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Projektwettbewerb im selektiven Verfahren mit PrÀqualifikation | 03/2007

Stadtmuseum Rapperswil-Jona

1. Rang

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Architektur

ErlÀuterungstext

Schonungsvoll und ausdrucksstark

Wie ambitioniert darf ein neuer Museumsbau in einem mittelalterlichen Stadtkörper auftreten? Der Dachfirst des bestehenden einfachen spĂ€tbarocken Hauses senkt sich, um die Stadtsilhouette im Turmdach zum harmonischen Abschluss zu bringen. Solcher vor Jahrhunderten offenbar selbstverstĂ€ndlicher SensibilitĂ€t zollen wir Respekt, indem wir die Ansicht des GebĂ€udes von Norden unangetastet lassen. Es hindert uns aber nicht daran, die HĂŒlle formal neu aufzufassen und in einer expressiven Geste zum Hofraum hinunter zu falten. Freilich beruht auch dieses Element auf einer Grundhaltung des Schonens, der behutsamen Einordnung, denn die AnschlĂŒsse an den Baubestand sind so gelegt, dass sie nirgends die bestehenden Fenster- und TĂŒrgewĂ€nde schneiden. Der RĂŒcksprung des Hauses ist so gewĂ€hlt, dass das Bild der Gasse nur im Nahbereich, hier aber mit einer ausdrucksstarken architektonischen Figur bespielt wird.


Attraktive Zeitgenossenschaft

Damit bietet der Neubau den Altbauten ein selbstbewusstes GegenĂŒber. Wir wollen das Publikum mit einer Architektur begeistern, die den Blick fĂŒr das Alte nicht mit einer autoritĂ€ren Geste, sondern vermittels ihrer eigenen QualitĂ€t und PrĂ€senz schĂ€rft und daher ebenbĂŒrtig mit dem Bestand koexistiert. Wir wollen Ă€sthetisch, kĂŒhn, kritisch bauen. Durch die RĂŒcksichtnahme auf den Bestand und den stĂ€dtebaulichen Rahmen erleidet das Projekt nicht EinschrĂ€nkungen, sondern erhĂ€lt ein unverwechselbares Profil. Die rĂ€umliche Vielfalt, die Proportionen innen und aussen, die LichtfĂŒhrung, die SichtverhĂ€ltnisse sind letztlich aus dem historischen und rĂ€umlichen Kontext hergeleitet. Überraschende Ein- und Ausblicke, Zenitalbelichtung, verschleierte Öffnungen schaffen ein komplexes Geflecht von Vektoren und BezĂŒgen, die die Neugierde des Publikums auf eine Auseinandersetzung mit dem Kontext wecken. Die perforierte SĂŒdfassade kombiniert eine eigenwillige Form mit einer vorzĂŒglich patinierenden OberflĂ€che aus Baubronze. Erinnerungen an mittelalterliche Topoi haben den Entwurf bereichert, beispielsweise in der an eine ZugbrĂŒcke erinnernden Anordnung des Hauptportals.


Ein sinnerfĂŒlltes bauliches Ganzes

Die starke IdentitĂ€t des angestrebten architektonischen Dreiklangs zwischen dem Neubau und den beiden Altbauten ist auch deshalb nicht Selbstzweck, weil sie uns im Interesse der Orientierung im baulichen Ensemble unerlĂ€sslich erscheint. Der Gast soll wissen, wo er sich befindet, soll den Neubau mit SelbstverstĂ€ndlichkeit als Erschliessungs- und Infrastrukturkern annehmen. Gerade deshalb haben wir keine Bedenken, zwischen der stattlichen Weltgewandtheit des Brenyhauses und der archaischen Schweigsamkeit des Turms eine rĂ€umliche Skulptur mit schrĂ€gen Ebenen und Treppen im Zenitallicht zu inszenieren. Letztlich bieten diese und weitere, hier nicht vollstĂ€ndig aufzĂ€hlbare Elemente zeitgemĂ€sse Analogien zu Themen, die in den Altbauten mit zeitgenössischen Mitteln umgesetzt waren: das Auf und Ab zwischen Gewerbeteil, Wohngeschossen und Dachboden; das GefĂŒge von Hallen, Zimmern und Kammern, das Labyrinth von Treppen, GĂ€ngen und RĂ€umen.


Steigerung der Wahrnehmungsbereitschaft

Die Verlegung des Haupteingangs und der vertikalen Erschliessung in den Neubau dient in erster Linie der Inszenierung der Altbauten. Das Brenyhaus beispielsweise wird nicht mehr achtlos durchquert, sondern dank der „StichzugĂ€nge“ vom Neubau her als Ausstellungsgut verstehbar, sein Betreten ein bewusst vollzogener Akt der Aneignung. In dem Mass wie beispielsweise die Treppen im Altbau ihrer FunktionalitĂ€t entledigt sind, gewinnen sie als Gegenstand der Betrachtung und der spielerischen Auseinandersetzung.

Das vor der Kulisse der erhaltenen Stadtmauer aufgestellte Stadtmodell entfĂŒhrt das Publikum von der Aussenwelt in den Mikrokosmos des Museums: Es nimmt Inhalte der Ausstellung in verdichteter Form anschaulich vorweg, kann von der Galerie aus in der Vogelperspektive studiert werden, bereichert AnlĂ€sse symbolisch mit seiner PrĂ€senz und bietet sich als Ausgangspunkt fĂŒr StadtfĂŒhrungen und Museumsbesuche an. Dank der zentralen Erschliessung können Gruppen von hier aus direkt an die ausgestellten Themen oder in die Stadt gefĂŒhrt werden.


Vervielfachung der Möglichkeiten

Betrieblich erleichtert die neue Eingangshalle die AblĂ€ufe des Einpersonenbetriebs, indem Kasse, Aufsicht und Zugangskontrolle ĂŒbersichtlich in einem gemeinsamen Raum versammelt werden. Wesentlich sind der Gestaltungsspielraum und die Anregungen, welche das neue Raumangebot fĂŒr Ausstellungen und AnlĂ€sse suggeriert. An die Eingangshalle können nach Belieben der Gartenausgang, die Galerie und alle anschliessenden RĂ€ume zugeschaltet werden. Die weiteren RĂ€ume haben individuelle QualitĂ€ten fĂŒr ein breites Spektrum an musealen AktivitĂ€ten: Das 2. OG mit seiner berĂŒckenden Aussicht ĂŒber den See trĂ€gt die Erinnerung an die Zimmer des bĂŒrgerlichen Zeitalters in sich und eignet sich als Ausstellungskabinett. Das expressive Treppenhaus kulminiert im lichtdurchfluteten Dachraum und fordert zu Experimenten heraus.


Behutsamkeit im Einklang mit FunktionalitÀt

Der Neubau ermöglicht die rollstuhlgĂ€ngige Erschliessung der Altbauten ohne zerstörerische DurchbrĂŒche und haustechnische Kraftakte. Das durch die steile Treppe verursachte Erschliessungsproblem im 2. OG des Brenyhauses ist gelöst. Auf dem gleichen Standard wird neu der Dachstuhl des Brenyhauses erschlossen, was dem Museum zusĂ€tzliche FlĂ€che beschert, die wir uns als Black Box, beispielsweise als Projektionsraum fĂŒr filmische Perlen aus der Leuzingersammlung vorstellen. Die Altbauten bleiben unbeheizt, dadurch verbessern sich nicht nur die konservatorischen Bedingungen fĂŒr Substanz und Exponate, sondern bleibt ein wesentlicher Teil ihrer AuthentizitĂ€t erhalten. Insgesamt ĂŒberbrĂŒckt der Neubau unauffĂ€llig Stufen und Höhendifferenzen und bietet alle Annehmlichkeiten, die eine völlige Konzentration auf den Museumsbesuch ermöglichen.


Text: C. SchlÀppi, Architekturhistoriker, Bern