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Zweiphasiges kooperatives Verfahren mit vorgeschaltetem Auswahlverfahren | 09/2024

Quartiersentwicklung Nördliche Bahnstadt Ravensburg

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

asp Architekten GmbH

Stadtplanung / Städtebau

bäuerle landschaftsarchitektur + stadtplanung

Landschaftsarchitektur

MS Architekturmodelle

Modellbau

Erläuterungstext

Lebendige Bahnstadt Ravensburg

Die Leitidee – Von der Nördlichen Bahnstadt zur Lebendigen Bahnstadt
Die Ravensburger Bahnstadt besitzt durch ihre zentrale Lage eine bedeutende Rolle in der zukünftigen Stadtentwicklung des schwäbischen Nürnbergs. Das Quartier ist eine stadtmorphologische Übergangszone und muss zwischen den Gleisanlagen mit anschließendem Schussenpark im Westen und der historischen Altstadt im Osten sowie zwischen dem Bahnhofsumfeld im Süden und großflächigen Gewerbeflächen im Norden vermitteln. Diesen Ansprüchen wird die Nördliche Bahnstadt aktuell nicht gerecht. Sie ist geprägt von großflächigem Einzelhandel und Gewerbehallen ohne attraktive Erdgeschosszonen, oberirdischen Stellplätzen, Infrastrukturgebäuden, Rangierflächen und abweisenden Verkehrsräumen. Der vorliegende Entwurf begegnet diesen Missständen mit einem robusten Entwicklungskonzept, dass die schrittweise Transformation der nördlichen Bahnstadt vom Hauptbahnhof bis zur Bleicherstraße und weiter bis zur Stadtgrenze nach Weingarten aufzeigt. Inszenierte Bestandsgebäude gepaart mit maßvollen baulichen Ergänzungen und qualitätsvollen Freiräumen vollziehen den Wandel von der Nördlichen Bahnstadt hin zur Lebendigen Bahnstadt.

Drei Entwicklungsbänder – Gerüst für die Zukunft
Die in nordsüdlicher Richtung langgezogene Bahnstadt erfährt durch drei Entwicklungsbänder dringend benötigte Ordnung und Definition für zukünftige Entwicklungen. Die drei Bänder – Kulturmeile, Bahn-Stadt-Weg und Mobilitätsachse – erfüllen unterschiedliche Funktionen, interagieren aber dennoch untereinander. Die Bänder vereinen das übergeordnete Ziel der Vernetzung. Die Kulturmeile entlang des aufgewerteten Straßenraums der Metzger Straße / Am alten Gasweg ist, von wenigem Parkierungsverkehr abgesehen, dem Umweltverbund gewidmet und schafft eine attraktive Radwegeverbindung mit überörtlicher Bedeutung. Neues Herzstück des Quartiers ist der Kulturplatz zwischen Kantine und Theater im Zollamt. Der Bahn-Stadt-Weg ist eine MIV-freier, stark durchgrünter Bewegungsraum, der zwischen der Straße Am alten Gaswerk und der Ulmer Straße eine hochwertige Verbindung durch das Quartier darstellt. Situativ weitet sich der Weg zu gemeinschaftlichen Nachbarschaftsplätzen auf, die als Treffpunkte für die BewohnerInnen dienen. Der Bahn-Stadt-Weg wird als wichtige Grünverbindung für Flora und Fauna ausgebildet. Neben stadtökologischen Funktionen beherbergt die neue Verbindung die Erschließungsfunktionen für zukünftige Wohnnutzungen im Quartier. Die Mobilitätsachse entlang der Georgstraße und Ulmer Straße nimmt auch zukünftig wichtige lokale und regionale Verkehrsströme auf. Buswartepositionen stärken die Mobilitätsachse in ihrer wichtigen Funktion als Verkehrsrückgrat. Durch einen modifizierten Straßenquerschnitt erhalten Grünflächen und Bepflanzungen Einzug, wodurch der Straßenraum auch zum Grünraum wird. Die drei Entwicklungsbänder komplettieren neue West-Ost Verbindungen samt Querungsmöglichkeiten über die Bahntrasse sowie erhaltenswerte, identitätsstiftende Bestandsbauten, die, mit neuen Nutzungen versehrt, wichtige Frequenzbringer werden, die das Areal sowohl tagsüber als auch in den Abendstunden beleben.

Aktive Freiräume – für Mensch und Klima
Zukunftsorientierte Stadtentwicklung soll nicht nur den Menschen, sondern auch der Natur zugutekommen und beides in Einklang miteinander bringen. Neben Fragen zum Umgang mit dem Klimawandel und rückläufiger Artenvielfalt steht die Qualität von Begegnungs- und Erholungsräumen im Vordergrund. Der Entwurf erreicht diese Qualität mit multikodierten Freiräumen, die Angebote für die Mittagspause und Freizeitaktivitäten beinhalten und so Begegnungsorte zwischen der Bahnstadt und den umliegenden Wohngebieten ausbilden. Darüber hinaus entwickelt der Entwurf ein robustes Netz an Grünräumen, die das Quartier durchziehen. Die dabei entstehenden, differenzierten Freiräume – Grünverbindungen, Rigolen, Gartenterrassen und durchgrünte Dachflächen – bieten ein vielfältiges Angebot für Mensch und Natur und stärken die Identität des Ortes.

Das Quartier als Schwamm – klug gekühlt und auf Starkwettereignisse vorbereitet
Die über das Quartier verteilten Freiflachen sorgen für einen geringeren Versiegelungsgrad und eine effiziente blaugrüne Infrastruktur, die einen wichtigen Baustein der klimagerechten Stadtentwicklung darstellt. Durch den Umgang mit anfallendem Regenwasser auf dem Areal wird sowohl der Abfluss in die Kanalisation drastisch reduziert als auch die Kühlung des Quartiers gefördert und die Bewässerung der Vegetation gefördert. Das Konzept des Regenwassermanagements besteht dabei aus zwei wesentlichen Komponenten: Begrünte Dächer halten den Niederschlag für bestimmte Zeit zurück und reduzieren bei Sonneneinstrahlung die Temperatur der Gebäudehülle. Darüber hinaus ermöglichen Grünflächen, Mulden und Retentionsflächen die Rückhaltung und Verdunstung des Regenwassers im öffentlichen Raum. Zudem beinhaltet das Konzept die Nutzung von Grauwasser sowohl innerhalb des Gebäudes als auch außerhalb des Gebäudes, z.B. für die Bewässerung des öffentlichen Grüns. Auf diese Weise können große Laubbäume, die einen effizienten Beitrag zur Klimaanpassung im Quartier leisten, langfristig gesichert werden.

Ökologisch, ökonomisch und sozial – und auch noch zirkulär
Nachhaltigkeit bildet eines der Hauptmerkmale des Entwurfs. Das städtebauliche Konzept gibt klare und simple Baukörper vor, die dank ihrer modularen Bauweise problemlos auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren und mit unterschiedlichen Konfigurationen ausgefüllt werden können. Der Lebenszyklusgedanke des zirkulären Bauens prägt die gesamte Planung und Ausführung des neuen Stadtquartiers. Bereits bei der Wahl der Materialien werden neben dem biobasierten Rohstoffe Holz so konsequent wie möglich Recyclingbaustoffe eingesetzt. Dem Konzept des Urban Minings folgend werden die Materialien aus den abgebrochenen Bestandsbauen – entweder in den neuen Baukörpern oder als Freiraumelemente – wiederverwendet. Konstruktion und Gebäudetechnik sind von Anfang an auf Demontage und Wiederverwertbarkeit ausgelegt. So können nach der Nutzungszeit des Gebäudes alle Materialien einfach getrennt und entweder erneut verwendet oder hochwertig recycelt werden. Module und wiederverwendbare Bauteile erleichtern den Rückbau. Mechanische Lüftungs- und Kühlungssysteme senken zudem den Energiebedarf der Gebäude drastisch. Photovoltaikanlagen sowie begrünte Dächer sind für alle Baukörper vorgeschrieben.

Gut angebunden – kurze Wege für alle

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilitätswende ist ein attraktiver Anschluss an den Umweltverbund unerlässlich. Ein engmaschiges Fuß- und Radwegenetz verbindet das Quartier mit dem Hauptbahnhof, den Einrichtungen des täglichen Bedarfs und den umliegenden Naherholungsgebieten. Das Areal ist ein weitestgehend autoarmer öffentlicher Bewegungsraum. Die Befahrbarkeit für den MIV ist lediglich zu den Parkierungsanlagen möglich. Die Andienung der Gewerbeeinheiten durch den LKW-Verkehr ist dagegen im gesamten Areal gewährleistet. Ausreichend Wartepositionen und die durchgängige Befahrbarkeit der Kulturmeile decken die Bedarfe der Busverkehre. Aufstellflächen für Anlieferung, Müll und Rettung ordnen konfliktfrei und ohne große Präsenz den öffentlichen Raum. Zentral gelegene Logistik- und KEP-Zentren fangen den Großteil der Warenströme bereits an den Quartierseingängen ab. Hier übernehmen emissionsfreie Transportmittel wie Lastenräder, E-Scooter, Zustellroboter, E-Kleintransporter oder Drohnen kleinere Waren sowie Produkte und beliefern deren EmpfängerInnen. Neben Parkierungs- und Logistikfunktionen sowie Angeboten für Car- und Bikesharing entsteht im Tiefgeschoss des Mobilitätshubs eine Energiezentrale, die das nachbarschaftseigene Smart-Grid-System steuert. Ein integriertes Center für Tausch, Recycling und Reparatur ermöglicht die Rückführung von Waren und Produkten in den Stoffstromkreislauf.


Bauabschnittsbildung – Flexibilität wahren
Die Bauabschnittsbildung respektiert die historisch gewachsenen Strukturen und berücksichtigt die sich ändernden Anforderungen an den Ort. Nach Umzug der Maschinenhalle an ihren zukünftigen Standort neben den Gleisanlagen erhält die TWS angrenzend an ihren Neubau angrenzend einen weiteren Baukörper, der den aufgewerteten Werkhof nach Norden hin abgrenzt. Das Untergeschoss deckt die Stellplatzbedarfe und Lagerflächen der TWS ab, im Erdgeschoss befinden sich zusätzliche Lagerflächen und die Stellplätze für größere Fahrzeuge. Diese sind gerahmt von gewerblichen Nutzungen, die den öffentlichen Raum bespielen. Nach Westen hin kann sich in prominenter Lage die regionale Verwaltungszentrale des ersten Interessenverbands ansiedeln. Ebenfalls in der ersten Phase können die bestehenden Strukturen östlich der Ulmer Straße behutsam ergänzt, rückgebaut oder umgebaut werden. Hier gilt es die Maßstäblichkeit und die besonderen Raumsituationen des Bestands zu wahren.

In einem zweiten Bauabschnitt entstehen die restlichen Gebäude innerhalb des Fokusbereichs: Um einen Nachbarschaftsplatz gliedern sich drei Baukörper. Der westliche Punktkörper ist bis auf das Erdgeschoss dem Wohnen gewidmet. Der kräftige Baublock im Nordosten sitzt auf einer Tiefgarage und umschließt zwei weitere, oberirdische Parkierungsebenen, um die Stellplatzbedarfe abzudecken. Diese Parkierungsebenen sind vom Straßenraum nicht wahrnehmbar, sondern mit kleinteiligem Einzelhandel, Gewerbeeinheiten und gemeinschaftlichen Nutzungen ummantelt. Auf diesem Sockel sitzen zwei Wohngebäude im Westen und die regionale Verwaltungszentrale des zweiten Interessenverbands samt markantem, sechsgeschossigem Hochpunkt an der Kreuzung Georgstraße / Kapuzinerstraße.

In der dritten Phase ergänzen der Mobilitätshub und ein gemischtgenutztes Gebäude im erweiterten Wettbewerbsgebiet die Baustruktur und schirmen weitere Entwicklungen vor dem Bahnlärm der Gleisanlagen ab. Zeitgleich weicht das Fachmarktzentrum einer neuen Nachbarschaft, die sich um eine Platzsituation ordnet und aus fünf gemischtgenutzten Baukörpern mit unterschiedlichsten Gewerbegrößen und Wohnformen besteht. Losgelöst von Bauphasen im klassischen Sinne können in den westlichsten Stadtblöcken der Nordstadt punktuell kleinteilige Strukturen ergänzt und öffentliche Räume ausgebildet werden.






Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser/innen schlagen für die städtebauliche Neustrukturierung der Nördlichen Bahnstadt als Idee der Vernetzung drei „Entwicklungsbänder“ in Nord-Südrichtung vor, die in ihrer stadträumlichen Prägung unterschiedliche Themen und Funktionen erhalten sollen.
Neben der „Kulturmeile“ entlang der Straße „Am alten Gaswerk“ und der „Mobilitätsache“ entlang der Georg- und Ulmer Straße, führt der neue „Bahn-Stadt-Weg“ als autofreier durchgrünter Bewegungsraum durch die neu geschaffenen Wohnquartiere. Eine Abfolge von Nachbarschaftsplätzen entlang des grünen Bandes versucht die eher frei gesetzten Baukörper als Ensemble um eine grüne Mitte zu arrangieren. Die Eingänge der zukünftigen Wohnungen orientieren sich vorzugsweise zu dieser Platzmitte.

Neben den inszenierten Wegebeziehungen in Nord-Südrichtung, wirken die Querverbindungen eher zufällig und untergeordnet. Insbesondere die Kapuziner Straße, die als wichtige Querverbindung auf dem neu geschaffenen „Kulturplatz“ zwischen Kantine und Zollamt mündet, ist in ihren städtebaulichen Rändern nicht klar definiert. Die Aufweitung in Richtung Kreuzung ist hier die falsche Geste. Der Kulturplatz wird zwar in seiner Fläche durch grüne Inseln zoniert, in der tatsächlichen Ausdehnung zu seinen städtebaulichen Rändern wirkt er etwas überdimensioniert.

Das städtebauliche Konzept der Baufelder, die sich in einzelne Baukörper auflösen, ist in Hinblick auf eine gewünschte Kleinteiligkeit und Vermittlung zum baulichen Umfeld nachvollziehbar. Leider ermöglicht die offene Setzung der Baukörper keine privaten Grünflächen für die zukünftigen Bewohner. Die Inszenierung des zusätzlichen „Bahn-Stadt-Wegs“ als Grünraum mit Platzfolge ist daher aus Sicht des Preisgerichts nicht nötig und hinsichtlich seiner öffentlichen Nutzung zu hinterfragen. In ihren Grundfiguren wechseln sich Punkthäuser, Riegel und kleinere Blockstrukturen mit Hof ab, die unterschiedliche Wohntypologien erwarten lassen. Die eingeschossige Bebauung einiger EG-Bereiche und der damit verbundenen Ausbildung von Sockeln ist nicht nachvollziehbar, da sie die Chance auf einen qualitätsvollen Freiraum verbauen.

Die Bauabschnittsbildung respektiert die historisch gewachsenen Strukturen. Nach Umzug der Maschinenhalle an ihren zukünftigen Standort erhält die TWS angrenzend an ihren Neubau einen weiteren Baukörper, der den aufgeweiteten Werkhof nach Norden hin abgrenzt. Die von Seiten der Nutzer gewünschte LKW-Durchfahrt über den TWS-Werkhof ist nicht möglich. Durch die zeitversetzte, späte Realisierung des Mobility Hubs nördlich des Kulturplatzes (erst in Phase 3), büßt der Quartiersplatz über einen langen Zeitraum seine räumlichen Qualitäten ein.

Insgesamt eine Arbeit, die in der Setzung der Baukörper und deren unterschiedlichen Höhenentwicklung eine angemessene Antwort auf die bauliche Umgebung schafft, die jedoch in der Idee der „Entwicklungsbänder“ in Hinblick auf differenzierte öffentliche, und private Freiräume nicht überzeugen kann.
Isometrie

Isometrie

Visualisierung

Visualisierung

Visualisierung

Visualisierung

Entwicklungsbänder

Entwicklungsbänder

Strukturkonzept

Strukturkonzept

Kulturplatz

Kulturplatz

Vegetationskonzept

Vegetationskonzept

Wasser- und Hitzesensible Stadtentwicklung

Wasser- und Hitzesensible Stadtentwicklung

Nutzungskonzept

Nutzungskonzept

Schnitte

Schnitte

Grundrisse

Grundrisse

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell