Nichtoffener Wettbewerb | 07/2024
Quartiersentwicklung Im Rosenfeld in Bonn
©SEETAL | GDLA
Grüner Treff
Anerkennung
Preisgeld: 7.500 EUR
GDLA I GORNIK DENKEL landschaftsarchitektur partg mbb
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Entwurfsidee/ Leitgedanke
Das neue autoarme Bonner Quartier “Im Rosenfeld” ist als besonderes Bindeglied zwischen Natur und Stadt gestaltet. Die städtebauliche Anordnung öffnet sich zur Landschaft hin und schafft Treffpunkte für die lokale Bevölkerung. Im Sinne einer klimabewussten städtebaulichen und freiräumlichen Entwicklung folgt die grundlegende Strukturierung des Gebiets der lokal vorherrschend von Nord nach Süd verlaufenden Luftströmung.
Dabei betont die Freiraumgestaltung die Verbindung von urbanem Lebensstil und Naturverbundenheit, indem sie Landwirtschaft und urbanes Grün integriert und die umliegenden Grünflächen einbindet.
Eine zentrale Rolle spielt dabei das "Urbane Grün", eine Ost-West-Achse bis zum "Grünen C", die als ökologisches Bindeglied zwischen den verschiedenen Bereichen des Rosenfelds fungiert und Raum für Begegnungen und Naturerlebnisse schafft. Die Grundschule und die Kita sind hier quartiersübergreifend gut erreichbar platziert.
Städtebauliche und freiraumplanerische Einbindung/Qualitäten
Ergänzend zu den o.g. räumlichen Einbindungen wird die Atmosphäre des bestehenden Stadtteils im neuen Quartier weitergeführt bzw. -entwickelt:
Die charakteristische Gestaltung der Wegeführung in Buschdorf findet sich in den abknickenden Hauptwegen des neuen Quartiers wieder.
Die Traufhöhen der neuen Gebäude orientieren sich am Bestand. So wird eine ähnliche Wahrnehmung des Stadtraums erreicht. Eine effiziente städtebauliche Entwicklung wird trotz einer Vielzahl von Baukörpern mit vergleichsweise geringen Traufhöhen durch besondere Gestaltung der Dachgeschosse erreicht.
Im neuen Quartier wird eine freiräumliche Struktur mit privaten Gärten und belebtem Straßenraum geschaffen. Im Bestand findet sich wiederholt bei Anhäufungen von Hauseingängen eine solche freiräumliche Qualität. Diese wird im Entwurf weitergeführt und durch entsprechende Gestaltung des Straßenraums als Aufenthalts- und Begegnungsort gestärkt. Auch bekommen beispielsweise die Erdgeschosswohnungen von Mehrfamilienhäusern jeweils einen eigenen Zugang.
Bebauungsstruktur und Raumbildung
Die Baufelder im neuen Quartier lassen die Unterbringung verschiedener Wohnbauformen zu. Das Projekt gibt bewusst keine Strukturen mit gemeinschaftlichen Wohnhöfen vor. Zwar sind diese grundsätzlich möglich, jedoch strebt der Entwurf an, den autoarmen Straßenraum als Lebensraum zu erkennen und entsprechend dieser Funktion zu gestalten. Durch eine Multikodierung des Straßenraums bleibt die Gestaltung der privaten Gärten für verschiedene Bedarfe flexibel.
Im Entwurf sind Mehrfamilienhäuser in Form von Punkt- oder Zeilenbauten sowie Einfamilien-/Doppelhäuser in Form von (gestapelten) Reihen- oder Stadthäusern vorgesehen. Das Konzept lässt bezüglich frei finanziertem oder gefördertem Wohnungsbau genügend Spielraum für die architektonische Ausführung.
Öffentlichen Räume
Die Gestaltung des öffentlichen Raums vereint urbanes Flair und natürliche Atmosphäre. Sie betont die Verbindung zwischen Landwirtschaft, urbanem Grün und umliegenden Biotopen. Das „Urbane Grün“ ist eine wichtige Freiraumverbindung und Lebensraum für Flora und Fauna des Bestandes. "Grüne Treffpunkte" als kleine Plätze verbinden Kulturlandschaft und Nachbarschaft mit Sitzgelegenheiten, Pflanzen und Bäumen.
Blühstreifen, Gehölze und Privatgärten fördern die Biodiversität in den Bereichen der „Freiraumarme“. Die Gestaltung des öffentlichen Raums schafft eine einladende und lebendige Atmosphäre.
Mobilitätskonzept
Das neue Quartier ist als autoarmes Gebiet geplant, in dem der Straßenraum vorwiegend als Shared-Space gestaltet wird. Die Quartiersgarage im Energiehaus bietet Stellplätze und zusätzliche Services wie Car-Wash und Fahrradwerkstatt. Mini-Hubs im gesamten Quartier bieten spezielle Stellplätze für Familien und Mobilitätseingeschränkte sowie Sharing-Angebote und Paket-Stationen. Eine Bushaltestelle am Quartiersauftakt sorgt für eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Das Mobilitätskonzept fördert die Nutzung von Fahrrädern und reduziert die Abhängigkeit vom eigenen Auto. Ziel ist es, den ruhenden Verkehr zu minimieren und umweltfreundliche Mobilitätsalternativen zu unterstützen. Durch die Integration von Sharing-Angeboten und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln wird die Lebensqualität der Bewohner erhöht. Die dezentrale Platzierung von Fahrrädern erleichtert deren Nutzung im gesamten Quartier. Insgesamt wird eine lebendige und sichere Straßenumgebung geschaffen. Das Konzept trägt zur Verbesserung der Lebensqualität und zum Umweltschutz bei.
Funktionale Anforderungen
Die sechsgruppige Kita wird im ersten Bauabschnitt in den ersten zwei Geschossen eines Wohngebäudes untergebracht.
Die Grundschule befindet sich im eigenen Baufeld westlich der Kita. Im Bereich der Klassenzimmer ist sie dreigeschossig hoch, während weitere Räume in zweigeschossig hohen Baukörpern untergebracht sind. Die durchgesteckte, erdgeschossige Mensa verbindet den Schulhof mit dem benachbarten Skatepark. Die Sporthalle befindet sich über der Mensa und hat einen eigenen Zugang, sodass sie unabhängig von der Schulnutzung, z.B. durch Vereinsmitglieder, genutzt werden kann.
Unterschiedliche Wohnformen finden sich sowohl auf der Quartiersebene als auch innerhalb der Baufelder, um eine möglichst hohe soziale Durchmischung zu erreichen. Ebenfalls können einzelne Gebäude einen Wohnformen-Mix beinhalten. Die Zusammensetzung der Wohneinheiten-Typen ist unter Berücksichtigung der Bedarfe von Buschdorf geplant.
Im Süden schafft die Bebauung den notwendigen Lärmschutz für das neue Quartier. Hier sind verschiedene Nutzungen wie beispielsweise Wohnen, Schule und Quartiersgarage vorgesehen. Letztere verfügen auf ihren Dachflächen über urbane landwirtschaftliche Nutzungen, sowohl im Freien als auch in Gewächshäusern. Die zurückgesetzten oberen Geschosse schaffen unter Beachtung der umgebenden Traufhöhen die notwendige Höhe für den Lärmschutz des Quartiers.
Nachhaltigkeit
Das multifunktionale „Energiehaus“ ist der Motor für die Schaffung eines nachhaltigen Quartiers: Energiezentrale, Südfassade mit Photovoltaik, geothermisches Sondenfeld, Stromspeicher für das Stromnetzmangement-System, Lebensmittelproduktion.
Der Bodenwert der bestehenden Landwirtschaftsfläche kann für die zukünftige urbane Landwirtschaft, z.B. in den Gewächshäusern des Energiehauses, genutzt werden.
Kompakte Wohngebäude in Niedrigstenergiebauweise sollen hohe, nachhaltige Standards für die Wärmedämmung erfüllen und durch eine klimaaktive Planung vor sommerlichen Hitzespitzen geschützt werden. Eine Solarvepflichtung wird empfohlen.
Die soziale Nachhaltigkeit wird u.a. durch die Schaffung von Begegnungsorten gefördert, wie beispielsweise Nachbarschaftsplätze und umgebende wohnergänzende sowie nachbarschaftliche Erdgeschossnutzungen.
Klimaanpassung / Klimaresilienz
Die kleineren Frischluftschneisen oder Windströme von Nord nach Süd verbessern die Luftzirkulation in der Stadt. Freiraum-Arme fördern die Durchlüftung, reduzieren Luftschadstoffe und stabilisieren das Mikroklima. Baumpflanzungen entlang des "urbanen Grüns" und der Freiraum-Arme unterstützen die Verdunstung und verbessern die Luftqualität. Dachbegrünungen und Grünflächen dienen der Regenwasserrückhaltung und der Reduzierung von Hitzeinseln. Fassadenbegrünungen tragen zur Klimaanpassung bei, indem sie die Temperatur in Gebäuden senken. Wasserspielbereiche im Sommer haben einen kühlenden Effekt auf das Mikroklimas des Quartiers. Die Grünvernetzung fördert die Biodiversität zwischen dem "Grünen C" und dem "Urbanen Grün". Der Lebensraum für verschiedene Tier- und Insektenarten wird berücksichtigt und in die Planung integriert. Grünräume ermöglichen die Einrichtung von Biotoptrittsteinen, die mit dem "Grünen C" verbunden sind.
Regenwassermanagements
Ökologisches und nachhaltiges Regenwassermanagement ist im neuen Quartier maßgebend. Regenwasser-Speicher-Zisternen helfen Ressourcen zu schonen und Abwassersysteme zu entlasten. Das Quartier "im Rosenfeld" soll dieses Prinzip nutzen. Mulden-Rigolen-Systeme im "Urbanen Grün" reinigen und versickern Regenwasser effektiv. Sie nutzen Pflanzenwurzeln und Substrate zur Reinigung. Temporär überflutete Mulden bieten natürlichen Rückhalt bei Starkregen. Grauwassernutzung reduziert Trinkwasserverbrauch und ökologischen Fußabdruck. Regenwassermanagement bietet viele Lösungen für Stadtentwicklung und -reinigung. Diese Maßnahmen entlasten Abwassersysteme und fördern Nachhaltigkeit. Die Umsetzung im Quartier Rosenfeld ist ein Beispiel dafür.
Beurteilung durch das Preisgericht
Leitidee / Vision
Die Formulierung einer zentralen Freiraumerschließung mit einem Auftakt als Verbindung zum grünen C schafft eine klare Gliederung in zwei Quartiere, die durch einen Erschließungs-U miteinander verknüpft werden. Dies ergibt eine klare Baufeldstruktur, die mit der vorgeschlagenen differenzierten Gebäudetypologie eine robuste städtebauliche Grundstruktur ergibt und in ihrer Körnigkeit eine Anschlussfähigkeit zu Buschdorf aufweist. Der gute Ansatz wird jedoch durch schwach ausformulierte Freiräume konterkariert.
Städtebau
Die Baufelder weisen eine klare Adressbildung mit klar zugeordneten öffentlichen und privaten Freiflächen auf. Die vorgeschlagene Bebauungsdichte ist deutlich unter dem Durchschnitt und schöpft das mögliche Wohnungsbaupotenzial nicht aus. Es werden differenzierte Gebäudetypologien von 2-5 Geschossen vorgeschlagen, deren Realisierung in verschiedenen Bauträgerschaften möglich ist. Die Wirtschaftlichkeit der vorgeschlagenen Punkthäuser wird hinterfragt. Die Wohnzeilen im Süden in Verbindung mit den Lärmschutzelementen werden als wirksam gelesen, bleiben aber schlussendlich städtebaulich eine abgelöste Struktur. Die lebendige, dynamische Struktur bietet zudem die Flexibilität bei Beibehaltung der städtebaulichen Konzeption noch stärker zu verdichten.
Grün-/Freiraum
Die Qualitäten des zentralen urbanen Grüns werden hinterfragt aufgrund der geringen räumlichen Fassung und ob es angesichts der Dichte als urban gelesen werden kann. Gleichzeitig bietet dieser jedoch entwicklungsfähiges Potenzial zur Anbindung Buschdorfs als qualitätvoller zentraler Boulevard. Es werden Aussagen zur Qualifizierung und Nutzung des öffentlichen Raums hinsichtlich gemeinschaftlicher Treffpunkte vermisst, insbesondere entlang der intern erschließenden U-Verbindung. Sämtliche privaten Freiräume werden als private Flächen ausgewiesen. An der südlichen Kante wird eine Biotopfläche hergestellt, die in ein Biotopnetz eingebunden ist, welches unterschiedliche Habitate anbietet. Die Sammlung von Garten- und Parkabfällen am Siedlungsrand überzeugt weniger.
Mobilität und Verkehr
Die Erschließung erfolgt über eine gabelartige Erschließung mit Sackgassen, einem Mobilitätshub im Süden und kleineren Mini-Hubs im nördlichen Teil für Sharing-Angebote Dies wird als funktional angesehen. Die Bushaltestellen werden funktional am zentralen Eingangsbereich verortet.
Nutzungen, Soziales, Bildung und Kultur
Die Bebauung aus Handwerkerhöfen, kombiniert mit dem Energiehaus mit Parken an der südlichen Kante sichert den Lärmschutz und schlägt zugleich eine aktive Nutzung desselben vor. Kritisiert wird das Abrücken des Parkens von der Schickgasse, die Funktion des Schulbaus als Lärmschutz und dass diese bereits im ersten Bauabschnitt realisiert werden soll. Gleichwohl ist die Realisierung des Schulbaus nicht als Lärmschutz für die dahinterliegende Wohnbebauung notwendig. Der Vorschlag im Energiehaus einen Jugendclub mit einen Skateplatz zur lärmgewandten Seite für Jugendliche anzubieten wird positiv angenommen. Der Kitabereich ist gut gelöst. Hinterfragt werden die gemeinschaftlichen Angebote am Ende der Erschließungsstraßen am Übergang zum Freiraum. Neben Geschosswohnungsbau und Reihenhäusern werden auch Sonderwohnformen angeboten, wie Senioren-WG, temporäres Wohnen und Wohnen und Arbeiten, die zu einer sozialen Mischung führen können.
Klimaschutz und Stadtklima
Die zusammengefassten Grünräume der Baufelder werden hinsichtlich ihrer klimatischen Wirksamkeit positiv bewertet. Die kaskadisch angedachte Wassermanagement ist nachvollziehbar, ebenso die vorgeschlagene Durchlüftung. Die grundsätzliche Möglichkeit der Energieversorgung des Quartiers wird positiv aufgenommen. Ob die erzeugte Energie ausreichend für das gesamte Quartier ist, kann aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht überprüft werden.
Sonstiges:
Die vorgeschlagene Phasenentwicklung ist unklar, durch die gemischte Bezeichnung von Baufeldern und Bauabschnitten. Dadurch ist nicht ablesbar, wieviel Wohnungsbau in der ersten Phase hergestellt werden kann.
Alles in allem stellt die Arbeit einen interessanter Beitrag dar.
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