Quartiersentwicklung Ratingen, Waldquartier Am Sandbach
StÀdtebauliche ErlÀuterungen
Neues stÀdtisches Leben in unwirtlichem Umfeld
FĂŒr die geplante Transformation des Industrieareals âRatingen West IIâ in ein urbanes Quartier kann das GrundstĂŒck zwischen âDechenstraĂeâ und âAm Sandbachâ aufgrund der Zukunfts-Potentiale seiner RĂ€nder eine ideale InitialzĂŒndung sein:
- der Schwerpunkt groĂflĂ€chigen Einzelhandels im Norden mit der Option einer oberirdischen U-Bahn-Haltestelle
- die Renaturierung des Sandbachs im SĂŒden
- der geplante Nord-SĂŒd-GrĂŒnzug im Osten jenseits der heutigen Kultur- und Hochzeitshalle.
Eine solche âInitialzĂŒndungâ wird erfolgreich sein, wenn es gelingt, in das unwirtliche industrielle Umfeld eine glaubwĂŒrdige Zukunftsvision zu implantieren. Hierbei wird â nach einer entschiedenen Abwehr des umgebenden gewerblichen LĂ€rms - das stadtrĂ€umliche âGrĂŒnâ, der Baumbesatz als prĂ€gendes Element und als Antipode der umgebenden industriellen Strukturen eine entscheidende Rolle spielen.
Abwehr des gewerblichen UmgebungslÀrms
Das LĂ€rmschutzkonzept beruht auf zwei grundsĂ€tzlichen MaĂnahmen. Die Abschirmung der gravierenden LĂ€rmquelle im Osten (Hochzeitshalle) ĂŒbernimmt eine in den Obergeschossen geschlossene Bebauung durch lĂ€rmunempfindliche Nutzungen (u.a. Parkhaus), die im ErdgeschoĂ partielle Durchwegungen ermöglicht. GegenĂŒber dem Kraftwerk im Westen und der kunststoffverarbeitenden Industrie im SĂŒden wird durch die Bebauung der erforderliche Abstand eingehalten.
Leitidee â âBewaldungâ des Quartiers
Als prĂ€gendes Identifikationsmerkmal und zur Minderung der örtlichen Klimafolgen schlagen wir ein Mit- und Nebeneinander von stadtrĂ€umlichen âWaldâ-Habitaten und offenen, urban dichten GebĂ€udestrukturen vor. Basierend auf einer grundsĂ€tzlichen GrundstĂŒcksflĂ€chen-Zuordnung entsprechend dem Grad der zu erwartenden bzw. angestrebten Ăffentlichkeit bzw. Privatheit
- âurbanâ geprĂ€gt im Norden bzw. âöffentlichâ im Bereich der west-östlichen RĂ€nder
- âhalb-öffentlichâ im Bereich interner QuartierserschlieĂung
- âprivatâ im Bereich von erdgeschossigen Wohnnutzungen
- âlandschaftlichâ im Bereich des renaturierten Sandbachs im SĂŒden
schlagen wir eine auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmte âBewaldungâ als konstituierende stĂ€dtebauliche Setzung vor.
Offene, urban dichte GebÀudestrukturen
Den örtlichen Gegebenheiten entsprechend erfolgt eine Gliederung des kleinen Quartiers von Norden nach SĂŒden in vier stĂ€dtebaulichen Setzungen mit ihren jeweils spezifischen âWaldâ-Typen:
- Punktförmige StadthĂ€user mit einem urbanen Waldsaum bilden das GegenĂŒber der kĂŒnftigen U-Bahn-Haltestelle
- Eine langgestreckte âbewaldeteâ Parkgarage als RĂŒckgrat des âAktiv- und Spiel-Waldesâ sowie als LĂ€rmschutz gegenĂŒber der Hochzeitshalle
- GroĂvolumige âStadtvillenâ markieren die Ă€uĂeren RĂ€nder der WaldgĂ€rten
- Zeilenbauten auf breiterem Sockel begleiten den Feuchtwald entlang des renaturierten Sandbachs
DachgĂ€rten als höhengliedernde RĂŒcksprĂŒnge
SĂ€mtliche GebĂ€udevolumina verjĂŒngen sich durch explizite RĂŒcksprĂŒnge, die Raum fĂŒr groĂzĂŒgige, intensiv begrĂŒnte Dachterrassen schaffen. Die Lage dieser DachgĂ€rten korrespondiert mit ihrer stĂ€dtebaulichen Bedeutung. So nimmt die Ein- bis Zweigeschossigkeit im SĂŒdwesten Bezug auf die benachbarten Garagenbauten, die Viergeschossigkeit rund um die WaldgĂ€rten Bezug auf die dortige Privatheit und die FĂŒnfgeschossigkeit im Norden auf die Bedeutung der StraĂenfassaden als Schauseite zur urbanen Seite der Stadt.
Konsequenzen fĂŒr StĂ€dtebau und Architektur
Eine Baumdichte, die in der Lage ist, den örtlichen Klimafolgen glaubhaft entgegenzuwirken (Beschattung und Verdunstungs-KĂŒhlung), wird einem lichten Wald Ă€hnlich sein. Eine solche Baumdichte entspricht PflanzabstĂ€nden, die zwischen 5 und 20 m liegen (i.M. also bei 10 bis 15 m), und steht einer Nutzung von Feuerwehr-Drehleitern zur Rettung aus nichtbaulichen Rettungswegen (Fenster, Balkone, Loggien) entgegen. Ein zweiter baulicher Rettungsweg wird somit grundsĂ€tzlich erforderlich sein. Eine solche ErschlieĂung mit 2 TreppenhĂ€usern erreicht eine sehr gĂŒnstige Wirtschaftlichkeit bei GebĂ€ude-GrundflĂ€chen > 500 mÂČBGF, entsprechend 5 bis 6 Wohnungen pro Geschoss.
ErschlieĂung â gliedernde QuartiersplĂ€tze
SĂ€mtliche GebĂ€ude werden â ausgehend von der westlichen DechenstraĂe - ĂŒber den halböffentlichen âAktiv- und Spiel-Waldâ erschlossen, der sich kĂŒnftig bis zum Park auf dem heutigen RegenrĂŒckhalte-Reservoir erstrecken wird. Diese Zone ist motorisiert nur fĂŒr Feuerwehr, MĂŒllabfuhr und Lieferverkehre zugĂ€nglich. Zwei QuartiersplĂ€tze gliedern diesen halb-öffentlichen âWaldâ, bilden unter der Tragstruktur der ehemaligen Werkshallen bzw. unter den Schirmen der BĂ€ume Treffpunkte mit QuartiersbĂ€nken und KinderspielplĂ€tzen.
MobilitĂ€t â Konzept der kurzen Wege
Die motorisierten Parkverkehre konzentrieren sich auf die 4 Parkebenen der Garage mit ca. 320 StellplĂ€tzen fĂŒr die Bewohner (Einfahrt âAm Sandbachâ, Ausfahrt sĂŒdliche DechenstraĂe) und auf die ca. 50 neuen Besucher-StellplĂ€tze entlang des westlichen Quartiersrandes mit jeweils akzeptablen Entfernungen zu den HauseingĂ€ngen. Der Ausfahrtsbereich der Garage kann auch ErschlieĂungsfunktionen fĂŒr eine zukĂŒnftige Wohnbebauung östlich der Garage ĂŒbernehmen.
Sollte sich der individuelle Stellplatzbedarf kĂŒnftig verringern, so bestĂŒnde die Möglichkeit, entweder die oberste Parkebene (wie die Dachebene) zu Wohnzwecken zu nutzen oder den Stellplatzbedarf einer zukĂŒnftigen Wohnbebauung im Osten abzudecken.
Zur weiteren StĂ€rkung alternativer MobilitĂ€tsangebote (neben dem eigenen Fahrrad) befindet sich ein âMobility-Serviceâ im Bereich der Garageneinfahrt. Dort stehen diverse Sharing-Angebote zur VerfĂŒgung und kann auch eine zentrale Paketstation verortet werden.
Belebte Erdgeschosse
Der Bedeutung der Erdgeschosse fĂŒr die âKommunikationâ der GebĂ€ude mit dem öffentlichen und halb-öffentlichen Raum wird besondere Bedeutung beigemessen. So können die Erdgeschosse des âurbanen Waldesâ weitestgehend von LĂ€den und einer Gastronomie bespielt werden, das Erdgeschoss der Parkgarage von den Mietern der Mikro-Gewerbeeinheiten (ab 40 mÂČNF fĂŒr handwerkliche Kleinstbetriebe, GrĂŒnder etc.) und von den Nutzern der wettergeschĂŒtzten Ganzjahres-Freizeitangebote wie Tischtennis und Boule.
Auch die reinen WohngebĂ€ude tragen zur Belebung bei, indem hinter einer Arkade die ebenerdigen Fahrradgaragen der Bewohner und an den frequentierten GebĂ€udeecken sogenannte âaktive Eckenâ vorgesehen werden, in denen gemeinschaftliche Nutzungen der Bewohner wie z.B. kleine WerkstĂ€tten, GemeinschaftskĂŒchen, Homeoffice-/Co-Working-FlĂ€chen oder Hort-Betreuung etc. angeboten werden können.
Nutzungsmix mit maximalem Wohnungsanteil im Quartier
Durch die beherzte Abwehr der externen LĂ€rmemissionen gelingt es, einen optimal hohen Anteil der neuen Obergeschoss-NutzflĂ€chen fĂŒr die dringend benötigten Wohnungen vorzusehen. Dabei gibt es mannigfache Möglichkeiten, die geförderten Wohnungen in die stĂ€dtebauliche Struktur zu integrieren.
Lediglich im Bereich der Garagen-Ein- und -Ausfahrt und entlang des Feuchtwaldes wird auf klassische Wohnnutzungen verzichtet.
Entlang des Feuchtwaldes wird die bewĂ€hrte Kombination der Kita mit den Senioreneinrichtungen vorgeschlagen. Hier nutzen sowohl die Kinder den âFeuchtwaldâ als AuĂenflĂ€che der Kita und als öffentlichen Spielplatz als auch die Senioren den optimal besonnten Ausblick fĂŒr die Loggien ihrer Wohnungen und Pflegezimmer. Die unmittelbare rĂ€umliche NĂ€he von Senioren-Wohnungen und -Pflege verspricht mannigfache Synergien. ErgĂ€nzt werden kann das Senioren-Angebot durch eine Anbindung der Dachwohnungen oberhalb der Parkgarage, deren Ausbildung als ebene âReihenhĂ€userâ besonders attraktiv fĂŒr Ă€ltere Menschen sein könnte, die ihr Einfamilienhaus verlassen möchten.
Familien- und seniorenfreundliche ErschlieĂung der WohngebĂ€ude
Innenliegende GebĂ€udeerschlieĂungen fĂŒr bis zu 60 Parteien bedĂŒrfen einer besonders sorgfĂ€ltigen Planung. Dies betrifft neben einem einladenden Eingangsbereich insbesondere die Belichtung der notwendigen Flure jeder Etage sowie eine Bewohner-freundliche Anordnung der AbstellflĂ€chen fĂŒr Kinderwagen, KinderfahrrĂ€der und Rollatoren. Beides erfolgt hier auf jeder Etage ĂŒber eine Aufweitung des zweiten Treppenhauses, sodass man beim Verlassen des Aufzuges grundsĂ€tzlich unmittelbar ins Freie schauen kann.
Klimaresilienz
Der entscheidende Schritt fĂŒr eine Klimaresilienz des Quartiers ist mit der intensiven âBewaldungâ der FreiflĂ€chen bereits getan. VielfĂ€ltige MaĂnahmen zur RegenrĂŒckhaltung auf DĂ€chern und FreiflĂ€chen kombiniert mit einer gezielten oberflĂ€chlichen und technischen Versickerung im Bereich der FreiflĂ€chen sowie einer Speicherung des Regenwassers in den Untergeschossen der GebĂ€ude (zur BewĂ€sserung in Trockenperioden - Schwammstadt) tun ihr Ăbriges.
DurchlĂŒftung des Quartiers
Die offene Bebauung mit erdgeschossigen GebĂ€udelĂ€ngen von i.M. weniger als 40 m und die Vermeidung von âgefangenenâ Ecken im Stadtgrundriss (die BrĂŒckenfassaden der Garage können bei Entfall der LĂ€rmquelle âHochzeitshalleâ geöffnet werden) ermöglicht eine gute DurchlĂŒftung des Quartiers und vermeidet WĂ€rmestau.
ErlÀuterungen Freiraum
Die Gestaltung der FreirĂ€ume im Entwicklungsgebiet am Sandbach hat zum Ziel einen möglichst hochwertigen ökologischen Freiraum innerhalb der umgebenden Gewerbestrukturen zu schaffen. Ausgehend von den vorhandenen Potentialen des Sandbachs wie auch der im stĂ€dtebaulichen Entwicklungskonzept angedachten GrĂŒnzĂŒgen werden vier standortgerechte Waldtypen entwickelt.
Urbaner Wald
Entlang der Ă€uĂeren RĂ€nder des Quartiers im Westen, Norden und Osten wird ein Urbaner Wald aus kleinen Waldparzellen entwickelt. Diese dicht bepflanzten Parzellen haben GröĂen von wenigen Quadratmeter zwischen den StellplĂ€tzen bis hin zu gröĂeren Pocketparks im Umfeld der nördlichen Randbebauung.
Die FlĂ€chen der Waldparzellen sind nicht betretbar und haben ĂŒberwiegend ökologische Funktionen des Regenwassermanagements im Sinne des Schwammstadtkonzept. Sie speichern NiederschlagswĂ€sser und versickern oder verdunsten die ĂŒberschĂŒssigen Mengen und tragen damit zu einem angenehmen Klima in der stark verdichteten Umgebung bei. Die Artenauswahl der Bepflanzung setzt sich aus standortgerechten klimaangepassten Arten wie Acer x freemanii (Freemanii-Ahorn), Celtis occidentalis (Westlicher ZĂŒrgelbaum), Liquidambar styraciflua (Amberbaum) oder Robinia pseudoacacia (Scheinakazie) zusammen.
Umgeben sind die Waldparzellen von intensiv nutzbaren öffentlichen RĂ€umen mit Angeboten zum Aufenthalt im Schatten der BĂ€ume wie auch offene multifunktionale PlatzflĂ€chen fĂŒr Gastronomie, Veranstaltungen und Feste.
Aktiver Spielwald
Die zentrale innere ErschlieĂung der GebĂ€ude erfolgt in den Achsen des aktiven Spielwalds. Dieser trockenheitsresistente Spielwald enthĂ€lt zwei groĂe öffentliche Spiel- und Sportbereiche im Norden und SĂŒden mit zahlreichen Angeboten zur bewegungsintensiven Freizeitgestaltung sowohl fĂŒr Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sowohl die Spiel- und Sportbereiche als auch die Pflanzinseln sind durch trockene Substrate geprĂ€gt. Sie sind vollflĂ€chig betret- und nutzbar und ĂŒberwiegend mit GrĂ€sern bepflanzt. Die Artenauswahl der Gehölze entspricht dem trockenen eher prĂ€rieartigem Standort mit Pinus nigra (Schwarz-Kiefer), Cedrus libani (Libanon-Zeder), Fraxinus angustifolia (SchmalblĂ€ttige Esche), Carya ovata (Kickorynuss) oder Styphnolobium japonicum (Schnurbaum). Die Baumfassaden des zentralen Bauriegels werden aus Quercus rubra (Roteichen) gebildet.
Analog zum Urbanen Wald sind die Pflanz-, Spiel- und Sportbereiche von intensiv nutzbaren halböffentlichen RĂ€umen mit Angeboten zum Aufenthalt im Schatten der BĂ€ume wie auch offene multifunktionale PlatzflĂ€chen fĂŒr Gastronomie, Veranstaltungen und Feste der Bewohner*innen umgeben.
Gartenwald
Der Gartenwald bildet das private bis halböffentliche Zentrum des Wohnclusters innerhalb des Quartiers. Ein privater Raum aus Terrassen und dichterer Bepflanzung aus GrĂ€sern, Stauden und StrĂ€uchern umgibt jedes WohngebĂ€ude. Daran anschlieĂend bildet ein halböffentlicher Raum aus Spielwiesen und einem Kleinkinderspielbereich das soziale und kommunikative Zentrum fĂŒr die Anwohner*innen. Der gesamte Bereich ist intensiv mit standortgerechten ObstbĂ€umen, BĂ€umen und StrĂ€uchern bepflanzt, so dass ein waldiger eher schattiger Gartenraum als ökologisch hochwertiger Lebensraum entsteht. Da der gesamte Bereich nicht unterbaut ist, werden die anfallenden RegenwĂ€sser ĂŒber Muldenrigolensysteme in den Untergrund versickert.
Feuchtwald
Im SĂŒden des Quartiers wird im Umfeld des renaturierten Sandbachs ein feuchter Wald entlang des Bachs aufgebaut. Auch die privaten AuĂenanlagen der KindertagesstĂ€tte wie des betreuten Seniorenwohnens werden diesem Leitbild entsprechend gestaltet und bieten damit vielfĂ€ltige Möglichkeiten zum Naturerleben im Quartier. Entlang des Bachlaufs bieten verschiedenen Stationen abenteuerliche SpielanlĂ€sse am Wasser. Alle anfallenden und nicht belasteten RegenwĂ€sser werden versickert oder in den Sandbach eingeleitet. Neben den notwendigen bespielbaren GrĂŒnflĂ€chen werden ökologisch wirksame Bereiche als Waldboden und damit nicht betretbar gestaltet. Die Artenauswahl orientiert sich am beabsichtigten Landschaftsbild und besteht aus heimischen Arten wie Prunus padus (Traubenkirsche), Quercus palustris (Sumpf-Eiche), Salix alba (Silber Weide), Sorbus aucuparia (Eberesche) oder Ulmus laevis (Flatterulme).