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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2024

Sanierung und denkmalgerechter Umbau Rathaus Grafenhausen

Außenperspektive

Außenperspektive

2. Preis

Spiecker Sautter Lauer Dipl.-Ing. Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau und Erschließung
Gemäß den Vorgaben der Auslobung erfolgt auf einer definierten Teilfläche des Anbaus die Erweiterung des Rathauses. Der neue Zwischenbau wird formal als städtebauliche „Fuge“ ausgebildet, wodurch das historische Gebäude gegenüber der derzeitigen Situation stärker freigestellt und der neue Eingang akzentuiert wird. Im Sinne einer eindeutigen Adressbildung ist dieser ausschließlich dem Rathaus vorbehalten, der Zugang zur Post erfolgt nach dem Umbau etwas weiter westlich.
Vom Rathausplatz aus gelangt man durch ein großzügiges Portal zunächst in ein kleines, zweigeschossiges Foyer, über das links das Erdgeschoss mit dem Bürgerbüro und geradeaus über den Aufzug sämtliche Etagen des Altbaus, einschließlich Ratssaal im Dachgeschoss barrierefrei erschlossen werden.

Neubau
In seiner Funktion ist der Erweiterungsbau ein klassischer Erschließungskern. Hier sind diejenigen Nutzungen untergebracht, die im Bestandsgebäude zu große Eingriffe in die denkmalgeschützte Substanz bedeuten würden. Neben Aufzug und erstem baulichen Rettungsweg sind dies die Toiletten für Mitarbeitende und Besucher auf allen Etagen. Die öffentlich zugängliche barrierefreie Toilette befindet sich im Untergeschoss und kann zu jeder Zeit über den Eingang auf der Südwestseite oder zu Öffnungszeiten des Rathauses über den Aufzug erreicht werden.

Bestandsgebäude
Das Bestandsgebäude beinhaltet sämtliche Funktionen des Rathauses. Die Erschließung der einzelnen Etagen erfolgt vom Erdgeschoss ins Obergeschoss über die Bestandstreppe, die feuerhemmend von den Ebenen getrennt ist. Ab dem ersten Obergeschoss bis ins Dachgeschoss wird die alte Treppe durch eine Neukonstruktion ersetzt, die in ihrer Geometrie den neuen Anforderungen angepasst wird. Zusammen bilden sie den zweiten Rettungsweg aus dem Ratssaal und den Büroetagen.
Zu den Büros gelangt man über einen mittigen Flur, der über Seiten- und Oberlichter der platzseitigen Trennwand zusätzlich natürlich belichtet wird.

Gestaltung Sitzungssaal
Im vollständig frei geräumten Dachgeschoss befindet sich der neue Sitzungssaal. Hierzu werden die Lasten des Uhrturms auf Binderebene abgefangen und über eine parallel zur Holzkonstruktion verlaufende Stahlverstärkung auf die Außenwände abgetragen. Trauzimmer und Nebenraum sind zum Dachraum hin offen und durch schwere Vorhänge zum Sitzungssaal hin abgetrennt, so dass dieser einfach zu einem Großraum erweiterbar ist. Zur Unterstützung der natürlichen Belichtung werden unterhalb des Uhrturms flächenbündige Verglasungen mit feststehender Verschattung in Farbe der Dachfläche angeordnet. Zur Sicherstellung des sommerlichen Wärmeschutzes wird das Dach neben einer Zwischensparrendämmung, die die Sparrenunterseiten sichtbar belässt, mit einer Holz-Weichfaserdämmung auf den Sparren versehen.

Fassaden
Die Fassaden des Bestandsgebäudes bleiben unverändert. Im Rahmen eines Gesamtenergiekonzepts kann entschieden werden, ob ggf. die Verglasung getauscht wird.
Der neue Zwischenbau erhält als niedrig temperiertes Gebäude eine zum Platz hin zurück gestaffelte Fassade aus Profilbauglas, durch die die Giebelwand des Bestandsbaus hindurch scheint. Die homogene, transluzente Hülle verleiht dem Neubau eine kristalline Anmutung, die sich gegenüber dem Bestand zurücknimmt.
Das Portal mit markantem Rahmen aus rotem Sandstein nimmt Bezug zu historischen Bauten aus der näheren Umgebung und öffnet den Blick auf das dahinter liegende zweigeschossige Foyer.

Erneuerbare Energien
Sowohl der Neubau wie auch das Bestandsgebäude werden mit PV-Modulen bestückt. Im Falle des Rathauses erfolgt dies in Form einer geometrisch angeordneten Indach-Solaranlage auf der Süd-Westseite. Der Zwischenbau erhält auf dem extensiv begrünten Flachdach nach Südwesten ausgerichtete PV-Module. Die Fahrradstellplätze vor dem Nebeneingang sind ebenfalls mit PV-Modulen überdacht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der bestehende Verbindungsbau zwischen Rathaus und Anbau wird durch einen neuen, kubischen Baukörper ersetzt. Hier sind eine neue, notwendige Haupttreppe, der Aufzug sowie Nebenräume angeordnet.
Vom Rathausplatz führt der Eingang in das zweigeschossige Foyer, von dem alle Bereiche des Rathauses und des Anbaus kompakt erschlossen werden. Der vorgestellte, zweigeschossige Portalrahmen in roter Sandsteinoptik erscheint allerdings überdimensioniert und nicht angemessen.
Der neue Verbindungsbau ist im zweiten Obergeschoss mit einem Balkon zurückgesetzt, um die Anbindung der weiteren Obergeschosse des Rathauses zu ermöglichen.

Die Staffelung des Baukörpers und vor allem der Vorschlag, einer transluzenten Fassadenhülle aus Profilglas wirken unpassend und können nicht überzeugen. Die Anschlüsse an die Bestandsbauten sind gestalterisch nicht gelöst. Die Umbaumaßnahmen berücksichtigen weitestgehend die Belange des Denkmalschutzes. Eine wesentliche Änderung stellt hier nur der verlagerte Zugang zum Erdgeschoss des Rathauses dar.

Die Bereiche mit Publikumsverkehr sind als flexible und offene Bürolandschaft zeitgemäß gestaltet. In den Gewölberäumen ist richtigerweise die Registratur vorgesehen. Die Büroräume in den Obergeschossen sind funktional und ohne Besonderheiten organisiert. Im neu ausgebauten Dach wird der neue Sitzungsaal als großer, offener Raum mit sichtbarer Dachkonstruktion angeordnet. Der räumliche Eindruck überzeugt.

Die vorgeschlagenen, zusätzlichen Belichtungen über Dachflächenfenster dürften zur Belichtung jedoch nicht ausreichen. Die Idee, Trauzimmer und Nebenraum mit flexiblen Vorhängen akustisch abzutrennen, ist sympathisch, lässt jedoch parallele Nutzungen nicht zu. Die denkmalgeschützte Treppe vom Erdgeschoss ins erste Oberge-schoss bleibt erhalten. Darüber wird die vorhandene Treppe erneuert und brand-schutztechnisch ertüchtigt, sodass hierüber der zweite Fluchtweg gegeben ist. Der Anschluss an den südlichen Freibereich im Untergeschoss ist funktional, aber etwas verwinkelt gestaltet. Mit der Bruttogrundfläche liegt die Arbeit im unteren Bereich. Durch die offene Gestaltung des Sitzungssaals ist das Bauvolumen im mittleren Be-reich. Organisation und Konstruktion lassen eine wirtschaftlich angemessene Realisierung erwarten.

Die Belange des Denkmalschutzes im Altbau sind beachtet. Die Gestaltung des neuen Verbindungsbaus mit Profilglas, etwas ungelenker Gliederung und übertriebenem Portal trüben den positiven Eindruck der gut gemachten Grundrissplanung und Saalgestaltung. Damit kann die Arbeit nicht umfassend überzeugen.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Untergeschoss

Untergeschoss

Obergeschosse

Obergeschosse

Konzept und Brandschutz

Konzept und Brandschutz

Gestaltung Dachgeschoss

Gestaltung Dachgeschoss

Perspektive Sitzungssaal

Perspektive Sitzungssaal