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Offener Wettbewerb (auch für Studenten) | 11/2022

Peter-Joseph-Lenné-Preis 2022

Die Blumen von Karl Wienke

Anerkennung / Aufgabe B – Chemnitz

Mila Boras

Student*in

Moritz Blüml

Student*in

Djordje Ilic

Student*in

Erläuterungstext

Die Blumen von Karl Winke

Chemnitz hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Die Feiraumachse vom Stumpf der Brückenstraße bis zum Schlossteichareal spiegelt diese Geschichte wieder.

Historische Brüche in der Stadtentwicklung, sowie eine Zerschneidung in einzelne Teilbereiche sind die Folge und ergeben eine unbefriedigende und nicht mehr zeitgemäße Freiraumsituation.

Unser Beitrag „Die Blumen von Karl Winke“ greift diese Thematik auf und ermögliche eine zeitgemäße Nutzung und Ästhetik, bei gleichzeitigem Erinnern an Vergangenes. Das Gesamtkonzept verbindet die Gliederung der drei Teilbereiche in Schlossparkareal, Uferpark und Stumpf der Brückenstraße zu einem Gesamtkonzept, das sowohl kurzfristig, das Erleben Chemnitz als Kulturhauptstadt ermöglicht, als auch in weiterer Folge langfristig wirksam wird, und sich in die umgebenden Strukturen eingliedert.

Chemnitz 2025- Kulturhauptstadt:

Das gesamt Areal wird zu einem BesucherInnenmagnet, der Chemnitz als Kulturhauptstadt, die nötige Wertschätzung sichert. Der Stumpf der Brückenstraße wird zum Startpunkt einer Erlebnistour die Altes und Neues verbindet. Aktuell ist die Situation vor Ort desolat, nahezu das gesamte Areal ist mit Stellflächen zugepflastert. Ein farbliches Raster, mit Rechtecken in Form von Stellplätzen soll auf den Flächenverbrauch durch den MIV hinweisen. Auf diesem Raster schaffen farbliche Markierungen, temporäre Interventionen, sowie Bäume in Pflanztrögen eine belebte Raumsituation, die Zum Aufenthalt und Erkunden einlädt.

Angefangen vom Südosten der Brückenstraße befindet sich als erster Orientierungspunkt ein Infostand, welcher die weiteren Aktivitätspunkte erläutert, und in Verbindung mit einer Entree Situation zum eigenständigen Erleben einlädt. Temporäre Kunstinstallationen geben einen Vorgeschmack, und laden zum Verweilen ein. Ein Wissenspfad, in Form von, an temporären Wänden angebrachten Exponaten, macht Geschichte sichtbar und den langen Weg zur Demokratie auch physisch erlebbar. Auch aktuelle Thematiken finden hier ihren Entfaltungsraum. Der zentrale Platz in der Mitte von Brückenstraße präsentiert sich als ein Ort der Diskussion und Demokratie. Überdimensionale Möbelstücke schaffen ein „Wohnzimmer“ der besonderen Art, welches durch ein gastronomisches Angebot in Form von Food-Trucks maximiert wird. Weiter Richtung Nordwest bietet eine Bühne den lokalen Kulturschaffenden platz sich zu entfalten. als Multifunktionsfläche kann sie auch als Kino, Raum für Lesungen oder für Live- Musik in Anspruch genommen werden.

Dem Geschehen auf der Bühne kann man sowohl von den östlichen Sitzplätzen folgen als auch von einem westlichen Aufenthaltsbereich, welcher durch einen überdimensionalen Schirm als Landmark geprägt ist. Sitzstufen im Nordwesten machen das Wasser erlebbar und laden zum Verweilen ein, für jene BesucherInnen die etwas Kontemplation benötigen. Von hier aus hat man auch schon eine Sichtbeziehung zum Highlight der temporären Interventionen, auf der anderen Seite der Brücke.

Ein Heißluftballon wartet bereits auf die BesucherInnen um sie in luftige Höhen zu heben.

Man kann man Chemnitz von oben erleben und im Sinne von „C the Unseen“ Hotspots im Uferpark und im Schlossteichareal erspähen. Diese Hotspots sind die Blumen von Karl Winke, welche besondere Orte darstellen, auf welchen Interventionen im Zuge der Kulturhauptstadt stattfinden. Die Beziehung zwischen Uferpark, Stadtzentrum und den Schlossbergterrassen wird jetzt erlebbar, und ein großes ganzes Zeichnet sich in seiner Entstehung ab.

Chemnitz 2040

Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025 war ein bewegendes Ereignis. Jetzt folgt die langfristige Adaption der Freiraumsituation, die Blume Karl Winkes sind gewachsen. Der Stumpf der Brückenstraße wurde umgestaltet. Die temporären Installationen zur Zeit der Kulturhauptstadt haben die Akzeptanz in der Bevölkerung geweckt, die MIV-Flächen zu reduzieren. Als sharedspace konzipiert, werden auf dem Platz nur mehr die Zufahrten zu den Wohngebäuden im Süden erhalten, und bis auf ein paar Stellplätze für Car-Sharing und Elektroautos, ist das Gebiet MIV- frei gestaltet. Zentral gelegen fungiert ein Wasserbecken und ein XXL-Tisch, als Nachbarschaftstreffpunkt. Das Wegenetz ist so angelegt, dass es eine direkte Verbindung zwischen dem Quartier und der Straßenbahnhaltestelle im Süden des Gebietes gibt. Auf beiden Seiten des Platzes in der Mitte gibt es Bushaltestellen. Der selbstfahrende Bus ist eine experimentelle Linie, die die Brücken Straße direkt mit der Altstadt verbindet.

Das Fahrradfahren hat im sharedspace System Vorrang vor dem MIV. Ein Anschluss an die Bestandsradwege im Süden ermöglicht ein zügiges passieren in Richtung Uferpark und Stadtzentrum. Die Pflasterung des shredspace besteht aus perforierten Fliesen (Climate Tiles), die für die Aufnahme großer Wassermengen aus Extremwetterereignissen geeignet sind. Anfallendes Oberflächen- und Dachwasser wird zum einen über die Retentionsflächen gespeichert und in den Schwammkörper den Unterbaues integriert. Überschüssiges Wasser wird in einer Zisterne unter dem zentralen Platz eingeleitet, und zur Wasserversorgung genutzt. In der Mitte greifen eine ruhige sowie eine aktive Achse die polygonale Wegeführung des Uferparks auf, und lädt zu verschiedenen Aktivitäten ein, die durch Grünflächen gegliedert sind Im Norden kann man auf einer Promenade gemächlich Richtung Brücke und Chemnitz flanieren. Als Übergang zum Uferpark fungiert ein einladender Platz am Wasser. Die Chemnitz wird erlebbar gemacht und eine Bühne fungiert als Aktivitätsraum und kann im Sinne der Multicodierung und Multifunktionalität bespielt werden.

Aus der Brückenstraße kommend stellt der Platz Entree-Süd den Auftakt in den Uferpark dar. Eine mäandrierende Wegeführung inszeniert die Parklandschaft und schafft immer wieder neue Blickbeziehungen. Das Konzept des Parks ist ein "Park der zwei Geschwindigkeiten" und das Wegesystem ist dazu da, dieses Konzept in seiner besten Form zu vermitteln. Unterschiedliche Materialität der Wege unterstützt dies Konzept, und lädt dazu ein den Park aktiv oder kontemplativ zu Nutzen. Somit ergeben sich verschiedene Nutzungsbereiche, die Joggen, Radfahren und Flanieren genauso ermöglichen wie Parkour, Calisthenics oder Bewegungsspiele. Grünflächen gliedern auch hier die räumliche Struktur und laden zu Aktivitäten ein oder wirken als Abstandsgrün zu privaten Flächen und fungieren als Regenwasserretentionsflächen.

Auf eine Umgestaltung der Schlossparksituation wurde bewusst verzichtet, lediglich wurden mit den „Blume Karl Winkes Interventionsräume geschaffen, um die historisch geprägte Parkstruktur erlebbar zu machen, und als einzelne Interventionsspots an besonderen Orten zu dienen. Das Pflanzkonzept sieht vor, dass die Bestandsbäume als Boten der Vergangenheit erhalten und mit Neupflanzungen kombiniert werden. Hier fungieren klimafitte Arten die in umliegenden Baumschulen aus Samen gezogen und auf Versuchsflächen im botanischen Garten Chemnitz sowie im Kuchenwaldpark versetzt und später in das Wettbewerbsgebiet verpflanzt werden als nachhaltige Neupflanzungen. Diese Baumarten aus dem Ausland sind klimafit und ermöglichen zum einen eine zukunftsfähige und nachhaltig Bepflanzung. Zum anderen fungieren sie aber auch, in einer Stadt, die oft mit Problemen aus rechtem Gedankengut zu kämpfen hat, als Symbol für Multikulturalität und stellen die „Helden“ aus dem Ausland dar, welche im Zuge des Klimawandels als Retter fungieren. Sechs Arten von Gastbäumen wurden für den künftigen Grünen Zug und die Brückenstraße ausgewählt: Bornmuller Tanne, Rumelianische Kiefer, Orientalische Buche, Silberlinde, Libanonzeder und Western Hemlock. Die aus Bulgarien, der Türkei und den USA stammenden Samen werden in der Brückenstraße und im Uferpark gepflanzt und mehrere Jahre lang beobachtet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsarbeit „Die Blumen von Karl Wienke“ fokussiert auf die wesentlichen Kreuzungsbereiche zwischen den vier Teilräumen. Durch wenige Interventionen in den bestehenden Grünanlagen werden die Übergänge und Aufenthaltsqualitäten verbessert. Der Stumpf der Brückenstraße wird zu einem vielseitig nutzbaren Freiraum umgestaltet. Besonders gelungen sind die temporären Entwürfe für das Kulturhauptstadtjahr 2025.

Der Stumpf der Brückenstraße erhält als zentrales Gestaltungselement ein Aktivitätsband, welches sich zwischen den drei bestehenden Baumreihen befindet. Neupflanzungen von Einzelbäumen und Baumgruppen führen zu einer Auflockerung der Raumsituation. Im Zentrum der Straße und zur Chemnitz werden Platzsituationen geschaffen. Schmale Fahrbahnen auf beiden Seiten des Aktivitätsbands werden als Shared Space ausgestaltet und können für den Anwohnerverkehr und ÖPNV genutzt werden. Insgesamt wird dadurch eine hohe Aufenthaltsqualität erreicht, die zum Verweilen einlädt. Allerdings wird die Raumqualität der Neugestaltungen an der kanalisierten Chemnitz kontrovers diskutiert.

Besonders überzeugend sind die Vorschläge zur temporären Gestaltung und Nutzung der Brückenstraße für das Kulturhauptstadtjahr 2025. Es werden einfache, aber sehr wirksame Gestaltungsmittel gewählt, die zu einer deutlichen Aufwertung des Freiraums führen und zudem kurzfristig zu realisieren wären. Die Vorschläge beschränken sich aber nicht auf die Brückenstraße. Im Bearbeitungsgebiet wurden weitere Orte definiert, die bis zum Kulturhauptstadtjahr mit einfachen Mitteln aufgewertet werden können und gleichzeitig einen Zwischenstand auf dem Weg zur endgültigen Gestaltung darstellen.

Der Uferpark wird nur in den Randbereichen umgestaltet. Kritisch wird die Umgestaltung des Kreuzungsbereichs von Promenadenstraße und Erich-Schmidt-Straße zu einem Kreisverkehr bewertet. Dieser Vorschlag zur Verknüpfung von Uferpark und Schloßteichareal wird von der Jury kritisch hinterfragt. Positiv zu bewerten ist hingegen die Verbesserung der Freiraumsituation am Arndtplatz. Auch die Gestaltungsvorschläge direkt am Ufer des Schloßteiches sind für eine Aufwertung des Areals gut geeignet.

Die barrierefreie Zugänglichkeit des Parks der Jugend wird mit Hilfe eines Aufzuges verbessert. Dadurch wird ein weiterer attraktiver Aussichtspunkt geschaffen. Allerdings gibt es für diesen lohnenden Vorschlag geeignetere Standorte als den gewählten.

Die besonders gelungenen Vorschläge zur temporären Gestaltung und Nutzung während des Kulturhauptstadtjahrs überzeugen die Jury zur Würdigung der Arbeit mit der Peter-Joseph-Lenné-Anerkennung.