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Verhandlungsverfahren | 06/2016

Reorganisation, bauliche Ergänzung und energetische Sanierung Rathaus in Reinheim

Zuschlag

Preisgeld: 9.500 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee – Offenheit und Öffentlichkeit
Die notwendigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen werden zum Anlass genommen das Rathaus insgesamt offener und öffentlicher zu gestalten. Dies bezieht sich sowohl auf eine gestärkte Kommunikation von Außen- und Innenbereichen (also Mitarbeitern und Bürgern) als auch auf eine offene informelle Arbeitswelt der Mitarbeiter. Der architektonische Ausdruck des Ursprungsgebäudes bleibt im Sinne des Schutzes des denkmalkonservatorischen Umfelds und einer baukulturellen Fortschreibung in seiner tektonischen Fügung und in seiner Materialisierung das Leitbild auch für die energetisch notwendige Neuformulierung der Fassade. Dünner proportionierte Gesimse, niedrigere Brüstungshöhen und ein hellerer Backstein ergeben zum heutigen Erscheinungsbild insgesamt eine optische und zeitgenössische Straffung des baulichen Charakters.

Umsetzung der Entwicklungsziele
Die bauliche Erweiterung erfolgt im obersten Geschoss nach Süden und Westen in Leichtbauweise. Die Typologie des terrassierten Baukörpers und die Materialisierung des Bestands bleiben insgesamt erhalten, so dass die Ergänzung nicht additiv in Erscheinung tritt. Die entstehende Terrasse wird allen Mitarbeitern des Hauses zugänglich gemacht, dient jedoch gleichzeitig nach wie vor auch repräsentativen Anlässen in den Räumen des Bürgermeisters. Das Ausformulieren der notwendigen Außenfluchttreppe als Verbindung zwischen einem nutzungsgestärkten Innenhof, dem 1. OG und der Dachterrasse formuliert in Verbindung mit dem Verlegen der Cafeteria aus dem UG in das EG und gläsernen Flurwänden in den Geschossen die kommunikative Neuausrichtung der Arbeitswelt der Mitarbeiter.

Die Neuordnung der Büroflächen erfolgt unter den Gesichtspunkten des Zusammenfassens von Organisationsstrukturen und Stärken von Kommunikationsmöglichkeiten. Ein wichtiger Punkt hierbei nimmt der Austausch der Prüferzimmer mit der Cafeteria ein, so dass ein sehr prominenter Ort im Gefüge des Gesamtgebäudes – der Eingangsbereich im EG mit seiner Anbindung an den Innenhof – viel besser genutzt werden kann.

Die Auflagen des Brandschutzkonzepts werden umgesetzt. Im Bereich des Treppenhauses wird die aufgeweitete Flurzone nach Norden nicht dem Treppenhaus zugeordnet. Der Haupteingang und der Bereich im 1. OG vor den Sitzungssälen können somit nutzungsfreundlicher gestaltet werden.

Die energetische Sanierung wird mittels eines konsequenten Schichtenaufbaus der Fassade konstruktiv umgesetzt. Wärmebrücken des Bestands werden durch den Rückbau der Bestandsgesimse vermieden. Glasfassaden entsprechen den aktuellen ENEV-Vorgaben und erhalten automatisch gesteuerten außenliegenden Sonnen- und individuell einzustellenden innenliegenden Blendschutz. In Verbindung mit blendfreier und im Energieverbrauch reduzierter LED-Beleuchtung entstehen beste Bedingungen der Bildschirmarbeitsplätze. Die Haustechnik wird komplett erneuert und den durch die konsequente Dämmung der Außenhülle reduziertem Energiebedarf angepasst. Lichtlenkende Sonnenschutzlamellen, automatisierte Anwesenheitserkennung der Mitarbeiter an Ihren Arbeitsplätzen und die gläsernen Flurwände ermöglichen neben der LED-Beleuchtung Einsparpotentiale bei den Stromverbräuchen. Da diese dennoch einen erheblichen Anteil an den Betriebskosten haben und im Bestand keine notwendig großen Dachflächen für Photovoltaik zur Verfügung stehen, sollte der Einsatz eines Klein-BHKW geprüft werden.

Die Barrierefreiheit im Gebäude wird gemäß der DIN 18040-1 ausgeführt. Darüber hinaus ermöglicht die Verlegung der Cafeteria in das EG und die gläsernen Flurwände allen Mitarbeitern im Sinne einer horizontalen Kommunikation „Barrieren“ der Zusammenarbeit zu überwinden. Der bestehende Aufzugs- und Sanitärkern wurde zur Einhaltung der Richtlinien umgestaltet. Die Aus- und Eingänge des Haupteingangs, der Cafeteria zum Innenhof und der Dachterrasse werden stufenlos angelegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Einbindung des Baukörpers ist durch eine weitgehende Beibehaltung der Kubatur sehr gut gelungen. Die im 2.OG vorgesehene Erweiterung bietet sogar noch Raumpotential und wäre u.U. noch zu reduzieren.
Die Gestaltung der Fassade ist von hoher Qualität und überzeugt durch Klarheit und Ausgewogenheit.

Das Raumprogramm ist gut erfüllt, u.U. etwas übererfüllt. Funktional gut angeordnet mit klaren Zuordnungen der Nutzungsbereiche und der öffentlichen Bereiche. Die Verlegung der Kantine ins Erdgeschoss mit Außenbezug überzeugt. Die Aufweitung des Eingangsbereichs wird positiv gesehen, auch die direkte Anbindung des Sozialbereichs ist überzeugend gelöst.
Der Brandschutz ist gut erfüllt durch eine außenliegende Freitreppe. Auch die Barrierefreiheit ist mit einem Behinderten-WC an zentraler Stelle sehr gut gelöst.
Der Erhalt des Daches des Sitzungsbereichs und der weitgehende Erhalt im Innenbereich werden wirtschaftlich positiv beurteilt. Die Fassadenlösung erscheint dagegen sehr aufwendig und ist statisch zu hinterfragen. Ihre Wirtschaftlichkeit wäre hier zu überprüfen.

Die Jury bewertet den Umgang mit dem Bestand als eine sehr gute Interpretation und Weiterentwicklung der Qualität des Bestandsgebäudes.