Nichtoffener Wettbewerb | 03/2011
Stadtraum Bayerischer Bahnhof
Anerkennung
Preisgeld: 2.500 EUR
Molestina Architekten + Stadtplaner GmbH
Architektur
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Gesamthaltung: Städtebau verbindet
An der Schnittstelle zwischen einem Gründerzeitviertel und einer von Plattenbauten geprägten Siedlung bildet das Areal des BBL sowohl eine städtebauliche Zäsur als auch einen bindenden Raum. Hier bietet sich die Chance, die Stärken der beiden sehr unterschiedlichen Viertel in einer neuen Form des städtebaulichen Hybrids zu vereinen.
Den vorliegenden Wettbewerbsbeitrag sollte man als Vermittlungsangebot zwischen unterschiedlichen städtebaulichen Ansätzen verstehen:
Die offenen Grünräume der Plattenbausiedlung als landschaftliches Angebot entwickeln und die gefassten Räume der Leipziger Südstadt als urbanes Modell mit hoher Viertelsqualität modellhaft aufgreifen.
Das Parkquartier: grüne Wohnräume schaffen
Im Westen wird eine offene, von Grünräumen geprägte Struktur geschaffen, die viel Raum für individuelle Stadthäuser und Mehrfamilienhäuser bietet. Die Straßen des Gründerzeitviertels werden bis an den Rand des neuen Parks geführt. Die Kontext geschuldete Blockstruktur wird durch weitere kleine Straßen und Gassen gegliedert.
Eine Abfolge aus geschlossenen und offenen Räumen entfaltet sich in den Blockinnenbereichen, die so zu attraktiven Wohnhöfen werden. Das Parken für Anwohner wird unterirdisch vorgesehen, die Höfe sind frei für Fußgänger und Versorgungsfahrzeuge. In diesen Bereichen findet man ein üppiges Angebot an Spielplätzen, Grünflächen und allgemeinem Erholungsraum. Stadthäuser mit kleinen Gartenanteilen sowie Mehrfamilienhäuser mit großzügigen Terrassen grenzen an diese neuen Wohnhöfe an. Arbeiten und Wohnen ist hier in Kombination möglich, beliebt ist der hier befindliche Stadthaustyp mit einer Einliegerwohnung oder Büro im Erdgeschoss.
Zum Park hin im Süden befinden sich vier Punkthäuser mit 5-6 Geschoßen, die den länglichen Raum in Segmente gliedern und kleinere Parknutzungen an den Einmündungen der Straßen, die aus der Südstadt kommen, ermöglicht. Im Norden wird die Parkkante durch einen vier geschossigen Wohnriegel gefasst, der ganz im Norden zum Bayerischen Bahnhof auch eine Büronutzung unterbringt.
Das Medienquartier: Arbeitsplätze einbringen, Lofts bauen
Eine Reihe mit drei Bürobauten fasst den linearen Grünraum und schafft eine neue, eigenständige Büroadresse. Diese Bauten dienen der akustischen Abschirmung und bieten dem umliegenden Gewerbe im Bereich der Südstadt Erweiterungsraum oder ergänzende Gewerbenutzung. An der Ecke Kurt-Elsner-Straße/Altenburger Straße zur Semmelweißbrücke entsteht ein wichtiger neuer Block, der die Stadtkante fasst; hier wird die Typologie der Lofts weiter entwickelt. Entlang der Kurt-Elsner-Straße werden diese Lofts vorwiegend für Wohnen gedacht, in Richtung MDR dienen diese eher einer gewerblichen Nutzung.
Offener Stadtlandschaftspark: Lokhalle beleben und neue Schule einplanen
Der südliche Bereich des WB Areals zeichnet sich durch die Kleingartennutzung und die denkmalgeschützte Lokhalle aus. Hier wird die neue Schule attraktiv untergebracht. Einige Räumlichkeiten der Schule (Mensa, Kunst- und Unterrichtsräume) sollen, wenn möglich, in der Lokhalle integriert werden, so dass dieser historische Bau eine angemessene neue Nutzung erlebt und somit auch in den Alltag des Quartiers eingebunden werden kann.
Durch die Schulnutzung, deren Räumlichkeiten auch der Nachbarschaft zur Verfügung stehen können, und die Unterbringung sonstiger quartiernaher Nutzungen wird die Lokhalle wieder ins Leben erweckt. Wie der Kopfbahnhof im Norden wird sie ein wichtiges Identitätsmerkmal für das gesamte Quartier.
Von struktureller Bedeutung ist auch die neue Haltestelle, die Schule und Quartier gut mit den südlichen Stadtteilen vernetzen.
Das Wohnquartier am Bayrischen Bahnhof: Neue Wohnqualität und Freiraumangebot
Drei 3-geschossige Wohnriegel, in Nord-Süd Richtung orientiert, westlich der vier großen Plattenbauten fassen einen ruhigen, grünen Freiraum, der die umliegenden Plattenbauten aufwertet, und einen eigenen Erholungsbereich unmittelbar neben dem zentralen offenen „Gütergarten“ anbietet.
Dieser Grünraum wird von einer kleinen Erschließungsstraße umfasst, die von der Straße des 18. Oktobers aus erreicht wird. Die Erschließung der neuen Wohngebäude erfolgt hierüber.
Der Kulturbahnhof
Der denkmalgeschützte Kopfbau erhält neues Leben in einer Kombination aus Kulturforum / Eventraum und neuer Markthalle. Im „Fußstapfen“ des ehemaligen nordöstlichen Pavillonbaus ist ein neuer Veranstaltungsraum vorgesehen.
Im Inneren des bestehenden Gebäudes werden die Räume denkmalgerecht für kleine und mittlere Läden umgebaut. Kosten und Einnahmen stehen hier in guter Relation zueinander.
Die ehemalige Gleisanlage erhält eine neue, schlichte Überdachung, die dem Raum Maßstäblichkeit verleiht und eine Nutzung als Markthalle ermöglicht.
Der Kulturbahnhof bietet ein in Leipzig einmaliges, urbanes Angebot und wird ein verbindendes Element zwischen den Quartieren östlich und westlich der Gleisanlagen.
Im Osten grenzt ein 2-geschossiger, transparenter Neubau, der gewerblich genutzt wird, den Platz vom umliegenden Parkplatzareal vor den Plattenbauten ab.
Landschaftsarchitektonisches Konzept
Das Landschaftsarchitektonische Konzept für die Konversion des Stadtquartiers am Bayrischen Bahnhof gründet sich auf drei Säulen:
1. Schaffung innerstädtischer Freiräume der offenen und geschlossenen Blockrandbebauung zur Verbesserung der Stadtbild- und Aufenthaltsqualität. Grüne Innenhöfe und Einbindung in das übergeordnete Freiraumsystem.
2.Schaffung von Park und Garten und Spielflächen zu einem zusammenhängenden Freiraumstruktur mit hoher Nutzungsvielfalt. Stärkung des Radial und Ringsystem von Grünräumen und Stärkung ihrer Stellung im Biotopverbund.
3. Schaffung und Initiierung eines eigenständigen Park- und Freiraumtypus, dessen Ausstrahlungskraft helfen soll die städtebaulichen Wunden zu heilen.
Vernetzung und Einbindung in das Freiraumsystem.
Westlich des Areals grenzt das Gründerzeitquartier der Südervorstadt an den neuen Park. Ein beliebter und lebendiger Stadtteil, der sich in Ost West Richtung bis an den Clara Zetkin Park und den Auenwald erstreckt. Diese Vernetzung wird durch das Konzept gestärkt, indem die städtischen Fluchten aufgenommen werden und über Wege mit dem Wegesytem des Parkes verbunden werden. Der östliche Teil der Südervorstadt ist in seiner Entwicklung weniger stark wie die westlichen Teile mit Bezug zu den angrenzenden Landschaftsräumen. Dies wird sich durch den neuen Park in Zukunft ändern. Vor allem das kulturelle Leben der Südervorstadt mit seinen Studenten und Kreativen wird den Freiraum nutzen und mit Leben füllen.
In Verlängerung der Tarostrasse soll ein weiterer Steg den Trog der Bahntrasse überspannen und sich mit der Verlängerung der Arndtstrasse verbinden. Auf Höher der verlängerten Perlickstrasse im Süden ist ebenfalls eine Fußgängerbrücke zum MDR geplant.
Südlich des Lokschuppens auf der Ostseite der Trasse befindet sich die Kleingartenanlage Tiefland. Die Kleingartenanlagen sollen perspektivisch als integraler Bestandteil des Landschaftsbildes fungieren und über öffentliche Durchwegungen mit den angrenzenden Wohnquartieren vernetzt werden. Mit dem Schulneubau am ehemaligen Lokschuppen wird dieses Quartier noch mal eine besondere Aufwertung erhalten. Die Bahnhaltestelle Semmelweisstrasse wird dann eine wichtige Funktion bekommen und die Schülermassen direkt an die Schule heranbringen. Über den neuen Düsenerweg werden die Kindergärten im Spiel- und Sportpark erschloßen und eine direkte fußläufige Achse zum Kulturbahnhof aufgemacht.
Freiraumvielfalt in den grünen Höfen der Wohnquartiere
Der zukünftige Park gleicht das Freiraumdefizit der Südervorstadt aus und fungiert als Frischluftschneise, der kühle Luft aus den Landschaftsräumen an die Innenstadt heranführt.
Die Wohnquartiere am Park nutzen die Nähe an den Naherholungsraum und sind über die neuen Fuß- und Radwege mit dem übergeordneten Landschaftsraum verbunden. Auch die durch grünten und weitestgehend Auto freien Wohnumfelder haben einen hohen Erholungswert und garantieren qualitätsvolle städtische Freiräume.
Kulturbahnhof
Der Bahnhof initierte1844 für die Petersvorstadt eine Entwicklung die städtisches Wachstum nach sich zog. Neben den industriellen Nutzungen als Kohlebahnhof und Bahnbetriebswerk wurde mit dem Bayrischen Platz auch städtebaulich ein Entree geschaffen.
Das imposante Spätklassizistische Empfangsgebäude war mit der Einstellung des Bahnverkehrs in 2001 zunächst ohne Bedeutung. Die ehemaligen Schalterhallen werden aber heute schon gastronomisch genutzt. In Zukunft soll hier an dieser städtebaulich wichtigen Position mit der Neuen Haltestalle und der Nähe zur Innenstadt ein urbaner Schmelztiegel entstehen. Eine Mischung aus Kultur, Dienstleistung und Wohnen.
Für den Park und angrenzenden Quartiere soll der Bau wieder das Entree bilden und somit eine starke Konnotation bekommen. Fast wie eine Reminiszenz an die romantischen Gartenbilder des 18.Jahrhunderts wird hier der Zugang in den Parkraum inszeniert.
Sportpark und Gütergärten
Wechselspiel aus markanten Wohnscheiben und Punkthäusern im Osten und dem neuen Wohnquartier im Westen erhält der zentrale Bereich seine städtebaulichen Grenzen. Die Parkränder entlang der Kohlestrasse werden als urbane Säume mit Bäumen überstellt. Hier können kleinere Spiel und Aufenthaltszonen geschaffen werden. Das langgestreckte Raumgefüge des Gütergartens umfasst klassische Freizeit-Parknutzungen, wie z, B. Sonnenliegen, Picknik-Tische, Spieleinrichtungen für alle Generationen und Rasenböschungen zum Liegen in der Sonne. Die Mitte des Parks ist bewusst offen gehalten. Die leichte topografische Erhöhung verhindert den Blick auf das Bauwerk des Trogs. Die Böschungen sind Zitate an die Dammlagen der Bahntrassen. Der östliche Parkbereich im Umfeld des neuen Schulquartiers verbindet sich mit den vorhandenen Sportanlagen und schafft somit eine Weite und Großzügigkeit im Zentrum des Parks. Hier werden auch die zwei neuen Kitas mit viel Freiraum ihren Platz finden und können die Qualitäten des Freiraums mit nutzen.
Gestaltungsidee Gütergarten
Das Gestaltungsthema ist von den ehemaligen Gleisanlagen inspiriert und übersetzt die ökologischen Besonderheiten und die Form und Materialwelt in die Jetztzeit. Die ökologische Werte der Gleisbiotope können in großen Bereich erhalten oder weitergeführt werden.In diesen Böschungsbereichen siedeln vorwiegend mit Gras- und Krautfluren nährstoffarmer Standorte. Inzwischen haben sich auch Pioniergehölze in großer Artenvielfalt eingestellt Besonders zahlreich kommen Hänge-Birke und Strauchweiden vor. Hier ist in den Jahren eine enorme Standortvielfalt von offenen kiesig-sandig-lehmigen Böden bis zu verdichteten staunassen Bereichen mit Pfützenbildung anzutreffen ist. Die Schotterfläche des aufgelassenen Bahnhofs ist inzwischen von Ruderalfluren nährstoffarmer Standorte bewachsen. Ein besonders hoher Struktur- und Artenreichtum ist verfallende Gebäude eines ehemaligen Lokschuppens zu finden. Durch die unterschiedliche Besiedelung der verschiedenen Substrate mit Moosen, Flechten oder höheren Pflanzen ergibt sich kleinräumig ein breites Farbenspektrum. Spitz-Ahorn, Berg-Ahorn, Hänge-Birke, Gewöhnliche Waldrebe, Zwerg-Mispel, Blutroter Hartriegel, Eingriffliger Weißdorn, Esche, Heckenkirsche, Silber-Pappel, Vogel-Kirsche, Hunds-Rose, Kratz-Beere, Sal-Weide, Purpur-Weide.
Sie werden in Zukunft in die urbanen Säume integriert werden und transportieren das ökologische Thema in die Stadt hinein.
Die Wegeführung vom Bahnhof in Richtung Landschaft orientiert sich formal an den Gleisanlagen. Ein befestigter ca. 2,5 m breiter Weg aus großformatigen Betonplatten wird von einer offenen geschotterten Fläche begleitet. Diese kann für Jogger genutzt werden die auf weichem Untergrund besser laufen können.
Allmende- Urbane Landwirtschaft und Gartenglück
Auf der offenen Fläche westlich des Citytunnels in Nachbarschaft zum angrenzenden Wohnquartier wird als Zwischenlösung eine Allmende-Fläche angelegt.
Allmende bedeutet die gemeinschaftliche Nutzung der vorhandenen Böden und Flächen durch eine Siedlungsgemeinschaft. Im urbanen Kontext sprechen wir von interessierten Familien, Paaren, Singles und Gruppen. Je nach Bodenqualität sollen die Flächen zur Selbsternte genutzt werden. Andere Flächen können aber auch als längere Kulturen angelegt werden wie z. B. für Weihnachtsbäume. Außerdem sollen Sie der Kreativszene als Kunst oder Aktionsfelder zur Verfügung stehen und entsprechend Publikums wirksam inszeniert werden.
GemüseSelbsternte
Die GemüseSelbstErnte hat ihren Ursprung in Österreich, wo sie nun schon seit einigen Jahren unter dem Namen Selbsternte an verschiedenen Standorten erfolgreich durchgeführt wird.
Inzwischen gibt es viele Betriebe in Deutschland, die diese Form der Direktvermarktung praktizieren, ohne einen zugehörigen landwirtschaftlichen Betrieb zu benötigen.Das vorliegende Konzept ist vom Kölner Gartenglück erstellt.
Gartenglück ist ein großer, bunter Gemüsegarten, der unterteilt ist in viele gleichgroße Parzellen, auf denen jeweils dasselbe wächst. Hier hat jeder die Möglichkeit, einmal selbst einen Sommer lang Gärtner zu sein. Es werden verschiedene Gemüsearten gesät, Kräuter und Blumen und ab Mitte Mai können Sie eine solche Parzelle gegen einen einmalig zu zahlenden Saisonbeitrag übernehmen und dort bis November eine bunte Gemüsevielfalt ernten. Schon Anfang Juni kann es losgehen mit knackigen Radieschen und leckerem Salat!
Eine Parzelle ist ca. 100 m² groß und versorgt eine vierköpfige Familie eine Saison lang mit leckerem, qualitativ hochwertigem Gemüse aus eigener Ernte. Im Gartenglück hat man den ganzen Sommer und Herbst eine bunte, jederzeit frische Gemüsevielfalt zur Verfügung, deren Herkunft Sie selber ganz genau kennen!
Jeder kann mitmachen, auch ohne gärtnerische Vorerfahrung. Gartengeräte, Wasser zum Gießen und Informationen rund ums jahreszeitliche Gartengeschehen werden bereit gestellt.
Im April werden die verschiedenen Gemüsearten, Kräuter und Blumen in etwa 50 langen Reihen nebeneinander gesät und gepflanzt. Diese Reihen werden später quer unterteilt, wodurch Parzellen entstehen, die alle das gleiche Angebot an Gemüse umfassen. Bis Mitte Mai werden die jungen Pflänzchen gepflegt– dann findet die Übergabe im Rahmen eines kleinen Festes statt. Ab diesem Zeitpunkt sind nun alle angehenden Gärtner selber zuständig für das Wachsen und Gedeihen auf ihrer Parzelle, erhalten jedoch jederzeit Beratung.
Bedingungen zur Parzellennutzung
Auf den Einsatz von leichtlöslichem Mineraldünger und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ist zu verzichten. Bei eigenen Saaten und Pflanzungen sind Saatgut und Jungpflanzen aus ökologischer Erzeugung zu verwenden. Es dürfen keine auf Dauer angelegten baulichen Maßnahmen erstellt werden (wie z.B. Parzellenabgrenzungen u.ä.). Die Geräte, die zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung stehen, müssen im sauberen Zustand an den entsprechend vorgesehenen Platz zurückgebracht werden.