Nichtoffener Wettbewerb | 11/2024
Neukonzipierung Betriebshof der bonnorange AöR in Bonn
©bbp : architekten bda
Visualisierung
Anerkennung
Preisgeld: 11.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Julia Becker-Vahldieck, Valerie Wieczorek, Jörn Ronschkowiak
Erläuterungstext
Gesamtkonzept und Städtebau
Die Bauaufgabe umfasst die Schaffung eines zeitgemäßen und funktional optimierten Betriebshofes inklusive moderner Arbeitsräume am bestehenden Standort Lievelingsweg unter Einbezug wesentlicher Teile der Bestandsgebäude.
Die Werkstatt bleibt in ihrer bisherigen Form erhalten. Ein C-förmiger Neubau, der Verwaltung, Kantine, Umkleide- und Aufenthaltsbereiche sowie ergänzende Lagerflächen beherbergt, schafft funktionale Verknüpfungen, fasst den Betriebshof räumlich und definiert eine klare Zugangssituation.
Die bisher unzureichende städtebauliche Präsenz der bonnorange am Lievelingsweg wird durch den parallel zu Straße angeordneten, 3-geschossigen Gebäudeteil im Süden deutlich hervorgehoben. Die westlichen und nördlichen Gebäudeschenkel schaffen die Anbindung an die Werkstatt und die nördlich angeordneten Fahrzeugstellplätze. Es entsteht durch diese bauliche Ergänzung sowohl für alle internen und externen Nutzergruppen, als auch für KundInnen eine neue zentrale Adresse des Dienstleistungsunternehmens bonnorange.
Zusätzlich zum neuen Verwaltungsbau wird aufbauend auf dem Untergeschoss der bestehenden Wagenhalle ein neues Parkhaus für Nutzfahrzeuge und PKW errichtet, welches sich über vier oberirdische Geschosse ausdehnt.
Innenraum und Funktion
Der Haupteingang sowie eine torartige Zufahrt für die Nutzfahrzeuge befinden sich im Südwesten des Grundstücks in direkter Anbindung zur Zufahrt der Parzelle und werden mit einem Unterschnitt am Gebäude erkennbar baulich akzentuiert. Die innere Erschließung liegt im „Gelenk“ des Neubaus, damit die NutzerInnen sich von dort in die Funktionsbereiche des Gebäudes verteilen können. Die Kantine mit Multifunktionsraum ist im Erdgeschoss situiert. Über die Vertikalerschließung gelangt man in die zwei darüberliegenden Büroebenen, sowie die im Verbindungstrakt angeordneten Umkleide-, Sanitär und Aufenthaltsbereiche. An der prominenten Position der Gebäudeecke befinden sich in den Obergeschossen die zentralen Besprechungs- und Seminarräume.
Die bestehende Werkstatt wird vollständig erhalten und kann zukünftig weiterhin über die Südseite erschlossen werden, allerdings existiert mit der Neukonzipierung eine Durchfahrtsmöglichkeit in Richtung Norden. Hier wird das Werkstattgebäude durch den Neubau aufgestockt und um Lagerfläche (Ersatzteillager) erweitert. Das Gebäude basiert auf einem Ausbauraster von 1,35 Metern, wodurch eine hohe Flexibilität in der Raumorganisation gegeben ist. Auf dieser Grundlage können insbesondere im Bürobereich verschiedenartige Situationen von Einzel- und Gruppenbüros bis hin zu Open Space-Konzepten mit eingestellten und Besprechungseinheiten realisiert werden. So kann auf Änderungen der Anforderungen während der Nutzungsdauer des Gebäudes reagiert werden.
Das bestehende Untergeschoss von Wagenhalle und Werkstatt wird erhalten und durch eine Änderung der Zufahrtssituation (Rampen) und den teilweisen Neubau einer höheren Geschossdecke als frostfreie Stellfläche für die kleinen und mittleren Nutzfahrzeuge optimiert. Das neu aufgebaute Parkhaus beherbergt im Erdgeschoss alle großen Nutzfahrzeuge, deren Anordnung eine direkte Ein- und Ausfahrt auf das Gelände ermöglicht. Die drei weiteren oberirdischen Parkgeschosse bieten Fläche für insgesamt 300 PKW-Stellplätze.
Konstruktion und Material
Der Neubau der Verwaltung ist in Holz-Beton-Verbundbauweise vorgesehen, um die Vorteile beider Baumaterialien zu nutzen. Der ressourcenschonende Baustoff Holz wird hier mit Stahlbeton im Deckenaufbau verbunden, wodurch Brandschutz und thermische Speicherfähigkeit gewährleistet werden. Außenwände und nichttragende Innenwände sind als Holzrahmenbauelemente mit vorgehängter Fassadenbekleidung aus recyceltem Aluminium konzipiert, was ein hohes Maß an Vorfertigung sowie Material- und Gewichtseinsparungen in der Konstruktion bedingt. Lediglich das Erdgeschoss des südlichen Gebäudeschenkels wird als teilweise zurückspringendes Sockelgeschoss mit Sichtbetonfassade zum Innenhof und im Bereich der Kantine als verglaste Pfosten-Riegel-Fassade ausgearbeitet.
Im Innenraum wird der nachwachsende Rohstoff Holz bevorzugt zum Einsatz kommen und behagliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität generieren. Unterstützt wird dies durch große Fensterflächen, die eine optimale Versorgung der Räume mit Tageslicht und natürlicher Zuluft sicherstellen, Für den sommerlichen Wärmeschutz sind Raffstores vorgesehen.
Das Parkhaus wird als möglichst leichte und offene Stahlkonstruktion geplant. Ein Stahlnetz fungiert als transluzente Hülle und bietet die Möglichkeit zur pflegearmen Fassadenbegrünung.
Alle Dachflächen der Neubauten werden mit extensiver Dachbegrünung und Photovoltaik ausgestattet. Als zusätzlicher Baustein eines zeitgemäßen Wassermanagements wird vorgeschlagen, die Dächer zusätzlich als Retentionsflächen auszuführen.
Bauablauf und Verkehrswege
Die Umsetzung des Bauvorhabens auf dem Betriebshof ist in mehreren Schritten vorgesehen. Zunächst werden das Obergeschoss der Wagenhalle und die TÜV-Halle abgebrochen. Auf der damit gewonnene freien Fläche in der Mitte der Parzelle kann das neue Parkhaus errichtet werden. Die Waschhalle bleibt erhalten. Direkt daneben wird die neue TÜV-Halle mit optimierten Abmessungen ergänzt. Mit der Fertigstellung der neuen Parkflächen können alle PKW und Betriebsfahrzeuge von den Außenflächen des Hofes in die kompakte bauliche Lösung umziehen. Zusätzlich wird eine räumliche Interimslösung für die Büronutzung errichtet, sodass damit das Baufeld für den südlichen Neubau freigelegt wird. Im letzten Schritt werden dann die Verwaltung und die Erweiterung bzw. Aufstockung der Werkstatt gebaut. Parallel zu dem großen Gebäudevolumen werden zusätzlich die Nebengebäude wir die Stellplatzüberdachungen und die Salzhalle errichtet.
Die zentrale Ein- und Ausfahrt des Grundstücks bleibt auch zukünftig erhalten. Anschließend erfolgt jedoch eine Trennung der Betriebs- und PKW-Verkehre. Alle Nutzfahrzeuge gelangen geradeaus durch die Durchfahrt des Neubaus zu sämtlichen Bereichen des Betriebshofes. Alle MitarbeiterInnen gelangen mit PKWs und Zweirädern nach der Einfahrt über die westliche Grundstücksseite zum Parkhaus und nutzen denselben Weg für die Ausfahrt. Kreuzungen werden so bestmöglich reduziert. Der Personenverkehr wird über die neue zentrale Gebäudeadresse und die darauf abgestimmte Zuwegung der Außenräume abgefangen.
Außenraum
Die Positionierung der Büroflächen und der Kantine schafft einen direkten Bezug zum Grünraum im Südosten des Grundstücks. Die Nutzbarkeit und Attraktivität Fläche wird erhöht, es entstehen Pausenflächen unter dem erhaltenswerten Baumbestand.
Nutzungsbedingt wird ein Großteil der nicht überbauten Außenflächen für Verkehrs- und Lagernutzung versiegelt bleiben bzw. werden. Dennoch schafft die Zusammenfassung aller Fahrzeugabstellflächen im Parkhaus sowie die Aufstockung der Werkstatt Raum für eine Ausweitung des Grünraums an den Grundstückskanten. Zusätzlich werden im Übergangsbereich zwischen Parkhaus und Verwaltungsbau Baumneupflanzungen vorgesehen.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Verfasser:innen platzieren um die Bestandswerkstatt geschickt neue Baukörper, die eine gute verkehrliche Erschließung aller Nutzungen auf dem Grundstück ermöglichen. Organisation und Architektur des Verwaltungsbaus sind selbsterklärend und sympathisch. Die Nutzungen in den Obergeschossen sind systematisch geordnet und dennoch gut miteinander verbunden, wodurch Vernetzung und funktionale Verschränkung von operativem und Verwaltungsbetrieb gut gelingen. Insgesamt weist das Ensemble ein hohes Maß an Funktionalität auf.
Das Projekt zeichnet sich durch eine gut nachvollziehbare Anordnung des Entrees für Besucher und eine ruhig vereinheitlichende und angemessene Architektursprache aus. Durch seine Orientierung nach Westen können die Grünfläche zum Potsdamer Platz und die dort befindlichen Satzungsbäume weitgehend unangetastet bleiben. Der städtebauliche Auftakt zum Potsdamer Platz ist allerdings schwach ausgeprägt.
©bbp : architekten bda
Modellfoto
©bbp : architekten bda
Lageplan
©bbp : architekten bda
Grundriss EG / Ansicht West