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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2023

Städtebauliche Entwicklung Alte Messe West in Leipzig

4. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

MM.WERK, Architektur . Entwicklung . Forschung

Stadtplanung / Städtebau

YEWO LANDSCAPES

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Kurzer Auszug aus Erläuterungsbericht zu Alte Messe West in Leipzig:

´THE BIG LEAF LAB LEIPZIG´
Die Ausgangslage: Im 21. Jh. löst die Biologie die Physik als Leitwissenschaft ab:
Die ehemalige Großmarkthalle ist beredtes Zeugnis des aufstrebenden Industriezeitalters, von Wirtschaftskraft, Kaufkraft, unbändigem Glauben an den Fortschritt, der Beherrschung der Natur durch den Menschen, der Möglichkeiten neuer Materialien wie des Baustoffes Beton und damit Symbol des 20. Jahrhunderts. Heute gilt es die gebaute Umwelt in die natürlichen Ökosysteme wieder einzugliedern.

Städtebauliche Grundstruktur: Erhalt des Bestandsgrüns als Leitmotiv für den Städtebau:
Bäume, Bestandsgrün, Biotope & Kleingärten haben bereits Einzug gehalten in den alten Gewerbestandort und bestimmen derzeit zusammen mit den Gebäudebeständen als eine Art ´Primärsukzession´ sein Aussehen. Der Erhalt des Baumbestands und der Bestandsgebäude (= graue Energie) bildete daher das Leitmotiv zur städtebaulichen Anordnung der Baukörper und zu ihrer volumetrischen Ausformulierung. So entsteht ´The big leaf lab Leipzig´, als wachsendes Grundgerüst für ein Gewerbegebiet des 21. Jh. mit Modellcharakter, auf der 35 ha großen Fläche in Leipzig. Wie in der Natur teilt sich das größere Motiv in fünf kleinere ´Blätter´, die Blatt-Quartiere, die sich ihrerseits wieder, durch Blattadern erschlossen, in kleinere grüne Zellräume strukturieren; es sind die Bauplätze mit Ihren neuen Gebäuden und einem innovativen Nutzungsmix.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln in ihrem Entwurf fünf unterschiedliche städtebauliche Typologien, die in ihrer Ausprägung jeweils eine große Eigenständigkeit aufweisen. Ausgehend vom vorhandenen Grün- und Baumbestand, der weitestgehend erhalten bleibt, wird ein Raumgerüst aus fünf etwa gleich großen sogenannten „Leafs – Blättern“ konstruiert. Da ist zum ersten der bestehende Kohlrabizirkus mit einem auf der westlichen Seite nachvollziehbar ausgebildeten Platzraum für Sport und Spiel und einem urbanen Kohlrabiplatz mit Kulturcafé als Mittler zwischen Halle und Lokschuppen.
Der Umgriff um die Markthalle mit erweitertem Zugang zum Untergeschoss erleichtert dessen Nutzung. Das sechsgeschossige Hotel am S-Bahnhof schränkt allerdings die Sicht von Westen auf die Raumkulisse des so besonderen Kuppelbaus stark ein und wird als zu hoch und mit seiner abgeknickten Baukörperform als fremd und willkürlich empfunden. Auch beeinträchtigt die Gebäudeanordnung die wichtige Wegebeziehung zum S-Bahn-Haltpunkt.
Die Gebäudereihung gegenüber den Tierkliniken ist dagegen kleinteilig und maßstäblich und als neues Gegenüber gut verträglich. Südlich des Kohlrabizirkus wird als individuelle Großform und innovatives Herz des Gebietes das „big Leaf“ als ein Foyer des 21. Jahrhunderts für den Kohlrabizirkus vorgeschlagen. Unter einem vollständig begrünten Dach, das öffentlich zugänglich für Sport und Erholung sowie als Grünraum einen Raumgewinn darstellt, werden zwei- bis viergeschossige Ebenen für Büro- und Laborräumlichkeiten entworfen. Diese können von den Nutzenden nach Bedarf flexibel aufgeteilt werden. Ob die Belichtung über Einschnitte und Höfe als „Ausschnitte im Blatt“ angesichts der dargestellten Gebäudetiefen immer ausreicht, ist fraglich.
Das dritte Blatt ist das Bio- Village an der Zwickauer/Landsteiner Straße, dessen Baufelder die gewünschte Größe und Maßstäblichkeit für Forschungsnutzungen erreichen. Die Anordnung der kompakten zellenartigen Baukörper rund um einen Dorfanger erzeugt gut nutzbare öffentliche Aufenthaltsflächen. Ausgehend von der Kreuzung Richard-Lehmann- Straße/Zwickauer Straße erstreckt sich das vierte Blatt in Form von kreisrunden „Baumscheibenhäusern“für das Großforschungszentrum, die mit Höhen zwischen drei und 21 Geschossen und ihren grünen Doppelfassaden große Prägnanz im Stadtraum erzeugen. Südlich der Richard-Lehmann-Straße wird mit dem fünften Blatt ein sehr dichtes Gebäudeensemble angeboten, das jedoch das bestehende Birkenwäldchen respektiert. Alle fünf Blätter bilden für sich starke Motive und eigene Identitäten. Darin liegen zweifellos der Mut und die Stärke des Entwurfs. Bei der „Legung der Blätter“ überwiegt aber für die städtebauliche Setzung der Formalismus.
Die Reaktion auf die Bestandsituation ist aus Sicht des Preisgerichts nicht immer nachvollziehbar. So hat das große Gründach keine Umgebung, die nach einer solchen Dachfläche verlangen würde. Das Großforschungszentrum ist aufgrund der Höhe und Ausbildung der Gebäude nicht realistisch in Bezug auf die Umsetzung und beachtet nicht die Gebäudehöhenbeschränkung um den Funkturm. Das Bio-Village arbeitet so stark mit den derzeit in Nutzung befindlichen Grundstücksbereichen, dass die Idee des Dorfangers nur sehr langfristig funktionieren kann.
Die Stärke der einzelnen Bausteine baut sehr auf der jeweiligen Form auf und erscheint dem Preisgericht nicht schlüssig in Bezug auf die absehbare Langfristigkeit der Gesamtentwicklung des Gebietes. Viele Baufelder sind zunächst nicht umsetzbar oder teilweise nicht öffentlich erschließbar. Ein Vorzug des Entwurfs wiederum ist die niedrige GRZ der bebauten Bereiche bei einer leicht überdurchschnittlichen Gesamtgeschossfläche. Bei den Baufeldtypen besteht ein deutlicher Überhang im Gebäudeangebot Typ 3 (Großforschungszentrum). Die Freiraumqualitäten zur Klimawandelanpassung sind als Klimakomfortinseln vorhanden und die Retentionsmaßnahmen sind entsprechend dargestellt (Schwammstadtallee, Wasserflächen). Das Straßenbaumkonzept ist weitgehend umgesetzt und die Bestandbiotope wurden erhalten.
Das hohe Maß der dargestellten Tiefgaragen wird aus Sicht des Baumschutzes als problematisch eingestuft. Insgesamt ein ideenreicher Entwurfsansatz mit einem experimentellen Charakter, der aber eher mit der Besonderheit der vorgeschlagenen Gebäudetypologien und Architekturen überzeugt, als dass er einen Städtebau mit der notwendigen Robustheit bietet. Dies kann in der Umsetzung zu großen Schwierigkeiten und gänzlich anderen Raumbildern als den versprochenen führen.
Lageplan 1:1000

Lageplan 1:1000

Lupe 1:500 ´Kohlrabiplätze´

Lupe 1:500 ´Kohlrabiplätze´

Im 21. Jh. =´Kohlrabi erhält grüne Blätter´

Im 21. Jh. =´Kohlrabi erhält grüne Blätter´