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Einladungswettbewerb | 02/2021

Neues Quartier Wasserstadt Limmer in Hannover

1. Preis

Architekten BKSP

Architektur

Lohaus · Carl · Köhlmos PartGmbB Landschaftsarchitekten · Stadtplaner

Landschaftsarchitektur

loomn architekturkommunikation

Visualisierung

Erläuterungstext

Aufgabe
Als JAWA (Jung und Alt am Wasser) hat sich in Hannover eine Baugemeinschaft zusammen-gefunden, die ihre Vorstellungen von individuellen Wohnen sozialverträglich, ökologisch und zu bezahlbaren Preisen auf dem Areal der ehemaligen Continentalwerke und zukünftigen Wasserstadt Limmer realisieren will.
JAWA beabsichtigt, auf dem Baufeld 5.1 / 5.2 insgesamt 50 Wohnungen mit dem Ziel zu er-richten, individuell und in freundschaftlicher Nachbarschaft miteinander zu leben. Die Wohnun-gen sollen ein breites Angebot bieten für Familien mit Kindern, Alleinstehende, Paare, Senio-ren, Alleinerziehende und Wohngemeinschaften. Zur Integration sozial Benachteiligter sollen sieben Förderwohnungen von der Stiftung Villa ganZ betrieben werden.

Städtebau
Das Plangebiet ist Teil der zukünftigen Wasserstadt Limmer und liegt im ersten Bauabschnitt. Für die Baufelder 5.1 / 5.2 gelten die Festsetzungen des B-Plans Nr. 1535. Darüber hinaus sind die Gestaltungsrichtlinien der Gebrauchsanweisung Wasserstadt Limmer Ost zu beach-ten, um einen gestalterisch homogenen Stadtteil eigener Identität entstehen zu lassen.
Die Baufelder 5.1. / 5.2 bilden den nordöstlichen Rand der zukünftigen Wasserstadt Limmer. Die Bebauung ist als rechteckiger Block zu planen, der in seiner Mitte eine grüne Hoffläche umschließt. Die vierseitig umlaufende raumbildende Bebauung wird rhythmisiert durch drei Öffnungen zum Quartier in Nord, Süd und Ost. Während der nordöstliche Rand sich mit zwei einzeln stehenden III-geschossigen Baukörpern zu den angrenzenden Freiräumen von Leine-abstiegskanal, Gedenkort Frauen-KZ und Dorf Limmer maßvoll öffnet, wird nach Südwesten zur Kreuzung Stéphanie-Kuder-Straße / Stanislawa-Kaminska-Straße eine kräftige räumliche Fassung durch einen III-IV-geschossigen winkelförmigen Baukörper gesetzt. Baulinien, Bau-grenzen, Geschossigkeit und textliche Festsetzungen beschreiben detailliert die zulässigen Kubaturen der Baukörper.

Hochbau
Der von JAWA gewünschte, individuelle Wohnungsmix für 50 Wohnungen, sowie die ergän-zenden gemeinschaftlichen Nutzungen werden in der Kubatur gemäß B-Plan umgesetzt. Dies gilt sowohl bezüglich der gewünschten Lage der einzelnen Wohnungen, wie auch bezüglich der gewünschten Größen. Die wirtschaftliche Basis dafür schaffen strenge Konstruktionsraster mit wenigen Fixpunkten, die – innerhalb konstruktiv sinnvoller Regeln – frei modellierbare Wohnungen für individuelles Wohnen ermöglichen.
Je Baukörper wird ein Raster entwickelt, mit denen sich die individuellen Anforderungen des Raumprogramms wirtschaftlich umsetzen lassen (bei Beachtung einer geordneten Sanitärinf-rastruktur). Die “Schaltbarkeit“ von einzelnen Räumen / Raumgruppen erlaubt eine flexible Flächengliederung, die auch für die noch nicht konkret vergebenen Wohnungen vielfältige Spielräume für zukünftige / sich ändernde Ansprüche eröffnet.
Die Erschließung der drei Baukörper erfolgt individuell. In der Regel werden die Wohnungen im Erdgeschoss direkt aus dem Freiraum erschlossen. Die Wohnungen in den oberen Ebenen sind über Treppenräume angebunden. Für den Gebäudewinkel ist ein zentraler Treppenraum mit Aufzug an der Stéphanie-Kuder-Straße vorgesehen. Zu den Wohnungen der oberen Ebe-ne führen dann begrünte Laubengänge, die das freundschaftliche Leben in der Baugemein-schaft befördern (Veranda mit Bank zum Klönschnack am Eingang / vor der Wohnküche) und für jede Wohnung die kurzwegige Teilhabe an der gemeinsamen grünen Mitte sichern. Ähnlich ist die Erschließung der oberen Ebenen im nördlichen und östlichen Baukörper angelegt. Ein zentraler Treppenraum mit optionalem Aufzug (der eine konsequente Umsetzung der Inklusion sichert) schafft für alle eine kurze und kommunikative Verbindung in die gemeinsame grüne Mitte.
Sämtliche Wohnungen in allen drei Häusern sind „durchgestreckt“, so dass für alle Wohnun-gen Teilhabe an der Gemeinschaft und Rückzugsorte gleichermaßen ermöglicht werden. Dies gilt auch für die überwiegend gewünschten großen Wohnküchen, die sowohl die gemeinsame grüne Mitte als auch den öffentlichen Raum wirksam beleben (soziale Kontrolle). Neben den Wohnungen schafft insbesondere das Café mit Seminarraum ein offenes Angebot den Dialog untereinander und mit der Nachbarschaft im Quartier räumlich zu bündeln. Café und Seminar-raum sind im Erdgeschoss des Südbaukörpers vorgesehen und verknüpfen mit ihrer räumli-chen Transparenz die Urbanität des öffentlichen Raumes entlang der Stéphanie-Kuder-Straße mit der privaten grünen Mitte von JAWA.
Die äußere Erscheinung der geplanten Neubauten ist im Aufriss folgerichtiger Ausdruck der strukturell angelegten Rasterung im Grundriss. Dabei wird das Ensemble als „Familie“ interpre-tiert, bei dem jedes „Mitglied“ ein spezifisches Raster als Eigenart aufweist, um eine optimale Umsetzung des angestrebten Wohnungsmixes sicherzustellen. Diese sachlich funktional be-gründete, ruhige aber gleichwohl differenzierte Struktur schafft zusammen mit ihrer homoge-nen Bekleidung aus roten Backsteinen (ggf. recycelt) einen nachvollziehbaren Anknüpfungs-punkt zur Historie des Ortes und ihrer denkmalgeschützten Industriearchitektur. Darüber hin-aus bildet sie einen zurückhaltenden Rahmen für “Inlays“ in individueller Ausgestaltung ent-sprechend der jeweiligen Nutzungsanforderungen. Die “Inlays“ sind Fassadenelemente in Holzkonstruktion, die aus Fenstern, Türen, Wand-, Brüstung- und Sturzbauteilen zusammen-gefügt werden. So ergeben sich viele standardisierte Bauteile mit (relativ) großen Stückzahlen (Fenster, Türen, Stürze, Pfeiler, Deckenfelder, etc.), die helfen die Baukosten zu senken. Dar-über hinaus wird auf diese Weise neben dem Quartierstypischen Backstein ein nicht unerheb-licher Anteil der Hülle mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz bekleidet, um die CO2-Last des Neubaus zu senken. Die offenen Erschließungen, Laubengänge, Veranden sind in das kon-struktive Raster eingewoben, aber thermisch getrennt (Vermeidung von Wärmebrücken). Zum Teil sind sie mit Aussparungen vor besonders schützenswerten Räumen versehen, so wird sowohl Distanz geschaffen als auch die Kommunikation zwischen den Ebenen intensiviert. Die grünen “Lauben“ bieten Treffpunkte der Gemeinschaft mit hoher Aufenthaltsqualität und saiso-nalen Sonnenschutz für die anliegenden Räume.

Freiraum
Aneignung

Nachhaltigkeit
Das Gebäudeensemble für JAWA wird unter Beachtung der hohen Ansprüche an Nachhaltig-keit und Wirtschaftlichkeit entwickelt. Dabei wird sowohl ein geringer Energieeinsatz für Erstel-lung (und Rückbau) angestrebt, als auch ein geringer Energieverbrauch im Betrieb.
Grundsätzlich ist eine lange Nutzungsdauer von überragender Bedeutung für die positive Bi-lanz der Lebenszykluskosten. Die konzeptionell angelegte Flexibilität in der Raumstruktur bie-tet gute Voraussetzungen auch Ansprüchen zukünftiger Nutzer gerecht werden zu können, um so eine wesentliche Voraussetzung für eine langandauernde Nutzung zu schaffen.
Die Verwendung von klimapositiven, regional verfügbaren, gesunden, durablen und recyclefä-higen Materialien / Konstruktionen (z. B. Backstein, Holz, Recyclingbeton) die ggf. repariert und nicht ausgetauscht werden, verfolgt die gleiche Zielrichtung einer langen Nutzungsdauer und vermeidet downcycling von Ressourcen. Das Tragwerk ist in seiner Konstruktion einfach und seriell angelegt (wirtschaftliches Raster der Deckenspannrichtung zwischen 3,30 / 6,60 Meter und 5,30 Meter). Die Ausführung kann als Massivbau mit Mauerwerk und Stahlbeton-bauteilen (Recyclingzuschläge), aber auch als Holzkonstruktion oder Hybridkonstruktion schlüssig weiterentwickelt werden. Während die Massivkonstruktion optimale Werte für die thermische Dämpfung (Speicherfähigkeit) erreicht, ist die Holzkonstruktion der optimale CO2-Speicher. Wir empfehlen eine Holzhybridkonstruktion, um Vorteile beider Konstruktionsarten miteinander zu kombinieren. Diese Konstruktionsart ermöglicht einen hohen Grad an Vorferti-gung und kurze Bauzeiten. Die Vertikalkerne / Rettungswege werden in Massivbauweise er-stellt und dienen der Aussteifung der drei Häuser.
Die Kompaktheit der thermisch konditionierten Kubatur, der hohe Dämmstandard der Hülle (Passivhaus) und deren maßvoller Öffnungsanteil zur Sicherung weitgehender Tageslichtau-tonomie, ermöglichen geringe Energieverbräuche während des Betriebs. Bei umfangreicher Nutzung CO2-neutral gewonnener Energie (vergleiche Untersuchung zu optimierten Versor-gungsvarianten) ist ein emissionsfreier Betrieb bilanziell erreichbar, ggf. kann auch ein Ener-gieüberschuss erzeugt werden. Die dazu benötigten Photovoltaikelemente sind auf den Dach-flächen vorgesehen. Daneben sind die Dachflächen mit ihrer Begrünung wichtiger Bestandteil des Regenwassermanagements, indem sie die Abflusswerte (insbesondere bei Starkregen) drosseln. Die Begrünung der Fassaden dient der Verbesserung des Mikroklimas und bietet biodiversen Lebensraum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Entsprechend der städtebaulichen Vorgaben ist im Westen des Geländes der Geschosswohnungsbau, im Norden und Osten sind die als Reihenhäuser konzipierten Hausgruppen geplant. Zum öffentlichen Raum zeigen sich klar strukturierte Bauten mit geklinkerten Fassaden, die mit ihren hohen Fensteranteilen Offenheit implizieren und auf den ersten Blick als Wohngebäude zu erkennen sind. Ein stringentes Konstruktionsraster mit vorgefertigten „Inlays“ ermöglicht ein schnelles Bauen bei hoher Variabilität der Grundrisse und großer Flexibilität über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Allerdings bringt dieses System mit seinem hohen Anteil an standardisierten Elementen auch wenig Individualität und Identifikationsmöglichkeit mit der einzelnen Wohneinheit mit sich. Die Überschreitung der überbaubaren Grundstücksflächen im Bebauungsplan scheint im Rahmen der festgesetzten Ausnahmen zu funktionieren. Die Erschließung der Gebäude ist unterschiedlich. Während die dreigeschossigen Hausgruppen mit ihren durchgesteckten Wohnungen vom Straßenraum aus erschlossen werden und im EG einen direkten Zugang zum Hof aufweisen, verfügt der Geschosswohnungsbau über ein gemeinsames Treppenhaus, von dem aus die Wohnungen der verschiedenen Ebenen über einen Laubengang zugänglich sind. Teilweise sind die Laubengänge von den Fassaden ein wenig abgerückt, was die erforderliche Distanz direkt vor den Fenstern sichert. Der Haupteingang selbst nimmt sich sehr zurück, was sich - weil es Privatheit suggeriert - in der Außenwirkung durchaus angenehm darstellt. Die EG-Wohnungen dieses Gebäudes sind konsequent vom Innenhof aus erschlossen und haben nach Westen gut besonnte Terrassen und kleinere Gärten. Analog dazu verfügen die Wohnungen in den Obergeschossen dieses Hausen über nach Süden und Westen ausgerichtete Loggien. Die Hausgruppen mit ihren durchgesteckten Wohnungen verfügen ebenfalls über öffentlichere und privatere Bereiche. Insgesamt scheint die Anordnung der gewünschten Wohnungen mit den Vorstellungen des Auslobers in Einklang zu stehen. Die räumliche Zuordnung der geförderten Wohnungen entspricht den Vorgaben. Auch die Anforderungen an die barrierefreie Zugänglichkeit der Wohnungen über Aufzüge (oder Schächte, die eine Nachrüstung ermöglichen) sind erfüllt. Die Freiflächen im Hof ermöglichen einen fließenden Übergang zwischen privater und halböffentlicher Nutzung, indem zwischen den Terrassen und den Wegen gestaltete, den Blick nicht verstellende Staudenbeete angelegt werden. Die Flächen im Hof bieten im zentralen Bereich hinreichend Raum für Spiel und Aufenthalt, während den öffentlichen Nutzungen Aufenthaltsflächen vorgelagert sind. Die Freiflächen erfüllen aber auch ihre Funktion zur Regenwasserableitung / -versickerung. Der Gedenkort ehem. Frauen-KZ wird zurückhaltend, aber angemessen z.B. durch die Einbringung von Pflasterstreifen im Gelände berücksichtigt. Die Dächer der Hausgruppen sind intensiv und gestalterisch hochwertig begrünt, da sie zusätzlichen Aufenthaltsraum für die Bewohner*innen der jeweiligen Gebäude bieten. Hier ist kritisch zu hinterfragen, ob der Gebrauchswert so überzeugend ist, oder ob die ökologischen, energetischen und klimatischen Funktionen nicht doch in den Vordergrund gerückt werden sollten. Die Begrünung der in Holzkonstruktion geplanten Laubengänge zum Hof wird insgesamt positiv bewertet, allerdings sind die Befestigungen und Rankhilfen im Detail noch auszugestalten. Gleiches gilt für die wenig wertige Anmutung der Balkonbrüstungen mit ihren offenen Stahl- / Drahtfüllungen. Zentral auf dem Dach des 3. OG des großen Gebäudes befindet sich die Gemeinschaftsterrasse, die offen zugänglich ist. Kritisch gesehen wird die Lage der hier eingeschnittenen privaten Terrassen der unmittelbar angrenzenden Wohnungen. Hier trifft - anders als bei allen anderen Wohnungen - der private Bereich direkt auf den halböffentlichen. Der Entwurf plant insgesamt 54 Wohnungen ein und ist somit der mit den meisten Wohneinheiten, was der Größe der einzelnen Wohnungen geschuldet ist. Der sommerliche Wärmeschutz wird im Konzept durch eingerückte Fassaden, zusätzliche Verschattungselemente und eine Rückkühlung über die Fußbodenheizung (Geothermie) sichergestellt. Im EG unweit des Haupteingangs befinden sich das Café und ein Veranstaltungsraum, die aber bei der derzeitigen Lage des Versorgungskerns nicht - wie eigentlich gewünscht - zusammen zu koppeln sind. Daran schließen sich die Gästewohnungen und noch weiter östlich die Fahrradwerkstatt an. Letztere besitzt an diesem Standort - anders als bei Einplanung im UG - neben ihrer eigentlichen Funktion auch einen starken kommunikativen Charakter, da der Außenbereich in die Tätigkeit einbezogen werden kann. Die TG wird über separate Zugänglichkeiten jeweils für Pkw und Fahrräder erschlossen. Es ist noch zu überprüfen, ob die Zufahrt zur TG im Falle eines Starkregenereignisses den Niederschlag zurückhalten kann oder ob die Gefahr der Überflutung besteht. Zwei große Fahrradkeller - mit unterschiedlicher Lagequalität - bieten Raum zum Abstellen, der aber nicht optimal zugeschnitten ist und teilweise Rangieren und Kraftanstrengung erfordert. Abstellplätze für Lastenräder sind erkennbar nicht vorgesehen. Eine eigene, der Tiefgarageneinfahrt gegenläufige Rampe aus dem Innenhof - direkt an der Fahrradwerkstatt - erschließt die untere Ebene. Die Kellerräume erfüllen in Bezug auf ihre Größen nicht vollständig die Vorgaben, was möglicherweise daran liegt, dass auch die Kellerräume der anderen Gebäude hier nachgewiesen werden. Insgesamt erscheint das UG insbesondere im Hinblick auf die Fahrradabstellplätze überarbeitungsbedürftig. Die Nachhaltigkeit der Arbeit wird neben der Gestaltung der Freiflächen, der Begrünung der Dächer, den eingesetzten Materialien (Vorschlag ist eine Holzhybridkonstruktion; darüber hinaus die Verwendung regional verfügbarer, recyclingfähiger Materialien), dem Regenwassermanagement und dem Energiekonzept (mit PV-Anlagen und Geothermie) besonders durch den hohen Vorfertigungsgrad beeinflusst. Die Verfasser legen dabei großen Wert auf die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus. Positiv wird das gute Verhältnis von Wohnfläche zur BGF gesehen. Die Wirtschaftlichkeit des Entwurfes muss noch tiefer hinterfragt überprüft werden. In der Summe handelt es sich um eine sehr gute Arbeitsgrundlage, die bei flexiblen Grundrissmöglichkeiten unterschiedliche Lebensformen und -stile in einem offenen Verhältnis zwischen Privatheit und Rückzug einerseits und Öffentlichkeit und Nachbarschaften andererseits zulässt.
Lageplan

Lageplan

EG + Gestaltungsplan

EG + Gestaltungsplan

Dachterassen

Dachterassen