigen Mittelflurs angeboten. Dieser Ansatz ermöglicht keine gängigen bzw. angemessenen Wohnqualitäten hinsichtlich der Erschließung als auch in der Form der Verdichtung der Wohnform beschränkt auf dieses eine Geschoss. Im 5. und 6. Obergeschoss sind durchgesteckte Wohnungen entlang eines Laubengangs vorgesehen. Die Wohnungszuschnitte und die Form der Erschließung sind hier plausibel gelöst.
Für den architektonischen Auftritt wird sowohl Bezug auf historische Gebäude genommen als auch der Neubau des Bremer Landesbank am Domshof zitiert. Dieser Ansatz wird innerhalb der Jury kontrovers diskutiert. Insbesondere die Nähe zum erwähnten Neubau auf dem Domshof wirkt etwas vordergründig und die Verwendung sowie die Verortung des Torbogenelementes wirken beliebig. Eine eigenständigere architektonische Haltung zur gestellten Aufgabenstellung wird an dieser Stelle vermisst.
Auch wenn diese Arbeit aus Sicht der Denkmalpflege eine harmonische Weiterentwicklung im historischen Kontext, auch aufgrund der verwendeten Fassadenmaterialien, darstellt, scheinen noch zu viele Themen ungelöst.
Freiraum
Freiraumplanerisches Kernelement ist ein so genannter ‘vertikaler Garten’, bestehend aus einer teils begrünten terrassenartigen Struktur über mehrere Geschosse hinweg sowie begrünter Balkone entlang der Laubengänge in den Staffelgeschossen. Ziel ist es, eine ‘durchgrünte Atmosphäre’ im Innenhof entstehen zu lassen. Dieser Ansatz erscheint nachvollziehbar und wird grundsätzlich gelobt. Gleichzeitig wirft das vorgeschlagene Konzept dennoch mehrere Fragen auf.
Das weitgehende kommerzielle Angebot der Terrassen schränkt eine öffentliche Nutzung stark ein und führt zudem zu einer unklaren Zonierung von öffentlichen, halböffentlichen und privaten Bereichen. Hier wäre ein höherer Anteil nichtkommerzielle Nutzungen bereichernder und wünschenswert gewesen. Leider bietet auch der klein dimensionierte auf Erdgeschoss Ebene gelegene Innenhofbereich keine ergänzenden und frei zugänglichen nicht kommerziellen Aufenthaltsmöglichkeiten. Zudem erscheinen die begrünten Balkone sehr pflegeintensiv und damit aufwendig in der Realisierung und Unterhaltung.
Für die Lloydpassage wird eine flexible Strategie zum Umgang mit der Überdachung vorgeschlagen. Neben Erhalt und Neubau wird auch ein kompletter Rückbau angedacht. Die Verfassenden lassen damit eine eindeutige Haltung vermissen und verpassen zugleich, neue Qualitäten zu formulieren.
Die vorgeschlagene Materialverwendung der Passagenräume sieht eine Zonierung von öffentlichen Laufflächen und halböffentlichen Vorbereichen des Einzelhandels vor. Die Notwendigkeit der Zonierung wird nicht deutlich, da die ohnehin schmalen Räume zusätzlich optisch verengt werden.
Entlang der Carl-Ronning-Straße werden Klimaanpassungsmaßnahmen vorgeschlagen. Hier soll eine neue grüne Verbindung zu den Wallanlagen entstehen. Konzeptionell ist dieser Gedanke schwer nachvollziehbar. Zudem wirft die Umgestaltung mit sehr raumgreifenden Versickerungsbeeten und Baumsetzungen Fragen hinsichtlich der Funktionalität als Verkehrsraum auf.
Die Kleine Hundestraße wird als Skatepark ausformuliert. Aufgrund der zu erwartenden Lärmbelastung wird dieser Vorschlag kritisch diskutiert.
Die Arbeit zeigt nachvollziehbare und wertvolle Ansätze, kann aber insgesamt nicht völlig überzeugen.
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