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Einladungswettbewerb | 12/2022

Quartiersentwicklung Insterburger Straße in Dortmund

Lageplan M500

Lageplan M500

2. Preis

Preisgeld: 22.000 EUR

scape Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das Quartier Insterburger Straße mit seinen typischen Zeilen- und Punktbauten der 1960er Jahre, großzügigen Grünräumen und dem wertvollen Baumbestand besitzt ein großes freiraumplanerisches und ökologisches Potential, das es zu entwickeln gilt. Seine Grünstruktur und baumreiche Umgebung, die guten Anbindung an die Innenstadt und das Huckarder Zentrum bilden weitere charakteristische Qualitäten. Im Zuge der IGA 2027 gewinnt der Standort durch die gute Erreichbarkeit des Ausstellungsbereich an der ehemaligen Kokerei zusätzlich an Attraktivität. Auch der Klimawandel stellt die Planung vor neue Herausforderungen, die in Städtebau und Freiraumplanung Berücksichtigung finden müssen.

Die vorhandenen großmaßstäblichen Strukturen des Städtebaus werden durch das Grünkonzept aufgelockert und belebt. Grundidee ist es, die bisher undefinierten Freiräume klar zu zonieren: Die durch den Städtebau und die Achse der Insterburger Straße vorgegebene Ost-West- Ausrichtung des Quartiers wird durch die Ausbildung von vier thematischen Bändern aufgenommen, die das Quartier neu mit den umgebenden Räumen und seiner landschaftlichen Umgebung verknüpfen und gleichzeitig klare Quartierseingänge schaffen. Jeder Bereich erhält durch seine räumliche stark pflanzenbetonte Gestaltungssprache, die das Erlebnis der Jahreszeiten zum Thema macht, einen eigenen unverwechselbaren Charakter.

Aktivband – FRÜHLING
Im Norden der Siedlung wird parallel zur Insterburger Straße ein Aktivband mit vielfältigen Spiel-, Treffpunkt- und Bewegungsangeboten aufgespannt, das sich konsequent am vorhandenen Ost-West ausgerichteten Zeilenwohnungsbau orientiert. Das Rückgrat des Aktivbandes bildet eine autofreie, nur Lieferverkehren, Fußgängern und Radfahrern vorbehaltene Achse, an die Spiel- und Bewegungsangebote, Aufenthaltsbereiche und kleine Sportfelder angedockt sind. Das Pflanzkonzept baut auf ein intensives Blüten- und Grünerlebnis im Frühjahr: Baumreihen aus Zierkirschen, frühblühende Stauden und Obstbäumen unterstreichen zusammen mit weiteren Frühlingsblühern den frühlingshaften, heiteren Charakter und werten die strenge Zeilenbebauung auf.

Gartenband – SOMMER
Im Zentrum des Quartiers wir ausgehend von den bestehenden Bau- und Hofstrukturen ein Gartenband ausgebildet. Es erstreckt sich parallel zum Aktivband und zur Insterburger Straße und verbindet bestehende und geplante Wohn- und Dienstleistungsgebäude neu miteinander. Die von Mieter- und Gemeinschaftsgärten geprägten Gartenhöfe öffnen sich zur Insterburger Straße. Öffentliche Pflückgärten, Mietergärten und Aufenthaltsbereiche im Grünen werden zu Treffpunkten für die Nachbarschaft und alle, die Freude an der Ernte von Obst und Gemüse und nachbarschaftlichen Treffen im Freien haben. Auch die Wünsche und Initiativen der Bewohnerinnen und Bewohner sollen in die Gestaltung des jeweiligen Nachbarschaftshofes einfließen und schaffen Identität und Zusammenhalt.

Entlang der Insterburger Straße werden kleine Entréeplätze angeordnet, die die neuen Wohnbauten passepartoutartig einrahmen. Der zentrale Quartiersplatz an der Insterburger Straße erstreckt sich über die Rastenburger Straße hinweg. Zentrales Element auf dem Platz und Anlaufstelle für alle Bewohner/innen des Quartiers ist das neue Verwaltungsgebäude der Vonovia. Es wird als von innen begrüntes Glashaus mit eingestelltem Gebäudekubus konzipiert, das sich sowohl zur Gartenseite als auch zur Platzseite öffnet. Eine Intarsie aus großformartigen Natursteinplatten hebt die neue Mitte des Quartiers hervor. Durch die multifunktionale Gestaltung können hier u.a. nachbarschaftliche Sommerfeste und Weihnachtsmärkte stattfinden. Bänke, Sitzelemente und ein Wasserspiel runden das Angebot ab und laden zum Verweilen ein.

Landschaftsband – HERBST

Rund um die Punktbebauung im Süden laden ökologisch hochwertige Wiesen und Biotope ein, die Natur zu entdecken. Sie bieten Flora und Fauna Raum zur Entfaltung. Naturnahe Spiellandschaften vermitteln den Kindern den richtigen Umgang mit der Umwelt. Eine sanft modellierte Wiesenlandschaft setzt neue ästhetische Akzente im Sinne einer erlebbaren Stadtnatur. Feuchte Wiesenbereiche, Langschnittwiesen und mit Gräsern und Schilf bepflanzte Sickermulden bieten Rückzugsräume für die Natur und sorgen für Erholung und Naturerleben in der Stadt. Die geschwungene Linienführung der Haupt- und Nebenwege öffnet spannungsreiche Blickbeziehungen in die Landschaft. Die Hauptwegeverbindung bindet alle Punkthäuser für den Müll- und Lieferverkehr an und dient gleichzeitig als Hauptfuß- und Radfahrachse. Im Herbst entfaltet das Landschaftsband durch die herbstlichen Blütenstände und die besondere Laubfärbung seinen ganz eigenen Charme.

Waldband – WINTER

Der Waldrand bildet das ökologische Rückgrat und den südlichen Abschluss der Siedlung. Verschlungene Wege führen zu naturnahen Waldspielangeboten, dichten Gehölzbereichen und kleinen Lichtungen. Der wertvolle Baumbestand bleibt unangetastet. Die Schnee behangenen Äste der Gehölze bilden im Winter interessante Strukturen. Durch das diffferenzierte Vegetationskonzept können die Bewohner/innen den Rhythmus der Natur in ihrer ihr eigenen Dynamik und Eigenart erleben. Vormittags ernten sie in der Morgensonne Früchte und Gemüse, Mittags gehen sie am schattigen Waldrand durch die ökologisch wertvolle Wiesenlandschaft spazieren und abends spielen sie bei angenehmen Temperaturen der untergehenden Abendsonne Basketball mit Freunden.

Zonierung
Der Freiraum ist klar zoniert. Das in öffentliche, halböffentliche und private Freiräume abgestufte Freiraumkonzept bildet den Rahmen für Begegnung, sozialen Austausch und lebendige Nachbarschaft. Gärten und private Terrassen am Haus und Balkone sind der private Rückzugsraum der Bewohner. Um einen natürlichen Abstand zu erzeugen wird ein Saum aus Gräser- und Stauden um die freistehenden Gebäude angelegt und gepflegt. Der hausgemeinschaftliche Kontakt bildet die zweite Stufe und wird durch gemeinschaftliche Gärten, Treffpunkte, sowie Sitz- und Aufenthaltsangebote an den Eingängen gefördert. Hier treffen sich Nachbarn im Alltag nach dem Einkaufen und unterhalten sich über die neusten Ereignisse. Die größte Öffentlichkeit findet sich auf den Hauptwegen, Plätzen, Wiesenflächen sowie der Aktivachse. Man verabredet sich, um auf dem Rundweg zu Flanieren, im Aktivband Sport zu treiben, auf den Parkwiesen zu picknicken oder auf dem Quartiersplatz die Sonne zu genießen.

Nachhaltigkeit
Zur Schaffung einer resilienten Freiraumstruktur und um den Anforderungen an den Klimawandel gerecht zu werden, werden verschiedene Maßnahmen getroffen. Um immer stärkeren und häufigeren Starkregenereignissen zu begegnen, soll das anfallende Regenwasser dezentral aufgefangen und nutzbar gemacht werden. Der Niederschlag auf Dächern und Straßen wird in Baumrigolen, Mulden und Zisternen geleitet. An sonnigen Tagen kann so das Wasser auf den Gründächern und in den Mulden verdunsten bzw. versickern, wodurch das Mikroklima verbessert wird. Bäume können das Wasserreservoir in den Rigolen bei Hitze nutzen, um sich weiter zu versorgen. Zisternen bieten die Möglichkeit, Gärten und Pflanzflächen zu bewässern ohne neues Frischwasser verbrauchen zu müssen. Eine möglichst geringe Versieglung hilft dabei, Niederschlag dem Wasserkreislauf der Natur wieder zuzuführen. Durch die extremen Bedingungen sind aber auch Flora und Fauna gefährdet. Bei der Baum- und Pflanzenwahl werden sowohl heimische als auch zukunftsfähige, klimaangepasste Arten verwendet. Der Baumschnitt wird in kleinen Biotophaufen zusammengelegt, um Insekten und Kleintieren einen geschützten Ort zu bieten – die Biodiversität wird gestärkt und erhalten. In den bepflanzten Regenwassermulden bleibt es länger feucht, wodurch neue Lebensräume für Amphibien und Echsen entstehen.

Mobilität
Die benötigten Stellplätze werden entlang der Straßen, als Sammelstellplätze in Gebäudenähe und in drei begrünten Parkdecks verortet. Optional ist auch vorstellbar die Parkdecks zu erweitern, um die Achse der Insterburger Straße von ruhendem Verkehr zu entlasten. An der Nordostseite der Insterburger Straße befindet sich ein Fahrradhub mit Ladensäulen für E-Bikes. Den Eingangsbereichen der Wohnbauten sind weitere Fahrradstellplätze zugeordnet. In Boxen, die in nächster Nähe zu Neubauten und Aufstockungen aufgestellt sind, werden Müllcontainer und überdachte Fahrrad- und Lastenradstellplätze organisiert. Durch die breite Hauptwegeverbindung im Landschaftsband, können sowohl Müll- als auch Feuerwehrfahrzeuge die vorhandenen und neuen Punkthäuser andienen. Rasenfugenpflaster rund um die Neubauten bietet der Feuerwehr die Möglichkeit, sich aufzustellen und anzuleitern. Eine gezielt eingesetzte, intelligent gesteuerte Beleuchtung sorgt für Sicherheit auf den Hauptwegeverbindungen und Plätzen.


Das Freiraumkonzept schafft vielfältige Spiel-, Erholungs- und Naturräume für alle Generationen. Es setzt neue Maßstäbe in Hinblick auf die Neuordnung und gestalterische und ökologische Aufwertung der Grün- und Freiräume eines nachverdichteten Quartiers der 1960er Jahre und belebt und ergänzt den großmaßstäblichen Gebäudebestand durch eine lebendige, auf die Prozesse und Dynamik der Natur ausgerichtete Freiraumgestaltung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Leitbild des freiraumplanerischen Konzeptes einer Ausbildung von vier themenbezogenen Freiraumbändern ist sehr prägnant und erscheint (auf den ersten Blick) sehr identitätsstiftend.
Die vier Themen mit einem Jahreszeitenbezug, entwickeln sich räumlich zugeordnet von Nord nach Süd und lassen eine spannende Umsetzung dieser Idee in der Ausarbeitung vermuten.

Den vorhandenen städtebaulichen Strukturen folgend werden mit dem 1. nördlichen Band (Frühling) und dem 3. Band (Herbst) jeweils Erschließungsachsen als Fuß- und Radwegeverbindung entwickelt. Das zentrale Gartenband (Sommer) gestaltet die Innenhöfe aus, während das Thema Wald (=Winter) im südlichen Band folgerichtig verortet wird. In den genannten Bändern sind interessante und in Summe ausreichende Angebote für die Mieter vorgesehen, die von den Verfassern als Ziel definierte Vorstellung der klaren Zonierung ist deutlich ables- und nachvollziehbar.

Im Bereich des zentral gelegenen Kreuzungspunktes Insterburger Straße / Rastenburger Straße ist der Quartiersplatz mit zusätzlichen Angeboten und einer weiteren baulichen Ergänzung angedacht. Die ausgewählte Lage wird der Aufgabe gerecht und positiv beurteilt.

Während die freiraumplanerische Struktur in den beiden nördlichen Bändern einem linearen Gestaltungsprinzip folgt, wird im Bereich der höheren Geschoßwohnungsbauten für das Wegesystem ein landschaftlicher Duktus gewählt, direkte Erschließungen der Gebäude fehlen. Die Jury bezweifelt, ob die intendierte Idylle in Zeiten von stündlich anfahrenden Paketdiensten etc. erreicht werden kann.

Der Aufwand zur Herstellung des Weges vor den Hochgeschossern wird hinsichtlich der Erschließungsfunktion als sehr hoch angesehen, dass das vorgeschlagene Konzept nicht den Ansprüchen (auch der Bestandsmieter) gerecht wird. Die Gestaltung kann zu Konflikten mit der Nutzung führen.

Der komplette Umbau der Insterburger Straße und die Verlagerung der Stellplätze in den öffentlichen Straßenraum wird durch das Preisgericht kritisch gesehen. Die nachzuweisende Zahl der Stellplätze auf den privaten Grundstücksflächen ist so nicht gegeben und nur mit einem großen Eingriff in das Entwurfskonzept zu heilen. Folgt man dem Gedanken einer maximalen Reduzierung des MIV’s so sollten Antworten im Zuge eines Mobilitätskonzeptes gegeben werden. Die Aussagen des Verfassers diesbezüglich ist nicht ausreichend.

Insbesondere die aufgezeigten Angebote und die angedachte Struktur der Höfe südlich der Insterburger Straße zeigen eine große Qualität. Sie bieten bei guter Raumstruktur eine hohe Flexibilität und Robustheit auch wenn einige Details und die angedachten Nutzungseinheiten noch dem Ort angepasst werden sollten. Die Qualität dieses Bandes überdeckt aber nicht die funktionalen Mängel in der Grundstruktur des Entwurfs hinsichtlich der Funktionalität und Umsetzbarkeit.

Insgesamt ist die Arbeit ein sehr wichtiger Beitrag für die Diskussion einer zukunftsfähigen freiraumplanerischen Gestaltung des Quartiers. Der südliche Parkweg wird jedoch kritisch gesehen.
Perspektive

Perspektive

Perspektive

Perspektive

Lageplan M200

Lageplan M200

Raum- und Vegetationskonzept

Raum- und Vegetationskonzept

Ökologie und Klima

Ökologie und Klima

Mobilität

Mobilität

Schnitt M200

Schnitt M200

Schnitt M200

Schnitt M200