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Werkstattverfahren | 08/2022

Neugestaltung Stiftsplatz in Bonn

Blick Richtung Welschnonnenstraße und Christusbrunnen

Blick Richtung Welschnonnenstraße und Christusbrunnen

1. Rang / Zur Grundlage der weiteren Entwicklung empfohlen

scape Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Neugestaltung des Stiftsplatzes – Grüne Insel in der Bonner Innenstadt.

Das Konzept schafft mit einfachen Mitteln eine neue, grüne Insel mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten und ökologischen Funktionen in zentraler Lage der Innenstadt von Bonn. Der neu gestaltete Stiftsplatz wird zum Brückenschlag zwischen Stiftskirche und Beethovenhalle bis zum Rhein. Mit Respekt vor dem Bestand greift der Entwurf die vorhandenen prägenden Bäume und geschichtlichen Spuren auf und setzt auf ein Upcycling der Materialien. Alle Bestandsbäume bleiben erhalten.

Die zentrale grüne Insel schafft ein großzügiges neues Freiraumangebot mitten in der Stadt. Ihre Ausrichtung folgt den längs gerichteten Proportionen des vorhandenen Stadtraumes und inszeniert konsequent den Blick auf die den Platz prägende Stiftkirche. An den beiden Kopfseiten des Stiftsplatzes entstehen zwei kleine, multifunktionale Entréeplätze. Das Materialkonzept sieht einen schonenden Umgang mit den vorhandenen Ressourcen vor und schafft unter Wiederverwendung des historischen Basaltkleinsteinpflasters eine durchgängige Platzfläche.

Der historische Christusbrunnen als Auftakt und Mittelpunkt des westlichen Platzentrées wird freigestellt und neu inszeniert. Auch das Mosaiksteinpflaster der historischen Zierstreifen wird wiederverwendet und setzt einen zusätzlichen Akzent rund um den Brunnen. Die Fläche bietet Raum für eine multifunktionale Bespielung wie z.B. den Weihnachtsbaumverkauf. Die Gestaltung des Vorplatzes an der Stiftskirche ergänzt behutsam den Bestand. Sitzhocker und eine durchgängige Pflasterung analog zum Brunnenplatz setzt den Stiftsplatz über die Kölnstraße fort und schafft optisch eine Einheit. Der Straßenbelag wird farblich an das Basaltpflaster angepasst, der Übergang mit Großsteinpflaster nachgezeichnet. Im Osten fungiert der Platz an der Welschnonnenstraße als Entrée aus Richtung Rhein, von dem sich der Blick auf die Kirche eröffnet. Die überdachte Fahrradabstellanlage ist kompakt organisiert, kann doppelseitig angedient und eine WC-Anlage ggf. integriert werden.

Die Mitte des Platzes bildet eine großzügige Grünfläche als Zentrum des Stadtraumes. Sie wird durch eine Rahmung aus hellem Granit gefasst. Um eine maximale Entsiegelung und Durchgrünung zu erzielen und die Baumstandorte zu optimieren, wird die Grünfläche im Norden bis auf die Grenze der Feuerwehrzufahrt (6,5m) und im Süden bis an die Busspur (3,5m) ausgedehnt. So entsteht ein neuer urbaner Freiraum mit unaufdringlichen Verweil- und Aktivitätsangeboten wie z.B. einer Fitnessinsel, Spielangeboten, öffentlichen Hängematten, etc. Eine zentrale multifunktionale Rasenfläche wird von Staudenbändern und Geophyten lebendig gerahmt. Blütenbäume setzen zusätzliche Akzente. Auf der die grüne Insel nördlich begleitenden Promenade werden beidseitig nutzbare Bänke platziert. Sie wird zum attraktiven Vorplatz vor Geschäften und bietet genügend Raum für Auslagen und Außengastronomie.

Als bedeutendes historisches Element zeichnet der Entwurf die Lage des unterirdischen Bunkers mit skulpturalen Cortenstahl-Winkelelementen, die auch als informelle Sitzgelegenheiten nutzbar sind, nach. Die beiden Bunkereingänge werden mit Metallplatten, ebenfalls aus Cortenstahl, auf die der Grundriss der Bunkeranlage gelasert wird, gekennzeichnet. Der Eingang am Christusbrunnen und bei Bedarf auch der Eingang an der Welschnonnenstraße können mittels einer sich nach oben öffnenden Falltür, die gleichzeitig als Geländer dient, begehbar gemacht werden.

Für das Stadtklima ist es von großer Relevanz, dass die Vegetation ausreichend mit Wasser versorgt wird und so durch Verdunstung zur Kühlung der Stadt beitragen kann. Da aufgrund der starke Durchwurzelung durch die Bestandsbäume kein Eingriff in den Boden möglich ist, wird das Oberflächenwasser direkt auf die Grünfläche geleitet. Dazu soll im Zuge der Neuplanung der Wegebelag bis auf Höhe der Türschwellen angehoben und ein durchgängiges Gefälle bis in die mittige Grünfläche hergestellt werden. Gleichzeitig können die Gebäude barrierefrei erschlossen werden. Das Wasser kann so direkt den Bäumen zugeführt oder im Bereich der Staudenflächen in sanften Mulden gesammelt werden. Anfallende Dachwässer werden in die unterirdischen historischen Zisternen geleitet und in Trockenperioden durch eine mit Solarstrom betriebene Pumpe mittels einer Unterflur-Tropfen-Bewässerungsanlage den Pflanzen zugeführt. Schattenverträgliche Staudenflächen, Kräuterwiesenmischungen und klimaresistente Solitärbäume setzen Farbakzente und erhöhen die Biodiversität. Auf stärker frequentierten Flächen z.B. in Richtung Christusbrunnen ist Gebrauchsrasen vorgesehen. Das Lichtkonzept setzt im Sinne des Sternenhimmelkonzeptes auf eine sparsame Beleuchtung. Neben einer Grundbeleuchtung der Hauptwegebeziehungen wird der Christusbrunnen u.a. durch eine Unterwasserbeleuchtung akzentuiert. Die ökologisch wertvollen Bereiche der grüne Mitte sollen unbeleuchtet bleiben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der auf Nachhaltigkeit der Grünstruktur angelegte Gestaltungsansatz, der sich durch eine differenzierte Vegetation aus Staudenbändern, neu gepflanzten Blütenbäumen und unterschiedlichen Rasenarten je nach Nutzungsintensität auszeichnet, wird besonders geschätzt. Es wird kontrovers diskutiert, ob die Lage und Anordnung der vier Baumneupflanzungen in der Sichtachse zur Stiftskirche sinnvoll positioniert sind.

Die Be- und Entwässerung der großen Vegetationsfläche, die durch die Nutzung des Regenwassers der nördlich angrenzenden Gebäude ergänzt wird, ist sehr durchdacht. Die Jury begrüßt die Einbeziehung der unterirdischen Bauwerke für die Bewässerung, wenn die Nutzung der Löschwassertanks machbar ist. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist das Be- und Entwässerungskonzept dennoch gut durchdacht.

Der hohe Grad an Baustoffrecycling wird von der Jury sehr positiv hervorgehoben. Der Platz um den Christusbrunnen erfährt durch die Wiederverwendung des hochwertigen Basalt- und Marmorpflasters eine besondere Betonung.
Die Anhebung des nördlichen Boulevards zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu den angrenzenden Häusern (Wegfall der Eingangsstufe) wird begrüßt. Der Entwurf ist daraufhin zu prüfen, ob die Querneigung des nördlichen Boulevards zur Grünfläche hin eine Barrierefreiheit aufweist.

Die differenzierte Vorplatzgestaltung der angrenzenden Stiftskirche wird über eine einheitliche Pflasterung mit dem Stiftsplatz in Verbindung gesetzt. Die Nachzeichnung des unterirdischen Bodendenkmals durch Sitzelemente und die Herstellung der Zugänglichkeit zum unterirdischen Denkmal wird als gelungener Umgang mit der Stadtgeschichte gewürdigt.

Der Entwurf positioniert viele Wünsche und Nutzungsbausteine aus der Öffentlichkeitsbeteiligung und fügt sie zu einem gelungenem Gesamtkonzept zusammen.

Unter Erhalt der Klarheit der Entwurfssprache ist die fußläufige Durchwegung der Nord-Süd Verbindung auf der östlichen Platzfläche zu verbessern.

Die Jury bemängelt zudem das zentral organisierte Fahrradabstellsystem. Der Entwurf ist um dezentrale Fahrradabstellanlagen für das schnelle Anschließen zu ergänzen. Außerdem ist ein neuer Standort für die Unterflurcontainer vorzuschlagen, der den Anforderungen des ortsansässigen Ver- und Entsorgers entspricht.

Insgesamt zeichnet sich der Entwurf durch zukunftsweisende Gestaltungselemente im Sinne einer klimaresilienten Stadtentwicklung aus und schafft mit verschiedenen Aufenthalts- und Begegnungsräumen neue Nutzungsqualitäten. Es entsteht ein entwicklungsfähiger Beitrag für eine nachhaltige Neugestaltung des Stiftsplatzes.
Blick auf die Stiftskirche St. Johannes Baptist & Petrus

Blick auf die Stiftskirche St. Johannes Baptist & Petrus

Lageplan

Lageplan

Upcycling Material

Upcycling Material

Klima / Ökologie / Vegetation

Klima / Ökologie / Vegetation

Historische Elemente

Historische Elemente

Beleuchtung Sternenhimmelkonzept

Beleuchtung Sternenhimmelkonzept

Detailplan

Detailplan

Möbelkonzept

Möbelkonzept

Regenwassermanagement

Regenwassermanagement

Längsschnitt

Längsschnitt