Nichtoffener Wettbewerb | 10/2024
Quartiershaus Q1 mit Quartiersplatz im Stadtteil Dietenbach in Freiburg im Breisgau
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
Perspektive
1. Preis
Preisgeld: 25.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
Jürgen Spiecker, Manfred Sautter, Max Lauer, Lisa Weinfurtner, Helge Hörmann, Andreas Krause
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Mitarbeitende:
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Tragwerksplanung
Stahl+Weiß, Bauphysik und Energiekonzeption
Energieplanung
Erläuterungstext
Städtebau:
Das Quartiershaus Q1 steht selbstbewusst als markantes Solitärgebäude auf dem neuen Quartiersplatz. Der Baukörper präsentiert sich zweigeschossig zum Käserbachpark und viergeschossig zum Platz hin. Hier wird durch eine leichte Überhöhung gegenüber der umgebenden Bebauung seine Bedeutung im Stadtgefüge betont. Mit dem hohen, eingerückten Eingang bildet das Haus seine Adresse eindeutig am Quartiersplatz. Das durchgesteckte, zweigeschossige Foyer erschließt das Gebäude aber auch vom Innenhof aus, der direkt an die stadtteilverbindende Wegeachse im Südosten angebunden ist. Hier befinden sich die überdachten Stellplätze für Kinderwagen und Fahrräder der Kita. Der Quartiersplatz bleibt dadurch frei von diesen Nutzungen.
Gebäudekonzept:
Das Gebäude wird weitgehend in einer zweiten, transparenten Ebene von einem grobmaschigen Metallgewebe umgeben, das als Rankhilfe für die Fassadenbegrünung, als Absturzsicherung und als Staubfilter dient und zur natürlichen Gebäudeklimatisierung beiträgt. Der Zwischenraum ist auf jeder Geschossebene zu Reinigungs- und Wartungszwecken begehbar.
Quartiersbüro und Info-Café sind direkt an das zentrale Foyer angegliedert, ebenso der Eingang zur Kita und die „Toilette für alle“. Ein unauffälliger Zugang auf der Südostseite ermöglicht die öffentliche Nutzung der WC-Anlage auch außerhalb der Öffnungszeiten des Quartiershauses.
Der Innenhof führt zu einer guten natürlichen Belichtung der Kindertagesstätte. Gleichzeitig sind über die ringförmig miteinander verbundenen Flure im 1. OG gemeinsame, bereichsübergreifende Nutzungen möglich und ist eine hohe Flexibilität für spätere Nutzungsänderungen gewährleistet.
Der große Raum für Proben und Treffen ist stützenfrei im obersten Geschoss vorgesehen. Die erforderliche Raumhöhe für diesen größeren Veranstaltungsraum ermöglicht die Integration einer Dachterrasse im Gebäudevolumen unter dem durchgehenden Solardach (über den niedrigeren Nebenräumen des Veranstaltungsraumes). Diese Terrasse wird über Treppenhaus und Aufzug bequem erreicht und bietet Besuchern einen spannenden Ausblick auf den sich entwickelnden Stadtteil, auch als Ergänzung zu den im Haus angebotenen Informationen.
Quartierstreff:
Das Info-Café im Erdgeschoss erstreckt sich über eine Galerie ins erste Obergeschoss und bietet durch seine Lage eine unmittelbare Verbindung zum Platz, auch bei Veranstaltungen und Aktivitäten auf dem Platz. Auch das Quartiersbüro liegt direkt am Platz, was es leicht auffindbar und niederschwellig für alle zugänglich macht. Weitere Nutzungen wie Gruppenräume, Büros und Nebenräume verteilen sich über drei Obergeschosse. Alle Geschosse sind über einen Aufzug barrierefrei erreichbar.
Kita:
Die Kita orientiert sich weitestgehend zu den platzabgewandten Seiten. Das Kinderbistro zeigt sich aber zum Quartiersplatz und verleiht der Kita eine Adresse am Platz. Die Gruppenräume sind zweigeschossig zum Freibereich im Westen hin ausgerichtet. Im Erdgeschoss befinden sich die U3-Gruppen, im ersten Obergeschoss die Ü3-Gruppen. Alle Gruppenräume haben über ihre überdachten Terrassen bzw. Balkone einen direkten Zugang zum Außenspielgelände. Bei schlechtem Wetter führt der Weg ins Freie durch die Schmutzschleuse im EG. Der Mehrzweckraum befindet sich ebenfalls im ersten Obergeschoss und öffnet sich zum Platz hin. Über einen weiteren Zugang kann er auch vom Quartierszentrum separat mitgenutzt werden.
Tragwerk
Das geplante Gebäude lässt sich in F60 Bauweise nach MHolzBauRL realisieren. Danach ist es möglich, das Gebäude vollständig in Holztafelbauweise zu errichten. In Kombination mit optimierten Brettsperrholzdecken kann das Gebäude ressourcenschonend und nachhaltig errichtet werden.
Für eine flexible Fassadengestaltung mit großen Fensterflächen ist raumseitig ein Tragwerk aus Stützen und Unterzügen (Skelettbau) geplant. So sind alle tragenden Holzbauteile vor Witterungseinflüssen dauerhaft geschützt. Außenwände ohne Fensterflächen werden wiederum in Holztafelbauweise oder als hochwärmegedämmte Paneele in der Pfosten-Riegel-Fassade ausgeführt.
Holztafelwände mit beidseitiger Bekleidung mit Gipsfaserplatten lassen sich bis hin zu den Elektroninstallationen vorfertigen und bieten damit neben der optimalen Ausnutzung der verwendeten Materialien auch eine beschleunigte Rohbauphase. Die im Schallschutz ohnehin schon guten Wände können nach Bedarf um Vorsatzschalen ergänzt werden.
Brettsperrholzdecken haben sich mit doppelter Beschwerung als robustes und leistungsfähiges Deckensystem erwiesen. Um auch bei den Decken ressourcenschonend zu planen, werden die Brettsperrholzelemente in die Deckenfeldern mit größeren Spannweiten durch unterseitige Rippen verstärkt.
Für die Gebäudeaussteifung sind keine Stahlbetonkerne erforderlich, die Aussteifung kann vollständig über die Holztafelwände erfolgen. Somit ist oberhalb der Bodenplatte kein Massivbau erforderlich.
Energie- und Nachhaltigkeitskonzept
Gebäude:
Der Baukörper ist kompakt und weist ein günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis auf. Durch die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz für die Gebäudekonstruktion wird die Graue Energie für die Erstellung des Gebäudes wesentlich reduziert. Die Dämmung der Gebäudehülle orientiert sich am Passivhaus-Standard und unterschreitet die Anforderungen des gültigen Gebäudeenergiegesetzes deutlich.
Die Fensterflächenanteile sind der Nutzung angepasst und ermöglichen eine sehr gute Tageslichtversorgung der Räume. Sämtliche Fenster werden mit 3-Scheiben-Verglasungen ausgeführt. In allen Räumen wird es einen beweglichen außen liegenden Sonnenschutz geben.
Lüftung:
Alle Räume werden mechanisch mit hoch effizienter Wärmerückgewinnung be- und entlüftet. Eine zusätzliche Fensteröffnung durch die Nutzer ist jederzeit möglich, zur Frischluftversorgung aber nicht unbedingt erforderlich.
Das Foyer erhalt Zuluftöffnungen im Erdgeschoß und Abluftöffnungen im Obergeschoß zur freien Nachtauskühlung. Die Abluft der Lüftungsanlage braucht für die Nachtlüftung nicht betrieben werden.
Energieversorgung:
Das Quartiershaus nutzt die Fernwärme des Quartiers. Auf den Dachflächen wird eine Photovoltaik-Anlage zur regenerativen Stromversorgung errichtet. Ergänzend wären gebäudeintegrierte PV-Module an der Südwestfassade im 2. und 3. OG möglich.
Energiestandard:
Mit dem vorgeschlagenen Energiekonzept erreicht das Gebäude den förderfähigen Standard klimafreundlicher Neubau - Effizienzgebäude 40. Für Kommunen ist hier eine Förderung von 5% der förderfähigen Kosten möglich. In der Bilanz wird über die PV-Anlage ein klimaneutraler Betrieb erreicht werden.
Nachhaltigkeitszertifizierung:
Das Gebäude ist auf eine gute Zertifizierbarkeit als Nachhaltiges Gebäude optimiert. Durch die Energieversorgung mit niedrigen CO2-Emissionen sowie den ökologisch optimierten Einsatz der Baustoffe ist ein sehr gutes Ergebnis in der LCA-Berechnung zu erwarten. Der Bau mit niedrigen Herstellungskosten, einem wirtschaftlichen Gebäudeunterhalt und geringen Energieverbräuchen lassen ein ebenso gutes Ergebnis in der LCC-Berechnung erwarten.
Außenanlagen
Der Quartiersplatz:
Gedanken zur Planung eines stadträumlichen Freiraums:
Ein Stadtplatz; Lichtung in der Stadt. Man durchschreitet einen Straßenraum und betritt unvermittelt einen Platz; man spürt Weite, Öffnung. Wir genießen den unverstellten Blick auf historische Fassaden, den Himmel, sonnendurchflutet….
Auch heute wünscht man sich solche Oasen in den Städten, jedoch sind die Voraussetzungen für eine innerstädtische Wohlfühloase aufgrund der Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel andere als früher.
Aus Sicht der Verfasser ist in der heutigen Zeit von entscheidender Bedeutung, klimaresiliente Stadträume zu planen, und so in Zeiten sich wandelnder äußerer Einflüsse langfristig funktionierende Plätze zu schaffen. Dies soll mit der vorgestellten Planungsidee erreicht werden.
Vielfältige funktionale Anforderungen gilt es auf der Fläche unterzubringen bei gleichzeitiger Schaffung eines angenehmen Kleinklimas.
Die Platzkanten werden durch die angrenzende Bebauung definiert, d.h. unabhängig von Anforderungen an Verkehr und sonstige Nutzungen wird ein einheitlicher Belagsteppich bis an diese Ränder gezogen. Einheitlichkeit bezieht sich auf Oberflächen und Material. Im Bereich der Quartiersstraße wird aufgrund erhöhter Verkehrsbelastung lediglich bei der Materialgröße variiert.
Das Grundkonzept besteht in einer ausgewogenen Verteilung von Schatten spendenden Bäumen bei gleichzeitiger Ermöglichung vielfältiger Aktivitäten auf dem Platz.
Durch den hohen Vegetationsanteil entsteht eine gestalterische Symbiose zwischen begrünter Architektur und Landschaftsarchitektur.
Die Verteilung der Bäume orientiert sich an den Nutzungen der Platzränder. Im Südosten grenzt private Wohnbebauung an den Platz, es liegt nahe, hier einen schützenden Gehölzfilter zur intensiveren Platznutzung hin auszubilden. Somit ergibt sich eine Verdichtung der Baumstruktur an dieser Stelle mit einer allmählichen Auflockerung in Richtung Nordwestrand des Platzes, wo eine öffentliche Nutzung mit einem Café angedacht ist.
Nicht der gesamte Platz wird als Lichtung in der Stadt interpretiert, vielmehr entstehen zwischen den Baumquartieren einzelne Lichtungen, die ganz selbstverständlich und unkompliziert zur Aneignung einladen.
Wodurch punktet der Quartiersplatz bezüglich Klimaresilienz noch außer einem Schatten spendenden Blätterdach?
Technische Fortschritte bezüglich der Pflastermaterialien wie „Klimasteine“ sollen zum Einsatz kommen, wodurch eine Rückhaltung von Regenwasser bei späterer Wiederabgabe durch Verdunstung möglich wird. Um jedoch den Gedanken der Schwammstadt auch gestalterisch visuell zur Wirkung kommen zu lassen, wird im Bereich der Bäume das Pflaster zu Zonen mit hohem Rasenfugenanteil unregelmäßig aufgelockert. Die Topographie des Platzes wird so ausgebildet, dass das anfallende Regenwasser den Bäumen unmittelbar zugeführt wird.
Sonstiges überschüssiges Regenwasser, auch das von den Dachflächen des Quartiershauses wird in eine unterirdische Zisterne geleitet. Dieses Wasser kann in Trockenperioden zur Bewässerung der Vegetation verwendet werden.
Eine Abgabe in das übergeordnete Entwässerungssystem soll komplett unnötig werden.
Der Kita-Garten:
Kontrastierend zum klar strukturierten Erscheinungsbild des Quartiersplatzes erhält der Freibereich der Kita organische Linien, die die Kinder zum „Nach-toben“ einladen sollen.
Die Bereiche lassen sich gliedern in Obstgarten – Abenteuer - Theater und angrenzend an die Terrassenzone im Erdgeschoß einen geschützten Bereich für die U3-Gruppen.
Das Trafogebäude, das ca. 1,3 m über das KITA Gelände herausragen wird, wird baulich durch die Schaffung eines Materiallagers in Kombination mit einer einfachen Spielhütte verdeckt.
Beurteilung durch das Preisgericht
Das Gebäude mit seinem fast quadratischen Grundriss ist städtebaulich richtig gesetzt. Der großzügige, über zwei Stockwerke hervorgehobene Eingang orientiert sich in gut sichtbarer Form zum Quartiersplatz und repräsentiert den Zugang zu beiden Einrichtungen, dem Quartierstreff und der Kindertagesstätte. Zusätzlich öffnet sich im südlichen Erdgeschoss ein separater Zugang zum Kindergarten, der in seiner Funktionalität für Hol- und Bringdienste zur KiTa aus den Arbeiten hervorsticht.
Der Baukörper ist kompakt und weist ein günstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis auf. Durch die Holztafelbauweise verbunden mit Brettsperrholzdecken und einer vorgehängten Fassadenbegrünung ist eine ressourcenschonende Erstellung des Gebäudes zu erwarten. Der angestrebte Passivhausstandard, verbunden mit einer PV-Installation auf den Flachdächern lässt unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten einen klimaneutralen Betrieb erwarten.
Der Platz ist gut strukturiert und durch ein lockeres Baumdach beschattet. Das Fontänenfeld ist attraktiv, sollte jedoch näher am Café positioniert werden. Die Marktplatznutzung ist gewährleistet, die Behinderten-Stellplätze wünscht man sich näher zum Eingangsbereich. Die Umgriffe der Baumquartiere sind mit einem hohem Rasenfugenanteil überpflastert, eine Regenwasserzisterne sammelt das Wasser von den Dachflächen, so dass den Aspekten der Regenwasserrückhaltung Rechnung getragen wird. Die Arbeit zeigt in allen Bereichen eine fundierte Auseinandersetzung mit den vorgegebenen Fragestellungen und lässt eine sehr gute gestalterische und funktionale Qualität erwarten. Auch die markante Höhe des zum Platz orientierten Gebäudeteils findet im Preisgericht Zuspruch, allerdings muss die geforderte Gebäudemaximalhöhe von 16 m eingehalten werden, ohne dass die Qualität der einzelnen Stockwerke darunter leidet.
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
Modellfoto
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
Lageplan
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
EG Grundriss
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
Grundrisse
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
Schnitte
©Spiecker Sautter Lauer Architekten & noi architektur
Detailausschnitte