Die Arbeit differenziert in ihren Vorschlägen zum Realisierungsteil und zum Ideenteil überdeutlich zwischen dem Gelände des historischen Ensembles und dem Gelände entlang der Deutschordenstrasse.
Letzteres wird mit der Setzung einer kammartigen Blockrandbebauung städtebaulich fast isoliert und erscheint durch eine schmale Grün- und Erschließungstrasse vom historischen Ensemble separiert. Die Volumetrie kann das Preisgericht weder städtebaulich, noch in seiner Sinnfälligkeit für die dort abzubildenden Innen- und vor allem auch zwingend erforderlichen Außenräume der Kinderpsychiatrie überzeugen.
Für den Realisierungsteil schlägt die Arbeit damit zwei sehr unterschiedliche Kubaturen vor, die sich wesentlich unterscheiden: Während der Baustein an der östlichen Deutschordenstraße mit seiner Kubatur eindeutig den Auftakt für die kammartige Blockrandbebauung des Ideenteils generiert, fügt sich der südliche Baustein souverän in das historische Ensemble ein. Damit bliebe bei einer Umsetzung des Realisierungsteils der östliche Baustein ein Fragment, welches räumlich skulptural als Einzelbauwerk nicht wirklich überzeugen kann, wiewohl es das Programm des Autismus- und Frühförderzentrums im EG und die Forschung in den oberen drei Geschossen rund um einen Innenhof logistisch machbar abbildet. Jedoch können hier auch die Eingangssituationen und Flurräume nicht überzeugen.
In Bezug auf den historischen Komplex von Martin Elsaesser gelingt es der Arbeit mit ihrem passgenauen Baustein das Ensemble mit seinem Landschaftsraum (unter Wegfall der südlichen Anbauten) auf eine ruhige und selbstverständliche Art zu fassen und zu arrondieren.
Dabei wird die Weitläufigkeit der Anlage einerseits durch die sichtbare zweigeschossige Erscheinung des neuen Bausteins beibehalten, andererseits jedoch durch die topographische Fassung des mittleren Gartens und den versunkenen Freiraum der Akutstation neu artikuliert und zoniert.
Durch die in Höhe und Tiefe versetzten Volumina des neuen Bausteins wird tektonisch mit den Eigenheiten des Elsaesser Ensembles in Dialog getreten.
Der neue Baustein wird innenräumlich an das existente Wegesystem angeschlossen und bietet im 1.OG die Möglichkeit, auch über die innere Erschließung der Seitenflügel des Elsaesser-Baus unmittelbare Übergänge zu ermöglichen. Dieses choreographische System ist eine Affirmation des historischen Haupteingangs, über den das neue Gebäude dann an den Gesamtkomplex angebunden ist. Über einen untergeordneten östlichen Seiteneingang können Mitarbeitende und Forschende das Gebäude betreten. Auf dieser Seite ist in einem geschützten Hof die Notfallaufnahme situiert, die somit ohne Einblicke von der Straße erfolgen kann.
Programmatisch ist das Gebäude zu seinen beiden Längs-Außenseiten über alle Geschosse sinnfällig belegt: Ausnahmslos sind alle Patientenzimmer und stationsbezogene Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume mit Blick zum inneren Garten orientiert, alle anderen Programmbausteine sind straßenseitig abgebildet. Die Qualität der Eingangssituationen durch die notwendigen Treppenhäuser erscheint noch etwas zu pragmatisch – die langen Flure und Wegräume im Haus erlauben zwar Blickbezüge nach außen, die Stützpunkte liegen jedoch suboptimal in Bezug auf die gewünschten Sichtbeziehungen in die stationsbezogenen Außenräume.
Durch die übereinander angeordneten Stationen für die akute und postakute Behandlung sind die jeweiligen Außenräume unterschiedlich ergonomisch angebunden. Der Garten der Akutstation wird über den Aufenthaltsraum betreten, der Gartenteil für die Postakutstation im westlichen Bereich wird primär über eine außenliegende Treppe erschlossen.
Mit ihrer konstruktiven Logik des Holzskelettbaus und ihren seriellen, leicht plastischen Holz-Fassaden generiert die Arbeit eine zurückhaltende, aber auch zu monoton wirkende Anmutung, die jedoch das historische Ensemble aus Architektur und Garten der Moderne als Protagonist würdigt.
Es fällt der fehlende Blickbezug vom Stützpunkt der Postakutstation zum Außenbereich auf. Positiv gesehen wird die zentrale Verortung des Stützpunktes der Akutstation mit Bezügen zu den Stationsfluren und zum Außenbereich, ebenso die sehr geschützte Verortung der Notfallaufnahme. Autismustherapie- und Frühförderzentrum sowie Forschungsbereiche sind funktional entsprechend der Auslobung.
In seiner Kubatur orientiert sich der Entwurf am Bestand und schafft einen angemessenen Rahmen für die Freifläche als südlichen Anschluss. Die vorgesehenen Erschließungsgänge schaffen eine neue Dominante im Garten und verändern seine Struktur maßgeblich. Zudem machen die Gänge Absturzsicherungen notwendig, die zu einer optischen Überfrachtung des bisher freien Gartenraumes führen könnten.
Das Schließen des Hofes bis auf die Außenkanten der vorhandenen Gebäude belässt räumlich die heute prägende großzügige freiräumliche Situation. Unmittelbar dem Gebäude vorgelagert werden drei tiefliegende Gartenräume angeboten, die unterschiedlich dimensioniert sind. Der Akutbereich ist sehr großzügig, der Postakutbereich eher zu gering dimensioniert. Die Notaufnahme im östlichen Hof ist plausibel, jedoch beengt zu erreichen.
Trotz einer gelungenen Grundkonzeption wird durch die zusätzliche Ost-West-Spange der zentrale Gartenbereich gefangen. Die Zugänglichkeit vom neuen Baukörper scheint nur über die Dächer der Gänge gegeben. Es entstehen introvertierte Gartenräume, die der ursprünglichen Freiraumkonzeption widersprechen.
Der durch die bauliche Setzung belassene Freiraum des Ideenteils ist für die Belange der Kinder- und Jugend-Psychiatrie zur Nutzung nicht geeignet, da lediglich ein schluchtartiger Raum zwischen Neubau und Bestand verbleibt.
Die vorgefertigte reine Holzkonstruktion wird positiv bewertet. Zu klären wäre die Ausbildung der Treppenhaus- und Aufzugskerne aus demselben Material. Auf konstruktiven Holzschutz ist insbesondere in den Sockelbereichen zu achten. Aus Sicht des Brandschutzes ist für die Treppenräume und Leitungsschächte im Holzbau auf Baufeld OST eine Abweichung zu beantragen. Qualitätvolle, offene Kommunikationsbereiche sind im Gebäude nur sehr reduziert geplant.
Die Plausibilität einer barrierefreien äußeren Erschließung ist nur bedingt prüfbar und barrierefreie PKW-Stellplätze sind nicht nachgewiesen. Die geforderten barrierefreien 1-Bett-Zimmer mit Sanitäreinheit erfüllen nicht den R-Standard und eine barrierefreie Besucher-Toilette ist in dem Bauteil im Baufeld MITTE nicht vorhanden.
Der Wettbewerbsbeitrag liegt – bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen – in der vergleichenden Kostenbetrachtung über dem Durchschnitt aller Wettbewerbsbeiträge und über dem Wert der Vorgaben aus dem auf den aktuellen Kostenstand angepassten „0“-Projekt.