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Einladungswettbewerb | 01/2018

St. Peter und Paul in Marburg

Perspektive

Perspektive

Anerkennung

Preisgeld: 4.080 EUR

ATELIER 30 Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Gassen-Wege-Plätze: Das städtebauliches Ensemble

Der Leitgedanke für den Entwurf setzt auf ein städtebauliches Ensemble, welches durch eine gemeinsame Fassung das geistige- und spirituelle Zentrum der Kirchengemeinde bildet.
Analog des europäischen Stadttypus mit seiner über 1000-jährigen Geschichte bildet innerhalb dieser Fassung, das Prinzip der Raumfolgen, Gasse – Weg – Platz, die Basis für das städtebauliche und architektonische Grundgerüst des Entwurfes.
Eine Stampfbetonwand mit roten Farbpigmenten bildet dabei die umlaufende Fassung zwischen Alt und Neu. Der daraus resultierende Raum changiert zwischen introvertierten Sequenzen im Bereich der gefassten Plätze und sich öffnenden, bzw. einladenden Gesten bei den verschiedenen Zugängen.
Eine interne Achse verbindet diese einzelnen Hofsituationen analog einer Perlenkette miteinander. An diese platzartig gestalteten Flächen binden die verschiedenen Gebäude mit ihren internen Erschließungen an.
Durch diese sinnlich erfahrbaren Raumfolgen ergibt sich ein gut organisierter und logischer Rhythmus, der die unterschiedlichen Funktionen miteinander vernetzt, bzw. diese in einen räumlichen Dialog versetzt.

Im Bereich der Biegenstraße nimmt der erste Baukörper die Bauflucht der bestehenden straßenbegleitenden Bebauung auf. Eine kleine Gasse führt in den Hofbereich des Kindergartens. Ein Vorsprung zur Biegenstraße markiert dieser Baukörper im Kontext des Kirchturmes und dem bestehenden Kirchenbau einen einladenden Vorplatz. Von diesem aus gelangt man in den Haupteingang der internen gläsernen Erschließungsachse, welche alle Gebäude miteinander verbindet.

Im westlichen Bereich der Johannes-Müller-Straße verbindet eine Stampfbetonwand das bestehende Kirchengebäude mit einem weiteren Neubau. In diesem befinden sich im Erdgeschoss der Kindergarten und in den Obergeschossen die Gemeinderäume, bzw. die Priesterwohnungen. Während der Kindergarten seinen Eingang entlang der Johannes-Müller-Straße hat, erhalten die Gemeinderäume, bzw. die Priesterwohnungen ihren eigenen zurückliegenden Eingang über die introvertierte Hofsituation. Im westlichen Bereich befindet sich hier die unauffällige Zufahrt zur Tiefgarage.


Erlebbare Räume: Innere Organisation und räumliche Beziehungen

Im Bereich des Haupteinganges an der Biegenstraße befindet sich ein großzügiges Foyer mit den öffentlichkeitsnahen Funktionen wie dem Infopoint, dem großen Saal und dem Gastronomiebereich. Im Obergeschoss sind die Bereiche Verwaltung und Gruppenräume für Jugendarbeit angeordnet.
Im Kontext des Foyers werden auch drei Anbindungen zur bestehenden Kirchenraum vorgeschlagen, so dass diese bei bestimmten Veranstaltungen an die Neubauten angeknüpft werden kann.
Der gläserne Verbindungsgang mit seinen Freiraumbezügen verbindet das Foyer mit der katholischen Hochschulgemeinde und den Priesterwohnungen.
Unabhängig davon können diese auch über den introvertierten Hof an der Johannes-Müller-Straße erschlossen werden.
Der Kindergarten erhält einen von den übrigen Nutzungen unabhängigen Haupteingang. Die beiden zentralen Gruppenräume öffnen sich durch eine großzügige Verglasung zu einer gefassten und geschützten Außenspielfläche für die Kinder. Über eine Freitreppe gelangt man hier wiederum zu einem Plateau, welches an den gläsernen Verbindungsgang anbindet.
Zu diesem Plateau öffnet sich auch der große Saal. Gerade in den sommerlichen Abendstunden bildet dieser Bereich in Verbindung mit dem Foyer und dem großen Saal einen attraktiven räumlichen Rahmen für Empfänge und andere Veranstaltungen.
Durch das flexible Erschließungssystem findet einerseits eine optimale Vernetzung der verschiedenen Nutzungen statt, andererseits können diese auch separat, bzw. unabhängig und parallel bespielt werden. Überdies sind alle Räume barrierefrei erreichbar.


Das Gewand: Flexible Raumteilung

Im Kolloquium äußerte sich nochmals beim Nutzer der Wunsch, dass der innere Kirchenraum für bestimmte Veranstaltungen (z.B. Werktagskapelle, Meditationsraum, Kindergottesdienste) zu groß sei und man diesen gerne temporär unterteilen möchte.
Hieraus entstand die Idee eines von der Decke abgehängten Stahlrahmens, an welchem Stoffbahnen aus rohem Leinen heruntergelassen werden können. An bestimmten Stellen befinden sich Eingänge, bzw. Öffnungen. Zudem hat diese temporäre Raumkulisse auch akustisch wirksame Eigenschaften, als Raum im Raum, innerhalb der Kirche. In den Boden eingelassene induktive Magnetverbindungen halten die Stahlseile, die zur Führung des Stoffes dienen, auf Spannung.
Auf halber Höhe wirkt die Rauminstallation wie ein illuminierter Baldachin. Ist die Konstruktion mittels elt. steuerbaren Seilwinden eingefahren, befindet sich diese unterhalb der Decke als Beleuchtungskörper. Ggf. könnte die Konstruktion auch in die bestehende abgehängte Decke in Abstimmung mit dem Denkmalschutz integriert werden.
Im Kontext zum roten Sandstein wirkt das rohe Leinen wie ein filigranes archaisches Gewand innerhalb des katholischen Kirchenraumes.


Die Fassade: Materialität und Konstruktion

Für die Fassade der Neubauten wird eine Vorsatzschale aus rot pigmentierten Stampfbeton vorgeschlagen. In Abstimmung mit der 50-er Jahre Architektur der Kirche wurde eine monolithische Fassade entwickelt, welche zum Bestand ein angenehmes Selbstverständnis entwickelt, ohne diese zu kopieren.
Die Fuge bildet ein verglaster Verbindungsgang. Im Mittelpunkt des Konzeptes steht dabei eine gestalterisch spannungsvolle Koexistenz zwischen Alt und Neu.
Einzelne größere Fensteröffnungen zu den platzartigen Höfen erhalten einen präzise gefassten hellen Sichtbetonrahmen. Bei den großen Fensteröffnungen ist ein außenliegender Sonnenschutz in Form eines mobilen Metallvorhangs vorgesehen, der hinter den Sichtbetonelementen eingelassen ist. Die untergeordneten kleineren Fenster bilden einen gliedernden kleinteiligen Rhythmus im Fassadenbild und erhalten eine Sonnenschutzverglasung in Verbindung mit einen innenliegenden Blendschutz.
Die bestehende Fassade des Kirchenraumes wird im Bereich der Erweiterung durch den bestehenden Sandstein ergänzt.
Für die Neubauten ist folgender Wandaufbau von innen nach außen vorgesehen:
Sichtbetonwände SB2, Kerndämmung, Stampfbetonvorsatzschale.
In diesem Materialkanon sind für alle neuen Bodenbeläge ölgewachste Eichendielen geplant. Die Nebenräume erhalten einen geschliffenen Estrich als Bodenbelag. Die Gründung wird, vorbehaltlich der Baugrundaufschlüsse, als Flachgründung auf Einzel- und Streifenfundamenten vorgeschlagen. Die Konstruktion des Gebäudes ist mit einem wirtschaftlichen Konstruktionsrastern geplant. Das Konstruktionsraster basiert auf einem Raster von 5,00 m bzw. 7,50 m und einem Ausbauraster von 1,25 m. Somit sind flexible Raumaufteilungen und eine Fassadengestaltung möglich. Die Aussteifung der Gebäude erfolgt durch die Geschossdecken und die Erschließungskerne.


Freiflächen
Für alle Hofbereiche und dem Vorplatz wird ein einheitliches Sandsteinpflaster vorgeschlagen.
Die beschriebenen Stampfbetonwände mit ihren partiellen Öffnungen geben den introvertierten Hofflächen ihre räumliche Fassung. Die unterschiedlichen Geländeniveaus werden im Eingangsbereich mit einer Rampe, in den Höfen mit Stufen, bzw. im Bereich der Eingang KHG mit einem Aufzug barrierefrei überwunden.
In den Hofflächen aus Sandstein sind intarsienhafte Flächen mit differenzierten Belägen und Grünflächen eingelassen. Ein Cortenstahlband bildet den Übergang zwischen den Pflaster und Grün, bzw. Spielflächen. Teilweise sind auch Betonblöcke mit einer Eichenholzauflage als Sitzblöcke integriert.
Innerhalb der Höfe sind verschiedene Ahorngehölze als Solitärbegrünung geplant.
Diese gefassten hellen und freundlichen Innenhofsituationen korrespondieren in einem starken Maß über die verglasten Flur und Fensterflächen mit den Innenräumen der Gebäude. Dadurch entwickelt sich eine offene, und kommunikative Beziehung zwischen Freiflächen und Innenräumen. Überdies wird ein Lichtkonzept in Form von Wallwashern für die Stampfbetonwände der Innenhöfe, sowie eine Beleuchtung der Bäume mittels Bodenstrahlern in den Abendstunden vorgeschlagen.


Technisches und Energietechnisches Konzept
Alle Technikschächte und -trassen sind in durchgängigen Versorgungsschächten angeordnet. Zentrale Technikflächen befinden sich im Untergeschoss. Vertikale Schächte sind im zentralen Erschließungskern platziert. Von hier können alle Bereiche auf direktem Weg angefahren werden.


Konzeptionelle Grundsätze zu Nachhaltigkeit und Energieeffizienz:

• kompakte Bauweise
• Tagesbelichtung
• Fensterlüftung
• gut gedämmte Gebäudehülle
• optimierter / reduzierter Glasflächenanteil mit minimiertem Solareintrag
• optimierter sommerlicher Wärmeschutz / Nachtkühlung
• Bauteilaktivierung
• Einsatz effizienter Anlagenkomponenten mit Wärmerückgewinnung
• Optionaler Einsatz erneuerbarer Energien (Geothermie, Photovoltaik, Solarthermie)
• Einsatz recyclingfähiger, ökoeffektiver Baustoffe / Stichwort: Cradle to Cradle
• Bei Bedarf adiabate und freie Kühlung
• Optionale Regenwassernutzung für die Sanitärbereiche


Nachhaltigkeit
Die Gebäudekonzepte basieren zum einen auf das Errichten eines nachhaltigen und energieeffizienten Gebäudes, zum anderen darauf Restenergiebedarf regenerativ abzudecken.

Beurteilung durch das Preisgericht

"Die städtebaulichen Überlegungen mit dem differenzierten Raumangebot von Wegen und Plätzen und entspre-chender Gliederung der neuen Baukörper ist überzeugend gelöst. Das Heranführen des Saal- und Büroflügels an die Biegenstraße wird zunächst kritisch gesehen, ist aber in der 2-geschossigen Form akzeptabel.
Die Höhenverhältnisse des Grundstücks sind geschickt genutzt. Der südwestlich angeordnete „Klosterhof“ wird positiv notiert.
Die wesentliche Zuordnung und internen Wegeverbindungen sind gut gelöst. Die Eingangssituation mit Bistro und kurzem Weg zum Saal ist überzeugend gelöst.
Für die angebotenen Öffnungen zur Küche gilt das Gleiche. Die Lagerräume befinden sich unter der Kirche.
Der Vorschlag einer beweglichen Tuchkonstruktion im Kirchenraum als innere Abgrenzung ist bedenkenswert. Der Zugang der katholischen Hochschulgemeinde und deren innere Organisation werden kritisiert. Der Turn-raum des Kindergartens ist nicht nachgewiesen. Die Sakristei liegt sehr ungünstig zum Kirchenraum. Der Vor-platz wird vor dem Kircheneingang durch Bistrotische in Anspruch genommen. Die Abgrenzung zwischen Frei-fläche Kindergarten und Freifläche Pfarrei ist noch nicht zu Ende gedacht.
Gefärbter Stampfbeton ist durchaus eine gute Wahl für die Außenhaut, [...]."
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss