Kooperatives Wettbewerbsverfahren | 11/2024
Rebuild_Wasserkante – Uferbebauung Wasserstadt Limmer in Hannover
©Max Dudler
Uferpromenade
1. Preis
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Silke Meier zu Evenhausen, Mariona Massons, aysin soydan, Dennis Assaf
Landschaftsarchitektur
Tragwerksplanung, Bauphysik, Nachhaltigkeitskonzept
Brandschutzplanung
WINTER Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik
TGA-Fachplanung
Visualisierung
Modellbau
Erläuterungstext
Der städtebauliche Ansatz des Beitrages sieht anstelle des zusammenhängenden Bestandsgebäudes die Setzung von zwei voneinander getrennten Baukörpern vor.
Bauteil W8 ersetzt in identitätsstiftender Funktion den historischen Bestand, während W9 als verbindendes Element zwischen W8 und dem denkmalgeschützten Verwaltungsgebäude dient. Ein entstehender Freiraum zwischen W8 und W9 schafft visuelle und fußläufige Verbindungen zwischen Markt-/Quartiersplatz und Uferpromenade.
Beide Baukörper erhalten durch ihre Setzung eine eigene architektonische Identität.
Als parallel zum Kanal verlaufendes Wohngebäude, orientiert sich Bauteil W8 an den Dimensionen des Vorgängerbaus und bietet sieben Vollgeschosse sowie ein Dachgeschoss. Im Erdgeschoss sind Flächen für Gewerbe, Gastronomie und einen Kulturtreffpunkt vorgesehen, während Atelierwohnungen, Loggien und flexible Grundrisse die Obergeschosse prägen. Die Fassade aus Klinkervollsteinen wird durch vertikale Lisenen geprägt, über der Brückendurchfahrt bleiben Elemente des Altbaus erhalten.
Bauteil W9 ist als fünfgeschossiges Bürogebäude konzipiert und beherbergt eine Kita im Erdgeschoss. Die darüber liegenden Büroflächen sind flexibel gestaltbar und werden über einen zentralen Kern erschlossen. Die zurückhaltende Klinkerfassade wird durch vertikale Lisenen und einen horizontalen Dachrand gegliedert, der die Traufhöhe des benachbarten Verwaltungsgebäudes aufnimmt.
Eine Tiefgarage verbindet beide Gebäude und hält den motorisierten Verkehr von den öffentlichen Plätzen fern. Beide Bauteile werden in modularer Skelettbauweise errichtet. Das Dach und die darüber liegenden Geschosse bestehen beim Bauteil W8 aus Holz.
Abwasserwärmepumpen und Solarenergie decken den Energiebedarf, fossile Energieträger werden vermieden. Regenwasser wird teilweise zurückgehalten und für die Außenanlagen genutzt.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Städtebau nimmt die Kubatur des Bestands W8 auf. Der Baukörper W9 vermittelt geschickt zwischen W8 und dem Bestand (Gebäude 1), indem er Raumkanten des Marktplatzes fortführt und mit einem leichten Knick zum W8 überleitet. Diese subtile Geste ist für die Fassade und den Platz zwischen den Bauteilen von Vorteil. Ebenso gelingt ein mittiger und sauberer Anschluss der Brücke des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes. Im Zusammenspiel entsteht ein Gesamtkonzept und eine gelungene Bebauung des Ensembles am Wasser. Der Umgang mit der Uferpromenade ist gut gelöst.
Der Platz zwischen den beiden Gebäuden sowie die Freibereiche entlang der Gebäude werden zurückhaltend begrünt und lassen eine gute Aufenthaltsqualität erwarten. Die Kita-Freifläche orientiert sich entlang W9 zum Wasser und bildet einen eigenen ungestörten Bereich. Die Zufahrt zur Tiefgarage in W9 ist gut gesetzt und tangiert nicht die Fläche vor W9 zum Marktplatz.
Das Gebäude W8 orientiert sich mit seiner vertikalen durchgängigen Fassadenstruktur, dem Kopf- und Mittelbauteil sowie der geneigten Dachform am Bestand, ohne diesen im Detail zu kopieren. Dies wirkt identitätsstiftend für das Quartier. Der W9 Baukörper ist ähnlich ausgebildet, allerdings mit Flachdach und stärkerer horizontaler Betonung sowie zurückhaltender Vertikalität. Hier wäre auch eine freiere Interpretation im Zusammenspiel denkbar.
Beide Gebäude sind mit Klinker-Fassaden geplant, was positiv hinsichtlich Langlebigkeit und Wertigkeit beurteilt wird. Für die Adressbildung und Identität sind diese Vollklinker-Fassaden maßgebend, ebenso für die Fassadenwirkung und deren Qualität. Die Gebäudezugänge sind gut auffindbar und definiert ausgebildet. Die EG-Flächen mit Gewerbe entlang der Promenade und der Kita in W9 sind gut gelöst. Die darüberliegenden Büroeinheiten gruppieren sich um einen Erschließungskern und zwei baulichen Rettungswegen sowie Nebenräumen in der Mittelzone. Somit ist eine Variabilität in den Bürogrößen möglich.
Intensiv diskutiert wurde der Umgang mit den Erschließungen und der Ausrichtung der Wohnungen. Geplant sind vier Treppenhäuser in W8, die jeweils als zwei bauliche Rettungswegen mit Mittelflur verbunden sind bedingen einseitig orientierte Wohnungen. Durchgestreckte Wohnungen werden nicht angeboten. Zum Wasser und zum Quartier erhalten alle Wohnungen durchgängige Loggien an den Fassaden. Dies führt auch zu nicht nutzbaren Räumen mit 1,70m Tiefe. Die langen durchgängigen innenliegenden Flure ohne Tageslicht können nicht überzeugen, insbesondere bei der Anzahl der anliegenden Wohnungen und der Bewohner. Hinzu kommt, dass Wohnungen zum Teil ohne Eingangsdielen gedacht sind, hier wäre eine Mischung wünschenswert. Die Anbindung der Brücke und der 2-geschossige Durchgang in W8 zum Quartier ist gut gelungen. Das Verhältnis Nutzfläche zu BGF ist nicht optimal, hier ist wie auch bei Erschließung und Wohnungsausrichtung das mögliche Potential nicht ausgeschöpft.
Die äußere Anmutung des Entwurfs, insbesondere die identitätsstiftende Verwendung von Vollklinker Fassaden, wird ausdrücklich als gestalterisch überzeugend und hochwertig bewertet. Sie wird als ein prägendes Merkmal des Projekts anerkannt und nicht infrage gestellt. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die wirtschaftliche Umsetzbarkeit des Entwurfs derzeit als kritisch einzustufen ist. Die Baukonstruktion in ihrer aktuellen Ausarbeitung weist erhebliche Anpassungsbedarfe auf, um eine Realisierung innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens zu ermöglichen. Dies betrifft insbesondere die Grundrisse und Erschließungsstrukturen, die als komplex bewertet werden und ein hohes Optimierungspotenzial hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit aufweisen. Die modulare Bauweise wird als grundsätzlich positiv bewertet, zeigt jedoch Entwicklungsbedarf, um den Anforderungen an den Wohnungsbau – insbesondere in Bezug auf Spannweiten und Schallschutz – gerecht zu werden. Auch die geplanten Bauweisen und Materialien, wie Beton-Fertigteile und PV-Ziegel, werden hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und praktischen Umsetzbarkeit als kritisch eingeschätzt. Sie erfordern eine gezielte Überprüfung und Anpassung, um den Anforderungen des Projekts zu entsprechen. Insgesamt wird die Tragfähigkeit der wirtschaftlichen Basis des Projekts in seiner aktuellen Form als noch nicht ausreichend beurteilt.
Die Arbeit hat ein klares Energie- und Klimakonzept beschrieben. Dabei wird auch das Thema Photovoltaik in einer schwierigen und gestalterisch anspruchsvollen Situation adressiert. Die vorgeschlagene Konstruktion aus Beton-Fertigteile (Hohlkörperdielen) stellt – für das Bürogebäude – eine nachhaltige und wirtschaftliche Lösung dar. Für den Wohnungsbau wird der Vorschlag kritisch gesehen. Die leichten Trennwände zwischen Wohneinheiten müssen hinsichtlich des Schallschutzes überprüft werden. Mit den kleineren Spannweiten, die man üblicherweise im Wohnungsbau hat, kann man die Konstruktionsart hinterfragen. Die Integration von PV ist prinzipiell positiv hervorzuheben, wobei die Lösung mit „PV-Ziegeln“ sicherlich nicht die wirtschaftlichste Lösung darstellt. Der sommerliche Wärmeschutz in den Dachgeschosswohnungen wird ebenfalls kritisch betrachtet, genauso wie die Austritte, die baukonstruktiv schwer herstellbar sind (Dämmung, Entwässerung). Die Arbeit zeigt insgesamt eine hohe städtebauliche und architektonische Qualität, die die Erinnerlichkeit der abgängigen Bauten aufruft, die Markanz im Stadtraum stärkt und ein hohes Potential für das Quartier aufweist.
©Max Dudler
Marktplatz
©Max Dudler
Schwarzplan
©Max Dudler
Bestand und Neubau
©Max Dudler
Statik