Nichtoffener Wettbewerb | 06/2023
Neuer Eingangsbereich Zeche Nachtigall in Witten
©Atelier Noise, Berlin
Illustration
2. Preis
Preisgeld: 16.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
Olaf Scheinpflug, René Rheims, Michael Müller, Prof. Christian Schlüter-Vorwerg
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Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Die historischen Zechengebäude verfügen in Ihrer Positionierung und Materialität über eine besondere architektonische Qualität. Proportion, Dachform und Hofbildung sind archetypisch und beschreiben universale Urbilder bzw. Urfiguren, die mit ihren Merkmalen ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit erzeugen.
Die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs sowohl in der Herstellungs- als auch in der Nutzungsphase liegt im Fokus der Planung. Konstruktiv sind die Häuser deutlich erkennbar in ihre Funktionsschichten gegliedert. Ein hochwärmegedämmter Kern in ressourceneffizienter, vorgefertigter Holzrahmenbauweise ist geschützt durch eine hinterlüftete Wetterschale aus Ziegel-Formsteinen, die sich aus dem Hofbelag über die Außenwände bis aufs Dach zieht. Das Allover verleiht dem neuen Ankunftsort die gewünschte Präsenz. Die dauerhafte Ziegelhülle erinnert mit den auffälligen horizontalen Schattenkanten an den ortstypischen Schieferton. Sie bildet eine harte Schale und kontrastiert so den weichen Kern im Inneren: eine Holzschalung aus Weißtanne, die Schutz und Geborgenheit thematisiert. In den musealen Bereichen ermöglichen weiß verputzte Lehmbauplatten einen neutralen Ausstellungsraum mit angenehmen Raumklima. Große gezielt platzierte Fenster lenken den Blick auf den Naturraum (Ruhrfenster/Hettberg) und das
Baumpflanzungen in dem Entreebereich und dem restlichen Planungsgebiet erfolgen mit unterschiedlichen heimischen Gehölzen (z. B. Tilia x europaea, Acer rubrum oder Prunus avium). Sie spenden im Sommer kühlenden Schatten, führen das Grün des angrenzenden Waldes in dem Planungsgebiet fort und fördern so die Biodiversität vor Ort.
Auf diese Gebäude nimmt das neue Besucherzentrum der Zeche Nachtigall unmittelbar Bezug. An der Ostseite des Ringofens, am Schnittpunkt der touristisch wichtigen Wege im Muttental wird eine Häusergruppe angeordnet, die in ihrer Proportion und Gliederung diese Archetypen aufgreift. Die zurückhaltende Gebäudekubatur (Traufkante bis maximal 7,90 m) nimmt Rücksicht auf den einzigartigen Naturraum zwischen Ruhraue und Hettberg und das Industriedenkmal. Gleichzeitig wird es seiner Bedeutung an zentraler Stelle des Ruhrfensters Muttental gerecht und bietet einen zentralen Aufenthaltsort und Orientierung.
Von der nördlichen Ruhr kommend, werden die Besucher:innen bereits auf Niveau des Bahnübergangs empfangen. Das Info- und Kassenhaus verbindet die Freitreppe begleitend Gleis- und Platzniveau. Von Osten kommend (Fahrrad, Fußweg und Museumszug) wird der Blick über den zentralen Platz auf den Ringofen durch die Gebäudeflanken geführt und inszeniert.
Funktional sind die drei Häuser eigenständig ausgebildet (separater Häuserverschluss). So können differierende Öffnungszeiten realisiert werden und der zentrale Platz - das Herz im Muttental – gebildet werden. Das Museumsgelände kann über einen optisch zurückhaltenden Stelen Zaun vom Platz abgetrennt werden. Dieser wird in den permanent stehenden Teilen durch Informationstafeln funktional ergänzt. Ein Aufschieben einzelner Segmente ermöglicht ein temporäres Verschließen der Museumsanlage bei geöffneter Gastronomie. Sofern gewünscht ist zusätzlich eine Einfriedung der Gesamtanlage über Tore zwischen den Gebäuden möglich. Eine Rampe entlang des Info- und Kassenhauses ermöglicht dabei weiterhin eine barrierefreie, öffentliche Verbindung der Wege von Ost und Nord.
Der neu entstehende zentrale Platz hebt sich durch einen Belagswechsel von dem umliegenden Bereich ab und fungiert als Verteiler und Ort der Versammlung. Bänke unter den Kronendächer und wetterfeste Segel bieten Gästen des Museums einen wettergeschützten Warte- und Aufenthaltsbereich. Bei Bedarf (z. B. größeren Veranstaltungen wie Kinonächten, Hochzeiten etc.) kann der Platz mit der Außenfläche der Gastronomie verschmelzen und als eine Eventfläche bespielt werden.
Im östlichen Bereich des Plangebietes befinden sich 130 Fahrradstellplätze, von denen 50 als Reserve vorgehalten sind. Der Spielplatz mit individuell gestalteten Spielelementen aus Holz befindet sich im geschützten südlichen Bereich des Plangebietes und in unmittelbarere Nähe zu der Gastronomie. Eine immergrüne Hecke und eine intensive Stauden- und Gräserpflanzung zonieren die zwei Bereiche und sorgen für Durchlässigkeit in Form von Blickbeziehungen.
Die idealtypische Häuserfigur wird durch die Reduktion auf die Grundform betont. Sie besteht lediglich aus ihren Umfassungswänden mit Lochfassaden und Satteldach. Zugänge sind durch vertiefte Laibungen erkennbar und zum Platz orientiert, während die großen Aussichtsfenster konturbetont außenbündig sitzen. Ergänzt werden die Fassaden um perforierte Wandbereiche mit lebendigem Licht- und Schattenspiel.
Die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs sowohl in der Herstellungs- als auch in der Nutzungsphase liegt im Fokus der Planung. Konstruktiv sind die Häuser deutlich erkennbar in ihre Funktionsschichten gegliedert. Ein hochwärmegedämmter Kern in ressourceneffizienter, vorgefertigter Holzrahmenbauweise ist geschützt durch eine hinterlüftete Wetterschale aus Ziegel-Formsteinen, die sich aus dem Hofbelag über die Außenwände bis aufs Dach zieht. Das Allover verleiht dem neuen Ankunftsort die gewünschte Präsenz. Die dauerhafte Ziegelhülle erinnert mit den auffälligen horizontalen Schattenkanten an den ortstypischen Schieferton. Sie bildet eine harte Schale und kontrastiert so den weichen Kern im Inneren: eine Holzschalung aus Weißtanne, die Schutz und Geborgenheit thematisiert. In den musealen Bereichen ermöglichen weiß verputzte Lehmbauplatten einen neutralen Ausstellungsraum mit angenehmen Raumklima. Große gezielt platzierte Fenster lenken den Blick auf den Naturraum (Ruhrfenster/Hettberg) und das
Industriedenkmal (Zeche und Ringofen).
Archetypische Gebäudefigur und Materialität entsprechen dem historischen Ort. Der laufende Strukturwandel von der Industriekultur zu einer nachhaltigen Baukultur wird in der Materialwahl und konstruktiven Fügung der Gebäude thematisiert. Sämtliche Bauteile werden konsequent zerleg- und wiederverwendbar montiert, u.a. die in sich überlappender Anordnung vorgehangenen Ziegel-Formsteine. Zudem wird ein möglichst hoher Anteil an Sekundärmaterial angestrebt, wie beispielsweise in der Bodenplatten-/ und Dachdämmung (Schaumglas) oder den zuvor genannten Ziegel-Formsteinen. Die ambivalente Beziehung zwischen Industrialisierung, Ressourcennutzung, Landschaft, Nachhaltigkeit und Ökologie wird so thematisiert, inszeniert und vermittelt.
Der hohe Anteil nachwachsender Baustoffe gewährleistetet eine gute Ökobilanz für das Gold-Zertifikat der DGNB. In der TGA wird auf multivalente Systeme gesetzt, mit denen low-tech- und regenerative Komponenten vernetzt werden. Die südausgerichteten Dachflächen können mit einem PV-Indachsystem ausgeführt werden (Verschattung durch Hettberg ist zu prüfen), sodass ein klimapositiver Betrieb ermöglicht wird.
Die gewählte Konstruktion ist einfach und daher kostengünstig. Ein hoher Grad an Vorfertigung ermöglicht einen möglichst witterungsunabhängigen ökonomischen Bauprozess und eine damit einhergehende hohe Ausführungsqualität. Der Belag der Außenanlagen orientiert sich in seiner Materialität an der Architektur. Ein Klinkerpflaster im Läuferverband zieht sich mit Ausnahme der versickerungsfähigen Böden des zentralen Platzes und der Fahrradstellfläche über das Plangebiet. Der gewählte Bodenbelag ist zu jeder Jahreszeit gut begeh- und befahrbar und eignet sich daher ideal zur Abwicklung von Besucherströmen und Anlieferungen. Im Bereich der Fahrradstellplätze wird Rasenliner mit einem hohen Versickerungswert verwendet.
Beurteilung durch das Preisgericht
Sowohl in ihrer Maßstäblichkeit und Proportionierung als auch in ihrer differenzierten Positionierung gelingt es der Arbeit auf selbstverständliche Art und Weise die „Zeche Nachtigall“ um neue attraktive Innen- und Außenräume für Besucher zu erweitern. Durch die Aufteilung des Programms in drei Hausidentitäten bleiben sowohl die Landschaft als auch die Ringofenanlage eindeutige Protagonisten des Kontextes, durch die archetypischen Hausfiguren nehmen sich die neuen Gebäude in ihrer Präsenz zurück. Die Haus-Typologie wird aber nicht buchstäblich zitiert, sondern auf skulpturale Weise subtil transformiert, indem sie wie eine ganzheitliche „Spielfigur“ mit einem Material umkleidet wird.
Sinnfälliger Weise nehmen die 3 Häuser die 3 wesentlichen Programmflächen auf:
- Kasse, Info, Shop
- Ausstellung & Mehrzweckraum
- Gastronomie mit Nebenflächen und sind somit für jedermann gut und offensichtlich auffindbar. Alle 3 Häuser werden vom Museumsplatz aus erschlossen, Shop und Infozentrum Muttental auch unmittelbar vom Vorplatz hinter der Brücke.
Der neue Museumsplatz empfängt die Besucherströme aus Norden und Osten und öffnet die Blickbeziehung eindeutig zur denkmalgeschützten Ziegelei im Westen. Die Wegerampe für die Fahrradfahrer, die zeitweise in grossen Gruppen erwartet werden, erscheint jedoch zu eng dimensioniert, desgleichen der Eingangsbereich im Gebäude. Die Anlage der WCs und dienenden Bereiche im/ bzw. mit einem Kellergeschoß wird als suboptimal bewertet. Besonders überzeugend ist jedoch die Zuordnung von Caféinnen- und Aussenraum und Spielplatz mit direkter Blickbeziehung.
Architektonisch wird das Thema Nachhaltigkeit durch die gewählte ganzheitliche Konstruktion /Holztafelbau und die Wand/Dach-Bekleidung mit Tonziegel reflektiert und nachgewiesen. In der gewählten simplen Materialität der Hülle und der Tonalität der Ziegel wird die Beziehung zum Kontext mehrdeutig adressiert und bespielt.
Zwischen dem Ringofengebäude und den neuen Baukörpern entsteht ein Museumsplatz, der zugleich Eingangsbereich und Aufenthaltsort ist. Die intensive Bepflanzung mit Bäumen erzeugt eine grüne Fuge, mit der einerseits das landschaftliche Umfeld überzeugend in den Museumsplatz hinein entwickelt wird und andererseits eine gute Beschattung gewährleistet wird. Die große Sitztreppe im Eingangsbereich hinter der Bahnlinie ist angemessen proportioniert. Im Gegensatz dazu wirkt die barrierefreie Rampe, die auch die einzige Zufahrt zu den Fahrradstellplätzen darstellt, zu eng. Die Trennung zwischen dem öffentlichen und dem eintrittspflichtigen Bereich erfolgt auf einfache Weise sehr unprätentiös durch einen Stelen Zaun.
Die Arbeit überzeugt einerseits durch Ihre Haltung und Selbstverständlichkeit in der Anknüpfung an den denkmalgeschützten Standort und andererseits durch die scheinbar simple, aber subtile, dreidimensional erlebbare Abbildung des Programms. Sie bildet eine angemessene Adresse und atmosphärisch einladende Erscheinung im Gesamtzusammenhang.
©ACMS Architekten GmbH / KRAFT.RAUM. Landschaftsarchitektur und Stadtentwicklung
Wettbewerbsdarstellung
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