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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2024

Neues Dorfgemeinschaftshaus Böhringen in Radolfzell am Bodensee

3. Preis

Preisgeld: 13.200 EUR

Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten

Architektur

studio erde_office for anthropocene landscapes

Landschaftsarchitektur

graf ingenieure

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Städtebauliches und architektonisches Konzept
Das Dorfgemeinschaftshaus Böhringen liegt zentral zwischen Feuerwehr und alter Scheune. Es öffnet sich zum Festplatz hin und bietet eine flexible Nutzung, da die Bühne an Festtagen nach außen geöffnet werden kann. Die Gebäudeseiten sind ebenfalls zugänglich, was ein vielseitiges Raumgefüge schafft: ein großer öffentlicher Bereich vorne, ein hofartiger Platz zwischen den Gebäuden und ein ruhiger Lesegarten im hinteren Teil.
Die Bestandsbauten verbinden das Gelände mit der Fritz-Kleiner-Straße. Hier entstehen rund um die Uhr nutzbare Gemeinschaftsräume, wie die Bibliothek oder das Milchhäusle. Kleinere Veranstaltungen finden im Saal zwischen den Gebäuden einen passenden Ort. Der Neubau beherbergt den großen Saal im Erdgeschoss und den Musikprobenraum im Obergeschoss. Die schalltechnische Trennung ermöglicht eine effiziente Raumnutzung.
Das alte Wohnhaus dient zeitweiligen Nutzungen wie der Verwaltung, die im Dachgeschoss mit der Bibliothek verbunden ist. Der ehemalige Stall wird zur Bibliothek umgebaut, mit einem angrenzenden Lesegarten. Der kleine Saal ist das Bindeglied zwischen Alt und Neu und öffnet sich zum Innenhof. So entsteht eine lebendige Mitte für Böhringen.

Neuer Dorfplatz für Böhringen
Der neue Dorfplatz liegt zentral, abgeschirmt von der Hauptstraße, und ist in fünf Zonen gegliedert. Der Festhain aus Rot-Eschen bildet den Auftakt und bietet Platz für Veranstaltungen. In der Mitte öffnet sich der Hain, um Konzerten aus dem Dorfgemeinschaftshaus zuzuhören. Ein renaturierter Mühlbach flankiert den Hain im Osten, und Stufen sowie Trittsteine bieten Aufenthaltsmöglichkeiten am Wasser. Der Feuerwehrhof ist durch das historische Feuerwehrhaus geprägt, und Pflanzeninseln sorgen für eine aufgelockerte Atmosphäre.
Der Lese-Hof zwischen Bibliothek und Kiosk bietet eine ruhige Rückzugsmöglichkeit, während die Kultur-Gasse den Außenbereich des Gemeinschaftshauses erweitert. Ein Dorfbrunnen fördert die Biodiversität und dient als Wasserrückhaltesystem. Die umgebenden Straßen werden verkehrsberuhigt und optisch in den Platz integriert.
Das Dorfpflaster verbindet den neuen Platz mit dem Gasthaus und einem möglichen Bodenseeplatz. So entsteht ein Ensemble öffentlicher Räume, das die Freiflächen aktiviert und den klimatischen Anforderungen gerecht wird. Alle Bau- und Abbruchmaterialien werden im Kreislauf wiederverwendet, um Nachhaltigkeit zu fördern.

Nachhaltigkeit und Energetik
Die Gebäudetechnik folgt dem Prinzip „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Ausgewogene Fassadengestaltung, außenliegender Sonnenschutz und angepasste Raumhöhen sorgen für ein angenehmes Raumklima. Eine PV-Anlage aus organischen Solarfolien liefert nachhaltige Energie, und Regenwasser wird entweder verdunstet oder in Zisternen gesammelt.

Kreislaufeffektive Konstruktion aus Holz und Stahl
Das gewählte Tragwerk ist integraler Bestandteil des Entwurfes und vereint die Anforderungen des Raumprogramms (Stützenfreiheit für Tanz- und Musikveranstaltungen) mit dem Anspruch an eine zukunftsfähige und kreislaufeffektive Konstruktion.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit besticht durch ihre einfache und klare Setzung eines neuen Gebäude Solitärs, der die Sprache und Grundausrichtung des historischen Bestandsgebäudes gekonnt aufnimmt. So entsteht ein interessanter und dreifach gegliederter Freiraum, der sich um das neue DGH aufspannt. Das "Schaufenster" der Konzertbühne zur Hindenburgstraße könnte eine neue Adresse des markanten Ensembles in der Ortsmitte von Böhringen bilden.

Die Darbietungen auf der Bühne können von Innen und auch vom Freiraum aus genossen werden. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Nutzung wird kritisch diskutiert, ob das große "Schaufenster" in ausreichend Veranstaltungsfällen genutzt wird.

Der Neubau bringt den großen Saal sowie den Musikproberaum als differenziertes Volumina gekonnt auf zwei Geschossen mit aufgestellter Traufkante unter. Die Verortung des Raumes für Instrumente am Proberaum liegt ungünstig im gesamten Funktionsablauf. Lediglich die Nebenräume sind in einer Teilunterkellerung im UG untergebracht.

Die Konstruktion des Gebäudes aus einer Kombination aus Stahl (Träger) und Holz (Decken und Stützen, Wänden) scheint eine wirtschaftliche Lösung zu versprechen. Die Anordnung vom Haupteingang und dem Foyer an der Nordseite wird weniger adressbildend gewertet.

Im historischen Altbau wird die Bibliothek auf zwei Geschossen mit Gartenanschluss und Leseecken angeboten. Die Barrierefreiheit ist nur über Außenwege zum Aufzug möglich, was gegen eine 24/7-Bibliothek spricht.

Die Anbindung der Küche zum Festplatz und großen Saal ist gegeben. Die Entfernung der Küche zum Festplatz wird kontrovers diskutiert. Der Dorfplatz ist mit einem lockeren Baumhain überstellt und lässt noch genügend Platz für Festzeltbetrieb. Der lichte Schatten verspricht eine tolle Atmosphäre und einen "gekühlten" Freiraum.

Die Gestaltung und Positionierung des Dorfbrunnens, des Narrenbaums, des Bouleplatzes sowie des renaturierten Mühlbachs sind wohl überlegt und tragen zur Gesamtwertigkeit des Dorfplatzes erheblich bei. Das Regenwasserkonzept ist nachvollziehbar und kann gelingen. Auch eine überdurchschnittliche Biodiversität vor Ort ist zu erwarten.

Die Materialität des Bodenbelags im Wechsel von (Rasen)-Pflaster und wassergebundener Decke ist gut ausgearbeitet. Bunte Staudenbeete schaffen Bauerngartenbilder.

Insgesamt stellt die Arbeit einen sehr wertvollen Beitrag zur gestellten Wettbewerbsaufgabe dar.