Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022
Stadtplanerische Umgestaltung Max Becker-Areal in Köln
©ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS, club L94 Landschaftsarchitekten
Fußgängerperspektive Hof
3. Preis / 2. Phase
Preisgeld: 20.000
ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH
Stadtplanung / Städtebau
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Verfasser:
Sebastian Hermann, Zafer Bildir, Jörg Ziolkowski, Prof. Oliver Hall, Peter Berner, Prof. Markus Neppl, Ingo Kanehl
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Mitarbeitende:
Timo Eisele, Natascha Lohner, Jörg Schatzmann, Lena Piepmeyer, Lucas Riera
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Das zentrale „IHREFELD“ ist das Herz des Quartiers – und das in vielfacher Hinsicht:
Das „Ihrefeld“ bündelt die öffentlichen Freiräume zu einem nutzbaren und erlebbaren Grünraum. Es entwickelt eine Größe, die klimatisch relevant für das Quartier ist und ist zentrales Element in der Regenwasserbewirtschaftung. Die umgebenden Quartiere wachsen an das „Ihrefeld“ heran und fassen es. Öffentliche Einrichtungen liegen konsequent am Feld, bilden die Ränder und interagieren. Nicht die Baulichkeiten, sondern das „Ihrefeld“ ist die Adresse an der Widdersdorfer Straße, die Schule wird Teil davon, macht den Auftakt an der Ecke Maarweg / Widdersdorfer Straße und sorgt zusammen mit den Villen und dem Baumbestand für eine standesgemäße und grüne Adresse. Der z-förmige Zuschnitt des Felds generiert dabei insgesamt maximal viele attraktive Lagen.
Das Quartier wird im Inneren autofrei organisiert. Die Fahrerschließung liegt an der Ostgrenze des Plangebiets als Bindeglied zum Nachbarbestand und dient von dort Tiefgaragen und einen Mobilitätshub mit Parkhaus an. Eine Wendeschleife rund um diesen Hub leitet zurück. Auch die optionale Shuttletrasse nimmt diese Route. Es erscheint jedoch sinnvoll, dass eine Führung über die Widdersdorfer Straße die bessere Alternative ist, solange nicht kleine autonome Einheiten unterwegs sind, sondern ein klassischer Bus. Die Westflanke wird vom Maarweg her erschlossen. Für den Rad- und Fußverkehr gibt es schnelle und direkte Verbindungen (Radschnellweg, Wege durch die Grachten und durch den Park) und kleine individuelle Routen durch die Quartiere. Fahrräder parken zielnah in den Erdgeschossen und Untergeschossen der Gebäude.
Quartiere, Lagen und Typen
So wird es öffentlich lebendig rund um und im Park. Die Erschließungen liegen konsequent an den Rändern. Das ermöglicht, die Quartiere in ihrer Tiefe qualitativ, gemischt und trotzdem konfliktarm zu entwickeln. Gewerbliche Nutzungen liegen in erster Reihe am Maarweg sowie entlang der neuen Erschließung. So haben sie durchgängig gute und erreichbare Adressen – auch durch den Radschnellweg! Gleichzeitig helfen sie, Lärmimmissionen zu mindern.
Gewohnt wird in drei angemessen dichten Quartieren, die sich jeweils Ihre Lage zu eigen und zum Thema machen: Das Maarwegquartier, das Quartier am Ihrefeld und das Radquartier. Die Quartiere zeichnen sich durch große Offenheit und einen durchgrünten Charakter aus. Die innerstädtische Dichte wird durch bewusste, aber verträgliche Maßstabssprünge immer wieder gebrochen, es entstehen lebendige und in ihrer Öffentlichkeit variierende Räume, die wieder kleinere Nachbarschaften zusammenbinden. Die offene Struktur ermöglicht immer auch weitere Blickbeziehungen und vermeidet trotz der urbanen Dichte das Gefühl von Enge. So kehrt in den Quartieren ein persönlicher und nachbarschaftlicher Maßstab und auch die notwendige Ruhe ein. Es gibt keine klassischen Blockinnenbereiche mit außenliegender öffentlicher Erschließung. Trotzdem folgt die Bebauungsstruktur einem klaren Ordnungssystem mit Einheiten, die sich beispielsweise eine Tiefgaragenzufahrt teilen und Gruppen, die Nachbarschaften bilden, so dass die schrittweise Realisierbarkeit über unterschiedliche Modelle immer gegeben bleibt und kein komplexes System entsteht.
Für die unterschiedlichen Lagen werden spezifische Typologien entwickelt: Im Radquartier am Schnellweg biegt man direkt mit dem Rad in die Garage ab und genießt in der Wohnung den grünen Innenhof im Süden. Man wohnt im Bellevue am Park, oder arbeitet im Aufgesockelten gleich unter der Wohnung im EG. Das Quartiershaus ist gemeinnützig und gemeinschaftlich angelegt und bietet hierfür extra Fläche in den Erdgeschossen. Etwas höher und direkt am Park zeigt das Klimahaus, was möglich ist.
Grundsätzlich ist die regelhaftige Geschossigkeit bei vier bis sechs Geschossen angelegt, eine Triologie von höheren Gebäuden fasst das Ihrefeld im Norden an seiner weitesten Stelle. Richtung Widdersdorfer Straße reduzieren sich die Höhen und der Park mit Baumbestand übernimmt das Zepter. Das Uhrenhaus wird als Markthalle Versorgungspunkt, kulinarischer Ort und liegt am Marktplatz. Ein größeres Gastronomieangebot liegt am Park. Kleinere Angebote finden sich in den Quartieren.
Im Nordosten des Felds wird ein großzügiger Retentionsbereich platziert, der bei Starkregenereignissen große Mengen an Wasser aufnehmen, rückhalten und vor Ort versickern lassen kann. Diese Fläche wird durch die Entwässerung der Quartiere, die über die Retentionsmulden in den blaugrünen Grachten erfolgt, gespeist. Diese Retentionsflächen erfüllen von daher nicht nur eine wichtige Funktion im Regenwassermanagement, sondern schaffen auch zusätzlich Lebensraum für eine besondere Flora und Fauna und tragen somit eine wichtige Funktion zur Entwicklung der Stadtnatur bei. Die Blühstreifen an den Parkrändern sind ebenfalls Teil dieses Entwässerungskonzeptes und können durch ein leichtes Kippen der Parkwiese Regenwasser aufnehmen. Gleichzeitig bieten sie für Vögel und Insekten eine Nahrungsquelle.
Durch die Wohnquartiere wird eine Art „Nachbarschafts-Band“ gelegt. Diese halböffentlichen Flächen sollen das nachbarschaftliche Miteinander stärken und beleben. Sie sollen in den gemeinschaftlich nutzbaren Flächen zum Urban-Gardening und zur Selbstversorgung motivieren sowie Raum für nachbarschaftliches Miteinander schaffen. Ausreichend Kleinkinderspielflächen sind ebenfalls in den privaten Innenhöfen verortet.
Der Großteil des wertvollen Baumbestandes bleibt erhalten, das Straßengrün wird aufgewertet und ergänzt. Im Hinblick auf den Klimaschutz und Klimafolgenanpassungsmaßnahmen wurde darauf geachtet, die Flächenversiegelung auf ein Minimum zu reduzieren. Plätze und Wege werden mit trockenheitsverträglichen Gehölzen begrünt, um für ausreichend Verschattung zu sorgen.
Integriertes Konzept für eine verantwortungsvolle Entwicklung
Ein integriertes Konzept zur verantwortungsvollen und zukunftsweisenden Entwicklung führt mehrere Ansätze zusammen.
Klimaanpassung
Das Plangebiet liegt in heute „belasteten Siedlungsflächen“, hat aber Potenzial zur „klimaaktiven Fläche“ zu werden und dadurch auch positive Auswirkungen für das Mikroklima im Veedel in Ehrenfeld beizutragen.
Mikroklima
Der zentrale Park dient als lokale, natürliche Kohlenstoffsenke und liefert so den wichtigsten Beitrag zu einem guten Mikroklima. Die erhaltenen und neu gepflanzten 800 Bäume produzieren Sauerstoff für rund 16.000 Menschen.
Schwammveedel Ihrefeld
Vom natürlichen Wasserkreislauf lernen und im Park mehr Flächen zum Versickern, Verdunsten und Zwischenspeichern von schaffen. Das Regenwasser verbleibt somit dort, wo es hingehört... im Veedel.
Städtebau
Die städtebauliche Struktur muss im Sommer: Durchlüftung fördern und Sonneneintrag minimieren und für thermischen Komfort im Winter: Sonneneintrag maximieren und Windschneisen vermeiden. Die städtebauliche Kompaktheit mindert den Heizwärmebedarf, während die Gebäudeausrichtung, wie auch die unterschiedlichen Dachformen und Dachneigungen die Maximierung der solaren Gewinne begünstigt. Der Infrastrukturbaustein Umspannwerk gliedert sich selbstverständlich am Maarweg in die Bebauungsstruktur ein. Gasregelstation und Energiezentrale sind bewusst sichtbare Elemente, und werden Teil des Systems. Im Zuge der Energiewende werden Infrastrukturbauten immer mehr Sichtbarkeit erlangen,fordern damit auch einen architektonischen Anspruch an Ihre Gestaltung ein und können somit erlebbar sein.
Erdwärmesonden liefern im Max-Becker-Areal bereits in 40 m Tiefe 2,0 - 2,4 W/mK. Und damit eine Leistung, die man in der Regel erst bei einer Bohrtiefe von rund 100 m erreicht. Die Nutzung des vorhandenen Geothermiepotenzials ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Energieautarkie, dadurch entkoppelt sich das Quartier von Schwankungen beim Gas- als auch Holzpreis und setzt auf eine lokale und gänzlich nachhaltige Energieerzeugung.
Mobilität
Die Mobilitätswende wird aktiv mitgestaltet und durch die Anbindung eines neuen Radschnellwegs das Wohlbefinden, die Gesundheit und den Übergang in eine CO -neutrale Zukunft im Veedel gefördert. Das Quartiersparkhaus ist Teil des Smart Grid und dient als „mobiler“ Zwischenspeicher für vor Ort produzierten Strom.
Klimawandelorientierte Bildung
Die Verortung bspw. des Energiepavillons im Park zielt darauf ab, Bewusstsein und Aufmerksamkeit für die Herausforderungen des Klimawandels zu schaffen. Die Kinder werden darauf vorbereitet und mit den Auswirkungen zu leben und befähigt zum Engagement.
Dipl.-Ing. Peter Berner
Dipl.-Ing. Andreas Kühn
Prof. Dipl.-Ing. Markus Neppl
Dipl.-Ing. Jörg Ziolkowski
Mitarbeiter:innen:
M. Sc. RWTH Natascha Lohner
M. Sc. RWTH Lena Piepmeyer
Dipl.-Ing. Timo Eisele
B. A. Ferdinand Holz
B. A. Timmy Fervers
Dipl.-Ing. Jörg Schatzmann
Dipl.-Ing. Frank Flor
M. Sc. Priyambada Das
B. Eng. Anna Kuptz
Beurteilung durch das Preisgericht
©ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS, club L94 Landschaftsarchitekten
Fußgängerperspektive Park
©ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS, club L94 Landschaftsarchitekten
Überflugperspektive
©ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS, club L94 Landschaftsarchitekten
Lageplan, ohne Gaskugel
©ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS, club L94 Landschaftsarchitekten
Lageplan, mit Gaskugel