Nichtoffener Wettbewerb | 05/2022
Neuordnung Quartier "Rosenviertel" in Memmingen
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Ansicht Bahnhofstraße
Preisgruppe
Preisgeld: 17.000 EUR
Stadtplanung / Städtebau
LARS consult Gesellschaft für Planung und Projektentwicklung mbH
Projektentwicklung
Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Aufblühen im neuen Quartier am Stadtgraben
Die neuen Memminger Rosenhöfe, am östlichen Rand der Altstadt, stehen für neue städtische Dichte und Nutzungsvielfalt. Die Erdgeschoss-Zonen bieten Platz für Gastronomie und Einzelhandel und versorgen das neue Quartier sowie die Umgebung. Der Rückbezug auf die ehemalige Stadtmauer öffnet den Städtebau zur Mewo und unterstützt die kulturelle Verzahnung im Stadtraum. Die Adressbildung des ehemaligen Kalchtors wird durch eine Kleinarchitektur hervorgehoben.
Im Süden platziert sich das Hotel als Auftakt und wird mit dem Bahnhof verknüpft. Generationenübergreifendes Wohnen mit der Orientierung in gemeinschaftliche Innenhöfe schaffen Klima-Komfortzonen und generieren ein neues kollektives Gefühl der Nachbarschaft.
Rosenhöfe – Aufblühen im neuen Quartier am Stadtgraben
Wer aufmerksam die Altstadt von Memmingen durchwandert bemerkt eine stadträumliche Eigenheit, welche Gebäude, Straßen und Plätze umfasst. Besonders prägend ist die Ausrichtung der Häuser entlang der mittelalterlichen Straßenführung. In der Regel sind es die schmalgeschnittenen, ortstypischen Parzellen, die giebelständige Häuserreihen entstehen lassen und deren „Gesichter“ die Adressen an den Hauptachsen bilden. Trifft eine Parzelle auf eine Ecklage zeigen sich häufig langgezogene Traufen.
Zwischen den Straßen und Gassen liegen die Memminger Stöcke, weitgehend geschlossene, heterogene und kleinkörnige Quartiersblöcke. Vor- und zurückspringende Gebäudelinien, schmale aneinandergereihte Baukörper mit Steildächern um unregelmäßig geformte Innenhöfe bilden das historisch gewachsene Stadtbild.
Dieses besondere Stadtgefüge nehmen wir auf, interpretieren es neu und schaffen eine aussagekräftige Adresse für das östliche Tor zur Altstadt Memmingens und ein attraktives Leben und Wohnen in der Stadt. Willkommen in den neuen Memminger Rosenhöfen!
Städtebau – Innere Werte schaffen
In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde im Zuge des Eisenbahnbaus nahezu die komplette östliche Stadtbefestigung abgetragen. Lediglich ein kleiner Mauerabschnitt nördlich der Kalchstraße hat die Zeit überdauert. Ihr Verlauf im Plangebiet wird aufgegriffen und so an der neu geschaffenen Häuserflucht entlang der Bahnhofstraße wieder im Stadtbild ablesbar.
Die geplanten Baukörper folgen entlang dieser neuen klaren Stadtkante dem Prinzip der Memminger Stöcke und fügen sich so in das historisch gewachsene Stadtbild. In der Mitte schlägt auf unterschiedlichen Ebenen das grüne Herz des Areals.
Entlang der Bahnhofsstraße betonen giebelständige Gebäude den künftigen repräsentativen Anspruch des neuen Stadteingangs. Das „Neue“ lässt sich mit dem „Vorgefundenen“ ein, ohne auf eine selbstbewusste Eigenständigkeit zu verzichten. Zwischen Kunsthalle, Maxi-Center und Bahnhofsareal gelegen, schaffen wir mit den neuen Memminger Rosenhöfen eine Orientierung stiftenden Trittstein, ein attraktives Entrée und Vermittler zur Altstadt.
Im Sinne einer innerstädtischen, städtebaulichen Dichte orientieren sich die Gebäudehöhen im Wesentlichen am Bestand und liegen im Regelfall bei drei Geschossen plus Dachgeschoss. Zur Heidengasse passen sich die Gebäude durch Reduzierung um ein Geschoss an die angrenzende Bebauung an.
Nutzungen – Vielfalt vereinen
Im Zuge der Neugestaltung entsteht mit Hotel, Gastronomie, Ladenlokalen, Nahversorgern, Co-Working und Wohnen ein heterogener Nutzungsmix, der durch seine Vielfalt gemeinschaftliches Miteinander stärken kann und für Belebung des Stadtviertels sorgt.
Programmatisch teilt sich das Quartier in zwei neue Memminger Stöcke. Als neues Wahrzeichen im Quartier bildet das Hotel im Süden in strategischer Toplage den Auftakt als direktes Gegenüber zum geschäftigen Bahnhof. Zur Steigerung der Attraktivität öffnen sich zur Maximilianstraße zudem großzügige, flexibel teilbare Handelsflächen.
Quartier – Wohnen in der Gemeinschaft
Wir erschaffen Zuhause. Die Anordnung der Wohnräume zielt auf ein neues Miteinander. Nachbarschaft als Haltung schreiben wir GROSS. Gemeinschaftliches, extrovertiertes Wohnen und Leben zu den Wohnhöfen stärken die Kommunikation und Interaktion in der Gemeinschaft, introvertierte Bereiche auf der abgewandten Seite respektieren Privatheit und schaffen notwendige Rückzugsbereiche. Schaltbare Loggien können den privaten Freiraum zusätzlich ergänzen – Wohnen mit Vielfalt.
Die Wohnungsgrundrisse variieren von Single- und barrierefreien Seniorenappartements bis Vier-Zimmer-Wohnungen für Familien. Unser Vorschlag versucht auf die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen. Auf einem modularen System aufbauend, entstehen flexibel zugeschnittene Grundrisse zum Wohnen und Arbeiten mit immer gleichen Versorgungskernen. Dies ermöglicht den Einsatz von Systemnasszellen und macht Bauen wirtschaftlich.
Vereinzelt angeordnete langgestreckte Sitzbank-Blöcke in Ost-West-Richtung stärken diese Orientierung und Verzahnung. Kleinere, den Rosenhöfen vorgelagerte, gastronomisch genutzte Außenräume und attraktive Verkaufsflächen flankieren und beleben den geschaffenen Freiraum an der Bahnhofstraße.
Den bislang wenig attraktiven Freiraum nördlich der Kunsthalle nehmen wir in den neuen Gestaltungskanon auf. Großzügige Sitzstufen zur Gleisunterführung erweitern den nutzbaren Stadtraum an der Kunsthalle. Die barrierefreie Schleife wird in den Kontext eingebunden und wertet die Vegetationsflächen nachhaltig auf.
Ein weiterer Ort zur Belebung des öffentlichen Raums entsteht zwischen Bahnhof und Kunsthalle. Ein großzügiger, multifunktionaler Platz ermöglicht der vorhandenen Gastronomie an der Kunsthalle zusätzliche attraktive Außenbestuhlung. Die Stellplätze werden durch eine Neustrukturierung und zusätzliche Baumpflanzungen in die Gesamtkonzeption des neuen Stadtgrabens eingebunden.
Die Bahnhofsstraße wird auf eine minimale Breite (5,00 m, d.h. 2,50 m pro Richtung sowie zusätzlichen 1,50 m breite Schutzstreifen rechts und links für Fahrradfahrer) reduziert und grenzt sich zu den westlich und östlich liegenden Freiräumen lediglich durch einen Bordstein, der in bestimmten Bereichen abgesenkt wird, ab.
Nachbarschaft in den Rosenhöfen
Die für das Konzept charakteristischen Innenhöfe bilden auf verschiedenen Ebenen die grüne Lunge des Areals und bieten mitten in der Stadt hohe Wohnqualität. Mit nutzbaren Grünflächen und Gehölzpflanzungen entstehen ökologisch hochwertige Freiräume, die Gartenflächen und Spiel- bzw. Gemeinschaftsorte mit verschiedenen Sitzbereichen anbieten.
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebaulicher Grundsatz ist, mit dem Abschluss des Quartieres im Osten den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer aufzunehmen. Dadurch springt die Ostfassade im Gegensatz zur bisherigen Bebauung an der Bahnhofstraße deutlich zurück.
Diese neu gewonnene Freifläche wird mit Bäumen überstellt und führt dadurch die Begrünung des ehem. Wallgrabens von Norden her fort. Die Bahnhofstraße stellt sich somit nicht nur mehr als Straßenraum dar, sondern erfährt eine räumliche Aufweitung, die auch der Mewo-Kunsthalle ein adäquates Vorfeld gibt.
Dieser städtebauliche Grundgedanke wird vom Preisgericht positiv gewürdigt, ist allerdings hinsichtlich der Aufenthaltsqualitäten noch zu präzisieren. Die offene Geste dieser Aufweitung wird noch durch die der Bahnhofstraße zugewandten Giebelfassaden unterstrichen. Die Lochfassade des südlichen Baukörpers Richtung Bahnhofstraße widerspricht allerdings dieser Giebelstruktur.
Die Rosengasse wird annähernd dem Bestand bis zur Bahnhofstraße fortgeführt. Dadurch entstehen zwei baulich getrennte Blockstrukturen, mit privaten und öffentlichen Innenhofbereichen. Die Rosengasse erscheint unattraktiv, auf Grund der im Norden angrenzenden TG-Abfahrt sowie der Rückfassade des Einzelhandels im Süden. Die geringe Breite und die „toten“ Fassaden des Erdgeschosses ermöglichen keine Aufenthaltsqualität, die Ausrichtung zum östlich gelegenen Bahnhofsparkplatz ist städtebaulich zu hinterfragen.
Die Wohnungen sind über innenliegende Laubengänge erschlossen, ihre Freisitze in Form von Loggien orientieren sich dadurch nach außen, was im Bereich der Bahnhofstraße zu erheblichen Lärmkonflikten führen kann.
Die Orientierung der Wohnbereiche zur schmalen Rosengasse erscheint wenig attraktiv. Im Zuge der weiteren Bearbeitung ist die äußere Gestaltung der Gebäude sowie die Materialität der Fassaden und Dachflächen in Anlehnung an die Gestaltungssatzung der Stadt Memmingen weiter zu entwickeln, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Belichtung der Dachgeschosse.
Die Tiefgaragenzu- und ausfahrt erfolgt direkt von der Bahnhofstraße mit ausreichendem Abstand zu den Nachbarknotenpunkten. Die Anlieferung des Nahversorgers erfolgt über die Rosengasse. Das Fahrzeug kann nicht in das Gebäude einfahren, sondern muss in der Gasse entladen werden. Wenden ist nicht möglich, so dass rückwärts ein- oder ausgefahren werden muss. Die Andienung des Fachmarktes ist nicht dargestellt, erfolgt vermutlich direkt über die Maximilianstraße.
Die Lage der beiden großen Einzelhandelsflächen an der Maximilianstraße und der Bahnhofstraße erscheint grundsätzlich möglich. Zugang des Fachmarktes an der Maximilianstraße ist nicht dargestellt. Kleinteilige Ladenflächen an der Heidengasse und Kalchstraße werden als Konkurrenz zur Fußgängerzone eingeschätzt und sind somit nicht erwünscht.
Ein direkter Zugang von der Tiefgarage in den Nahversorger ist nicht dargestellt, aus fachlicher Sicht allerdings zwingend erforderlich. Die zweite Ebene der Tiefgarage erscheint unwirtschaftlich, allerdings wird dadurch der nördliche Innenhof nicht unterbaut.
Das städtebauliche Konzept fügt sich gut in den städtebaulichen Kontext der Altstadt ein. Insgesamt handelt es sich um einen guten Ansatz für die städtebauliche Aufgabe.
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Lageplan
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Grundriss Erdgeschoss
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Grundriss Regelgeschoss
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Ansicht Bahnhofstraße
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Querschnitt
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Quer- und Längsschnitt
©F64 Architekten / Lars Consult / Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
Pictogramme