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Städtebaulich-freiraumplanerisches Werkstattverfahren | 03/2024

Quartiersentwicklung Am Sandbach in Ratingen

Perspektive Platz

Perspektive Platz

3. Rang

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

LAND

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das Sandbachquartier ist der erste Schritt von der Umnutzung des SIEBECK-Areals zu einer langfristigen und großräumigen Transformation des gesamten Gewerbegebiets. Die Herausforderung besteht darin, heute mit den schwierigen Rahmenbedingungen der aktuellen Situation umzugehen und die Qualitäten von morgen schon vorzubereiten bzw. aufzugreifen. Dazu gehört der Umgang mit den quasi umlaufend bestehenden Lärmimmissionen ebenso wie das Mitdenken der geplanten und in späteren Schritten zu realisierenden Grünzüge und Bahnanbindungen. Das Quartier muss dabei zunächst Qualitäten für sich selbst und das Umfeld schaffen - städtebaulich in der Grundhaltung wie architektonisch im Auftritt und in der Grundrissorganisation - um sich anschließend einfach und logisch mit der sich Schritt für Schritt verändernden Umgebung zu verbinden und in sie hineinzuwachsen.
Ein zentraler, urbaner Gemeinschaftsteppich wird von Nord nach Süd ausgerollt und von einem durchgrünten Rahmen gefasst. Hier sitzen alle Baufelder an einem Tisch, hier sind die Adressen, hier bleibt mit der Siebeck Halle die Historie als Produktionsort spürbar und generiert zusammen mit zwei Solitärbauten den besonderen Ort des Quartiers, hier kommunizieren die Erdgeschosse mit dem öffentlichen Gemeinschaftsraum. Durchgrünte Flanken prägen das Quartier: Das Hervorholen des Sandbachs im Süden und seine Einbettung in einen großzügigen grünen Saum, die Kitafreifläche im Südosten mit den Bestandsbäumen. Im Inneren wechseln sich grüne Höfe und Dächer mit Raingardens zwischen den Baufeldern ab. Das Quartier öffnet sich mit zwei Zugängen nach Norden, bindet mit einer Brücke über den Sandbach nach Süden durch und bereitet Ost-West Querungen vor.

RESILIENZ AUF QUARTIERSEBENE
Die Baufelder sind orthogonal und die entstehenden Bauvolumen selbst damit einfach aufgebaut, und bilden damit eine wesentliche Grundlage für einfaches, kostengünstiges serielles und modulares Bauen. Die Siebeckhalle wird erhalten und als überdachter Platzraum weitergenutzt, Materialien werden wo möglich wiederverwendet, sei es baulich oder im Freiraum. Die Zeilenstruktur im Osten ist erweiterbar konzipiert, jede Wohnung hat Bezug zu Grün und Freiräumen, das Gesamtquartier fügt sich robust in die heterogene Gewerbestruktur der Umgebung ein. Statt teurer Tiefgaragen wird zentral geparkt, alle Hauseingänge sind unter 180m erreichbar, Autos bleiben bis auf Andienung und Sonderverkehre konsequent draußen, alle Räume sind Bewegungs- und Freiräume. Vom Kleinkind bis zur Senior:In finden alle Altersklassen im Quartier statt, Wohnraum wird entsprechend zwischen familiengerechter 4 Zimmer Wohnung und 1 Zimmer Apartment angeboten, die Erdgeschosse bieten Raum für Arbeitsräume oder Dienstleistungen und Gastronomie. Ein blaugrünes Konzept zieht sich mit Retentionsbereichen von den Dächern über die Freiräume bis zur Speicherung in Baumrigolen und Zisternen. Kurze Wege im autofreien Quartier machen Erschließungsräume zu Aufenthaltsorten. Neben den klassischen Sharingangeboten bei der Mobilität (car, bike, scooter) besteht auch die Option, das Angebot beispielsweise auf zubuchbare Gästezimmer oder Gemeinschaftsräume in den Erdgeschossen auszuweiten, um bazhalbaren Wohnraum anbieten zu können.

JEDES AN SEINEM PLATZ / KOMBINIERTE TYPEN
Das Seniorenwohnen liegt unmittelbar an der zukünftigen Haltestelle Am Sandbach und orientiert sich mit dem Foyer zur Siebeck-Halle, die auch als freiräumliche Ergänzung dient. Die Zimmer sind in einer ringförmigen Erschließung um den Innenhof organisiert, die sich an Aufenthaltsflächen zur Fassade aufweitet. An der Südseite des Baufelds sind autarke Wohnungen angeordnet. Sie sind über das Erdgeschoss mit dem Seniorenwohnen verbunden und können so als betreutes Wohnen eine Ergänzung zu den 1-Zimmer-Apartments im Norden darstellen.
Am entgegengesetzten Ende im Südosten liegt die zweigeschossige Kita, deren Außenfläche Teil des grünen Saums ist und die über die Brücke von der Dechenstraße angedient wird. Sie ist Teil einer größeren Wohnanlage mit überwiegend Ost-West-orientierten Wohnungen, die zum Gewerbelärm nach Süden und Osten Schallschutzgrundrisse erhalten. Loggien auf der Südseite schaffen ruhige, vom Lärm abgeschirmte Höfe. Ihre Verglasung nach Süden kann im Anschluss an die Transformation der Umgebung geöffnet werden. Ein großzügiger, zweigeschossiger Durchgang verbindet das südliche Entrée über die Brücke mit dem zentralen Freiraum im Quartier. Dieser Baustein bildet den ruhigen Abschluss nach Süden zum Grünzug.
Die Quartiersgarage wird von Westen angefahren und erhält ihre fußläufige Adresse im Norden in der Nähe der zentralen Freiflächen. Zum Quartiersinneren hin ist eine Mantelnutzung aus zwei Häusern mit übereck- oder ost-orientierten Wohnungen und Dachterrassen vorgelagert. Sie beinhaltet zudem Fahrradparken und Ladeinfrastruktur für E-Mobilität.
Die beiden Wohnzeilen im Osten schirmen sich mit Schallschutzgrundrissen zum östlich anschließenden Bestand ab und orientieren sich mit Aufenthaltsräumen und Freisitzen zum zentralen Raum und der Halle. Die Baukörper sind nach Osten erweiterbar, falls die bestehende Kulturloft-Nutzung dort sich entweder in einen Neubau integrieren lässt oder einen neuen Ort findet.
Im Zentrum wird die dreischiffige Bestandshalle geöffnet und als mit Photovoltaik überdachter Freiraum der Treffpunkt des Quartiers: Im Sommer schattenspendend, regengeschützt und gleichzeitig Retentionsvolumen im Starkregenfall, Veranstaltungsort für Märkte und Auftritte das ganze Jahr und im Winter womöglich eine Eisbahn… Begrünt und Energieproduzent. Zwei Solitärbauten ergänzen die Mittelzone. Der nördliche markiert den Zugang in das Quartier, der südliche bildet eine markante Fassung des zentralen Raumes und treppt sich als Terrassenhaus nach Süden ab.

FEUERWEHR UND SONDERVERKEHRE
Eine Feuerwehrumfahrt um den zentralen Raum erreicht alle Gebäude. Im Süden des Seniorenheims und im östlichen Hof des südlichen Bausteins, wo eine Anleiterung einzelner Wohnungen nicht möglich ist, sind Sicherheitstreppenräume oder ein zweiter baulicher Rettungsweg vorgesehen. Dies ist gleichzeitig eine effiziente Noterschließung für Müllfahrzeuge, Be- und Entladen in Sondersituationen, Anlieferung etc.

DER URBANE TEPPICH
ist multifunktional in der Halle, grün zu den Rändern als Vorzone der Gebäude und geht mit den Raingardens in die Tiefe zwischen die Baufelder. Dadurch wird ein Kontinuum geschaffen, auch der kleine Pixel ist Teil einer großen Anlage. Zwischen den Baufeldern verdichten sich die Pixel zu größeren Retentionsflächen, den Raingardens, die sich wiederum mit dem Sandbach im Süden und perspektivisch mit den entstehenden Grünzügen verknüpfen. Wasserkaskaden zur Retention ziehen sich über unterschiedliche Niveaus, Baumpflanzungen sorgen für Verschattung in den Aufenthalts- und Bewegungsräumen, deren Beläge dränfähige sind.

Das neue Sandbach-Quartier öffnet sich trotz des Gewerbelärms auf allen Seiten in die Umgebung. Die erhaltene Halle bildet als begrüntes Solarkraftwerk mit Veranstaltungsflächen den Schwerpunkt des zentralen öffentlichen Raums. Sie prägt dieses Zentrum und die Identität des neuen Quartiers und leitet so aus der industriellen Vergangenheit des Areals in eine grüne Zukunft für die neuen Bewohner über.

Beurteilung durch das Preisgericht

ASTOC Architects and Planners in Zusammenarbeit mit LAND haben mit ihrem städtebaulichen Entwurf einen zentralen großen Raum geschaffen, um den sich Gebäude blockartig gruppieren. Der städtische zentrale Raum wird unter Einbeziehung vorhandener Hallenstrukturen gebildet, was eine große Quartiersidentität verspricht. Dieser Raum wird durch zwei Sonderbauten begrenzt, einem Turm als Eingangsbauwerk und einem sich nach Süden abtreppendem Terassenhaus, die beide in ihrer Position und Ausformung kritisch diskutiert werden. Die Blockbildung der umgebenden Gebäude wirkt sehr städtisch und entspricht nicht dem zu erwartenden Charakter des Gesamtquartiers. Die dichten Blöcke weisen funktionale, gut funktionierende Grundrisse auf, jedoch sind die Erdgeschosszonen, die das Quartier beleben sollen, hauptsächlich mit Wohnungen belegt. Das Seniorenwohnen in direkten Bezug zum Auftaktsplatz und zur zukünftigen Straßenbahnhaltestelle überzeugt nicht, hier wäre eine vielfältigere, dem Quartier zugewandtere Nutzung wünschenswert. Die Erweiterbarkeit der östlichen Riegel bei Entfall der Hochzeitshalle ist schlüssig dargestellt, allerdings wird die Wirtschaftlichkeit der einseitig orientierten Riegel in der ersten Bauphase kritisch diskutiert. Die Zusammengehörigkeit der Gebäude im Süden ist unklar, die Position des Durchgangs nach Süden wird hinterfragt. Auch wird die Laubengangausbildung der äußeren Gebäudeteile kontrovers besprochen. Die Jury würdigt die perspektivische städtebauliche Entwicklung im Zusammenhang mit dem übergeordneten Freiraum, auch der Umgang mit dem Bestand unter Berücksichtigung von Spuren und Relikten der alten Hallenstruktur kann überzeugen. Allerdings erscheint der städtebauliche Ansatz der großen Dichte und hohen Urbanität nicht passend für diesen Ort in Ratingen.
Perspektive Am Bach

Perspektive Am Bach

Lageplan M 1:500

Lageplan M 1:500

Klimaresilienzkonzept

Klimaresilienzkonzept