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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2024

Neues Dorfgemeinschaftshaus Böhringen in Radolfzell am Bodensee

Perspektive

Perspektive

Anerkennung

Preisgeld: 8.800 EUR

MANGOLD THOMA GÖNC Freie Architekten GmbH

Architektur

freiraumwerkstadt

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept und Städtebau:
Das denkmalgeschützte Ensemble in der Fritz-Kleiner-Straße 3 zu erhalten und mit Respekt zu begegnen, dabei den Charakter des alten Stadels mit angeschlossenem Wohnteil im Zentrum von Böhringen zu erhalten und ihn mit möglichst wenigen, wohldurchdachten Eingriffen und einer Erweiterung in ein modernes, offenes Haus zu transformieren, waren die Leitgedanken für diesen Entwurf.
Die Erweiterung fügt sich in moderner Interpretation einer Scheune thematisch ein und kann zum Platz hin großzügig geöffnet werden. Sie ist so platziert, dass sich der Dorfplatz in größtmöglich zusammenhängender Fläche westlich anschließt. Die subtile Ausdrehung gegenüber dem Bestand strukturiert die Raumgeometrie im Innenraum und erzeugt eine großzügige Öffnung des Foyers zum Dorfplatz. Das Foyer verbindet als eingeschossiger Flachbau beide Gebäude und bildet den Haupteingang Richtung Dorfplatz aus. Der Kleine Saal im Altbau, im "alten Stall" öffnet sich zu einem intimeren Gartenbereich hinter dem Neubau.
Die Giebelseite der „Scheune“ mit dem angegliederten Schleppdach bildet die Fassade zum Dorfplatz. Die geöffneten Scheunentore signalisieren die stattfindenden Veranstaltungen. Der hinter der Holzverschalung verglaste Giebel belichtet den Saal tagsüber und leuchtet in den Abendstunden Richtung Platz, wodurch die Verbindung zwischen Innen und Außen spür- und erlebbar wird.

Erschließung und Organisation:
Die Gebäude werden vom Dorfplatz über das Foyer, sowie von der Fritz-Kleiner-Straße erschlossen. Die ehemalige Durchfahrt zur Fritz-Kleiner Straße nimmt das Treppenhaus auf, Verwaltung, Vereine, Bibliothek und Proberaum von UG bis DG können von hier erreicht werden. Die Toiletten sind an den Treppenraum angegliedert. Kleiner und Großer Saal werden vom Foyer erschlossen.
An der gegenüberliegenden Seite befinden sich die Nebenräume inkl. Küche, welche von dort den Saal, sowie über die Ausgabe Richtung Süden den Dorfplatz versorgt. Das Schleppdach bildet dafür einen überdachten Bereich, die Öffnungen in der Fassade Richtung Dorfplatz bleibt der Hauptnutzung vorbehalten.

Konstruktion & Material:
Der Neubau ist in Holzbauweise angedacht, gegründet auf einem Kellerschoss in Betonkonstruktion und Sichtbetonsockel für den konstruktiven Holzschutz.
Die neuen Treppenbereiche werden zum Bestand hin nichtbrennbar ausgeführt. Die Treppe wird Obergeschoss ist als Stahltreppe ausgeführt.

Denkmalschutz:
Die Prämisse des Entwurfs lag im kompletten Erhalt des denkmalgeschützten Ensembles und im Anfügen eines Neubauteils mit dezenter, eingeschossiger Fuge.
Kernbau, Wohnteil und Wirtschaftsteil wurden mit passenden Räumen belegt, sodass die historische Nutzung erkennbar und größtmöglich erhalten bleibt.

Energie:
Denkmalgerecht ist eine Innendämmung mit Zellulose- oder Isostrohdämmstoff angedacht. Die bestehenden Heizkörper können durch integrierte Flächenheizungen an den Wänden ergänzt werden.
Im Dachgeschoss ist eine Aufsparrendämmung vorgesehen. Die Ortgangbretter werden farblich angepasst erweitert.
Der Saal, sowie die Küche werden mit dezentralen Lüftungselementen mit Wärmerückgewinnung mechanisch be- und entlüftet. Notwendige technische Komponenten sind im Bereich des Schleppdachs in der abgehängten Decke integriert und versorgen von dort Küche und Saal.
Das Dach der neuen Scheune kann Richtung Süden mit einer PV-Anlage (dachintegriert) belegt werden.

Aussenanlagen
Als zentrales Element für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Böhringen soll der neue zentrale Dorfplatz als gemeinschaftlicher Treffpunkt der Dorfgemeinde für Austausch, Kommunikation und geselliges Beisammensein dienen. Dementsprechend ist er multifunktional und großzügig gestaltet.
Östlich angrenzend an den Festsaal kann er als direkte Erweiterung in den Freiraum dienen. Als grünes und prägendes Element dient die "Dorflinde", welche als Schattenspender mit einer Rundbank ausgestattet ist, für angenehmen Aufenthalt. Die Wassergebundene Wegedecke auf dem Dorfplatz unterstreicht den dörflichen Charakter und ermöglicht auch eine Boulepartie oder ähnliches. Zudem bietet der Platz ausreichend Möglichkeiten für eine Bestuhlung durch z.B. den angrenzenden Café- / Restaurantbetreiber. Was eine wünschenswerte Nutzung für den Platz wäre.
Ein weiteres wichtiges Element auf dem Dorfplatz ist der Narren- / Maibaum, der hier gut integriert werden konnte und die umliegenden Flächen ausreichend Platz zum Aufstellen bieten.
In der Hauptachse zum neuen Dorfgemeinschaftshaus (DGM) steht der Narrenbrunnen, der als belebendes Element zum Dorfplatz gehört, aber nicht im Weg bei evtl. Festivitäten steht. Neben dem "Milchhäusle" ergibt sich mit dem neu gepflanzten Baum und dem Narrenbrunnen ein schönes Ensemble. Über den Mühlbach entsteht eine Brücke, die in der Achse zum Haupteingang liegt und eine gute Anfahrt ermöglicht. Direkt neben dem Haupteingang entstehen 8 Fahrradstellplätze.
Passend zum Dorfcharakter und der Bedeutung des Dorfgemeinschaftshauses soll die Ortsmitte, sowie die dazugehörigen Gehweg- und Straßenbereiche mit Natursteinpflaster gepflastert werden. Alternativ könnten die Straßenbereiche mit gegrindetem (geschliffenem) Asphalt ausgeführt werden.

Der Mühlbachkanal ist ein typisches und wichtiges Element entlang der Hindenburgstraße für Böhringen. Um diesen charmanten Charakter zu würdigen, wurde im Bereich der Hindenburgstraße die Mauer belassen. Zumal die Platzverhältnisse mit Bürgersteig und Straße hier sehr beengt sind. Die extensive Staudenmischpflanzung entlang des Kanals bricht die harte Kante und belebt die Ortsmitte, gleichzeitig dient diese als Tiefbeet und Retentionsfläche, bevor das überschüssige Wasser in den Mühlbachkanal geleitet wird.
Im Bereich des Dorfplatzes wird die Mauer abgebrochen und wo die Platzverhältnisse es zulassen renaturiert. Sitzstufen zum Bach hin laden zum Verweilen und spielen am Wasser ein. Die Bepflanzung mit mittelgroßen Bäumen sorgt für Schatten und soll die kleine Renaturierung unterstreichen. In diesem Bereich ist auch ein Spielbereich vorgesehen. Ziel ist, wo möglich, das Oberflächen- und Dachwasser über offene Pflasterrinnen in den Mühlbach oder zu den Bäumen zu leiten. Die etwas tiefergelegenen Baumbeete sollen als Baumrigolen ausgebildet werden und das Oberflächenwasser aufnehmen, die Notüberläufe werden in den Mühlbach geleitet.

Im südlichen Bereich des Dorfplatzes wird aufgrund der Feuerwehrzufahrten die Fläche weitestgehend freigehalten. Da sich hier auch die Essens- und Getränkeausgabe bei Dorffesten befindet wird hierfür ebenfalls Platz benötigt. Am Rand entsteht mit dem neu gepflanzten Baum ein weiters grünes Schattenplätzchen mit einer Rundbank. Somit können auch die Eingänge und Zufahrten der umliegenden Häuser freigehalten werden.

Im Westen des DGH entsteht ein kleiner Garten mit einer grünen Wiese und einer überdachten Terrasse, die vom Foyer aus erschlossen werden kann. Je nach Bedarf und Engagement kann hier auch ein Gemeinschaftsgartenprojekt mit Hochbeeten oder ähnliches entstehen.
Grüne Heckenstrukturen brechen die umliegenden Fassaden und bilden ein grünes Raumgefüge. Durch einen begrünten Lichthof, ist hier auch ein Zugang zum unteren Geschoss vorgesehen. Ebenso sollen neben diesem Zugang weitere 8 Fahrradstellplätze entstehen.

Nördlich des DGH entstehen die Parkplätze und weitere Fahrradstellplätze, die durch den weiten Dachüberstand des Gebäudes gleichzeitig überdacht sind.

Ideenteil:
DIfferenzierte Beläge ab den umliegenden Straßenkanten leiten wie Brücken von den umliegenden Straßen zum neuen Dorfplatz. Zur Singener und zur Fritz-Kleiner-Straße sind zusätzlich raumbildende Tore denkbar, welche auch in der dritten Dimension die Verbindung zum öffentlichen Raum spür- und sichtbar machen, Identität und merkmalsbildend wirken. Der Platzbelag selbst umfliesst das gesamte Quartier und führt den fußläufigen Verkehr zum Platz.
Das Milchhäusle wurde bereits in die Planung integriert, wird saniert und bildet ein markantes und charmantes Wiedererkennungsmerkmal.
Die mittel- und langfristige Nutzung des Feuerwehrhauses kann flexibel und entsprechend dem Bedarf genutzt werden. Durch die unmittelbare Verbindung mit dem Dorfplatz bietet sich eine öffentliche Nutzung für Vereine oder Gastronomie an.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf arbeitet mit einem eingeschossigen Anbau mit giebelständigem Satteldach an das denkmalgeschützte DGH. Städtebaulich entsteht eine Verbindungsachse von Süden nach Norden, die sich in der Mitte zu einem großzügigen neuen Dorfplatz öffnet. Mit der neuen Dorflinde und der wassergebundenen oder möglicherweise begrünten Fläche um diese herum sowie der im Süden angeordneten Zeltaufstellfläche ergibt sich ein Außenraum mit hoher Aufenthaltsqualität. Dieser wird nach Osten durch den renaturierten und gut eingebundenen Mühlbach begrenzt.

Von diesem Platz aus gelangt man über ein großzügiges Foyer in der Gebäudefuge, die mit einem begrünten Flachdach überspannt ist, folgerichtig sowohl in den Altbau wie in den Neubau. Der Neubau hat im EG den Saal angeordnet, der mit einer Nebenraumspange im Süden gut proportioniert ist und sich zum Platz hin öffnet. Die Küche kann den Platz gut bedienen. Positiv wird gesehen, dass die Essensausgabe nach Süden gerichtet ist.

Im UG des Neubaus befindet sich der Musikproberaum, der trotz zu kleinem Lichthof als positiv gewertet wird. Jedoch reicht das Volumen des Raums für den notwendigen Schalldruckpegel bei weitem nicht aus. Im EG des Altbaus ist der kleine Saal angeordnet, dem eine Teeküche und ein Vorbereich angehören. Der kleine Saal erstreckt sich über zwei Geschosse und die dadurch entstehende sehr große Raumhöhe wird kontrovers diskutiert. Positiv gesehen wird die Auffindbarkeit des kleinen Saals mit klarer Raumstruktur.

Nicht dargestellt im EG ist die bestehende Tragkonstruktion im Raum, deren Entfernen mit der Denkmalpflege zumindest diskutiert werden müsste. Der ehemalige Wohnteil mit seinen niedrigen Raumhöhen wird für die Verwaltung genutzt – dafür muss der EG-Boden abgesenkt werden. Das OG im Altbau ist nur durch Neben- und Reserveräume belegt. Die vorgeschlagene Treppe ins DG könnte von der Kopfhöhe her kritisch sein. Im DG befindet sich die Bibliothek. Generell wird die Anordnung der Bibliothek im DG für eine 24/7-Nutzung als problematisch gesehen.

Die hohen Lasten, die im Denkmal zu Deckenverstärkungen führen, sowie die schwierige Aufstellmöglichkeit von Regalen an den Wänden können ebenfalls als problematisch angesehen werden. In der Außenansicht stellt sich das große Volumen des Neubaus durch die Abschleppung der Nebenraumzone des Saales sowie die gelungenen Fassaden mit ihrem Bezug zur dörflichen Architektur als bescheiden dar. Dies wird sehr positiv gesehen, da es dem Entwurf auch mit der Höhenentwicklung gelingt, dem Denkmal keine Konkurrenz zu machen.

Mit dem UG aus Stahlbeton, jedoch einem hohen Anteil an Holz als Baustoff und dem kompakten Neubaukörper, stellt sich der Entwurf ökologisch und wirtschaftlich positiv dar. Eine Ausnahme ist in der Anbindung des Aufzugs im UG an den Neubau zu sehen. Hier muss mit hohem Aufwand ein Teil des Altbaus unterkellert werden. Dagegen steht der positive Verzicht auf einen zweiten Aufzug, der vor allem im Unterhalt viel Aufwand bedeuten würde. Insgesamt ein gelungener Beitrag, der jedoch Schwächen in der Grundrissgestaltung des Altbaus aufweist.
Lageplan

Lageplan

Fassade

Fassade

Ansichten

Ansichten

Entwicklung

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