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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2025

Städtebauliche Entwicklung Baugebiet „Östlich Sonnensee“ in Bissendorf

Blick auf den Sternplatz

Blick auf den Sternplatz

Anerkennung

Preisgeld: 5.200 EUR

STUDIO RW | Landschaftsarchitektur + Stadtplanung

Stadtplanung / Städtebau, Landschaftsarchitektur

Studio Wessendorf

Architektur

Erläuterungstext

Leitbild
Eine Gemeinde am Übergang zur Landschaft. Eingebettet in eine Idylle weitläufiger Felder und hochwertiger Biotope. Dieser Ort wird weitergebaut, indem Gewohntes mit Neuem verbunden wird. Die Königsberger Straße setzt sich bis zum Westernwiesenweg fort und entfaltet dabei eine neue Urbanität an dem sternförmigen Quartiersplatz. Das neue Zentrum bündelt die großen Nord-Südachsen und verknüpft sie mit allen Himmelsrichtungen. Am Übergang zur Landschaft wird die Parkpromenade ein Teil des bestehenden dörflich, landschaftlichen Wegenetzes, das Begegnungsorte wie den neuen Spielplatz und den Sonnensee zusammenführt. Das neue Quartier bettet sich mit naturnahe Freiraumangeboten in die umgebene Felder und Biotoplandschaft ein und ergänzt und bewahrt gleichzeitig die gegebenen Qualitäten. Mit dem neuen Quartier wird Bissendorf harmonisch weitergebaut, indem sich bekannte Strukturen mit einer neuen Urbanität verbinden, die sich räumlich und typologisch vielfältig präsentiert. Neue Wohnformen und Freiraumangebote so wie innovative Mobilitätsformen prägen die neue Nachbarschaft für etwa 1.000 neue Bewohner*innen und bieten einen Mehrwert für die gesamte Gemeinde.  

Freiraum
Das Wegenetz präsentiert sich mit einer urbaneren Achse im Inneren und einer autofreien Promenade am Übergang zur Landschaft, die sich mit dem bestehenden Feldwegenetz verbindet und die großzügigen, naturnahen Freiräume im Süden und Nordosten in Beziehung setzt. Holter Bach und Sonnensee werden durch neue Wegeverbindungen mit dem Quartier und der Parkpromenade verknüpft. Der säumende Weg bietet Orte für Spiel, Sport und Bewegung innerhalb intensiver Parkfächen für ganz Bissendorf. Naturnahe, extensive Grünräume inklusive Landschaftsteich und bestehenden Biotopen sorgen für einen sanften Übergang zwischen neuem Quartier und umliegenden Biotopen und Grünstrukturen. Zwischen den Achsen spannen sich große, ländliche Baufelder im Maßstab Bissendorfs auf, dessen offene gemeinschaftliche Höfe von halböffentlichen Gartenwegen durchzogen werden. Die üppigen Baumstreifen in den Wohngassen verstärken den grünen Quartierscharakter. Lärmintensive Nutzungen wie Bolzplatz und Skateanlage sind in dem lärmbelasteten Bereich entlang der Autobahn verortet.  

Mobilität
Ziel ist ein möglichst MIV-armes Quartier mit hoher Aufenthaltsqualität, das einen realistischen Bedarf an gut erreichbaren Stellflächen abdeckt. Hierfür wird ein Stellplatzschlüssel von einem Stellplatz pro Wohneinheit bzw. 0,8 Stellplätze für den geförderten Wohnungsbau angesetzt. Die zentrale Zufahrt im Süden dient zur MIV- und Raderschließung und gabelt sich in zwei parallele Nordsüdachsen auf. Eine urbanere im Westen und eine autofreie Landschaftsachse im Osten. Entlang der urbanen Achse ist das Parken für EFH-Anwohner auf dem eigenen Grundstück erlaubt. Der größte Anteil des MIV-Stellplatzbedarfes wird jedoch durch die Setzung von drei zentralen Quartiersgaragen frühzeitig abgefangen und bündelt ihn entlang der urbanen Achse. Somit können die Landschaftsachse, Wohnwege und insbesondere die Parkpromenade autofrei entwickelt werden. Konventionelle Parkmöglichlichkeiten und modellhafte, autoarme Bereiche zeigen somit einen modernen und realitätsnahen Mobilitätsansatz. Fuß- und Radverkehr aus Bissendorf werden außerdem über die Fortführung der Königsberger Straße, der Parkpromenade und einer neuen Wegeverbindung an den Sonnensee attraktiv durch das Gebiet geführt. Der Anschluss an der Königsberger Straße dient als Notzufahrt. Jede MFH-Hausgemeinschaft hat eigene Fahrradräume im Erdgeschoss. Personenbezogene Stellplätze für mobilitätseingeschränkte Personen können bei Bedarf entlang der Nordsüdachsen in den straßenbegleitenden Grünstreifen integriert werden. Eine Reduzierung von 10% der Stellplätze aufgrund von Car-Sharing Angeboten wird durch den üblichen Aufschlag von ebenfalls 10% für Besucher*innen Stellplätzen bilanziell ausgeglichen.

Bauabschnitte
Im Sinne einer effizienten Erschließung und eines von Beginn an lärmgeschützen Quartiers wird das Gebiet von Süden nach Nordosten in drei Bauabschnitten ähnlicher Größe entwickelt. So werden zunächst die Baustrukturen im Süden am neuen Knoten entwickelt. Im zweiten Bauabschnitt werden dann die Baufelder am heutigen Ortsrand komplettiert und das Zentrum errichtet. Anschließend folgen die Baufelder am Parkrand. Pflanzungen und die Parkflächen sollten bereits in der ersten Phase entwickelt werden. Die Überbauung der beiden Bestandsgrundstücke kann zu jeder Bauphase flexibel dazu geschaltet werden. Jedes Baufeld kann bei Bedarf eigenständig und flexibel von mehreren Bauträgern entwickelt werden.  

Klimakonzept  
Aufgrund der schwachen Versickerungsfähigkeit des Bodens werden in einem dezentralen System Mulden und Zisternen eingesetzt. Diese speichern im Sinne einer Schwammstadt zusammen mit den Dachflächen das Regenwasser und sorgen für einen kühlenden Verdunstungseffekt. Am topografisch tiefsten Punkt im Norden befindet sich ein Retentionsteich, der bei Starkregenereignissen zusätzlich als Notüberlaufbecken fungieren kann. Anfallendes Grauwasser kann mittels Pflanzenkläranlagen in den Höfen aufbereitet und nutzbar gemacht werden. Photovoltaikanlagen auf Dächern und Fassaden sowie eine mögliche (Tiefen-) geothermie fördern die Energiegewinnung, während Baumverschattung angenehme Mikroklimata schafft. Die überwiegende Südost-Ausrichtung der Gebäude optimiert Lichtverhältnisse und Energieeffizienz.  

Typologie + Nutzung
Das Zusammenspiel und bewusste Durchmischen der verschiedenen Wohntypologien des Ein-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhauses ergeben das Bild eines generationsgerechten, sozial durchmischten und zeitgemäßen Wohnquartiers. Die lockere Bebauung erfährt im Zentrum eine urbane Verdichtung und raumbildende Konturierung. Zwischen vier- bis fünfgeschossigen Höhenakzenten und zweigeschossigen Einfamilienhäusern vermitteln zwei- bis dreigeschossige Stadthäuser. Die typologisch vielfältigen Baukörper bieten flexible Möglichkeiten, dem Bedarf an verschiedenen Wohnformen und Wohnungsgrößen gerecht zu werden. Grundstücke für Genossenschaften und Baugruppen können in verschiedenen Formen integriert werden. Der Anteil des geförderten Wohnungsbaus liegt bei 20 % aller Wohneinheiten, kann aber beliebig angepasst werden. Das ergänzende Angebot eines Quartierstreffs stärkt die Bewohnergemeinschaft und bespielt zusammen mit anderen aktiven Erdgeschossnutzungen wie z.B. gemeinschaftliche Wohn- und Arbeitsräume den Sternplatz. Die große Bandbreite von Gebäudetypen im Geschosswohnungsbau, die flexible Grundrissgestaltungen zulassen, schafft einen höchst resilienten und vielfältigen Katalog an verschiedensten Wohnformen. So können ca. 500 Wohneinheiten realisiert werden. Dabei entfallen ca. 50% der generierten Grundstücksflächen auf die verschiedenen Wohnformen des Einfamilienhauses und ca. 50% auf die des Mehrfamilienhauses.

Körnung + Lärmschutz
Die offene Bebauungsstruktur präsentiert sich in Varianzen in Höhen und Footprint, Rücksprüngen und Staffelungen und erzeugen somit eine vielfältige Ausgestaltung der zwei- bis viergeschossigen Baukörper. Somit erfolgt eine Vermittlung sowohl zur umliegenden Bebauung als auch zwischen den Kubaturen innerhalb des Quartiers. Am zentralen Quartiersplatz erfolgt eine Verdichtung zu teilweise geschlosseneren Bauformen mit fünfgeschossigen Akzenten zur Markierung und räumlichen Fassung. Die Lärmschutzbebauung im Süden entlang der Anbauverbotszone schützt das dahinterliegende Quartier.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt durch die entwurfliche Umsetzung des eigenen Leitbilds: „Mit dem neuen Quartier wird Bissendorf harmonisch weitergebaut, indem sich bekannte Strukturen mit einer neuen Urbanität verbinden, die sich räumlich und typologisch vielfältig präsentiert.“ Vor diesem Hintergrund ist die östliche Ergänzung des Bestands an der Stralsunder Straße und am Weidenweg genauso konsequent wie die Entwicklung von zwei dichten „Flügeln“ nördlich und südlich des Sternplatzes. Er vernetzt nicht nur mit dem bestehenden Wegenetz, sondern wird zum glaubwürdigen Mittelpunkt des neuen Baugebiets

Die Jury würdigt die selbstverständliche Organisation des neuen Baugebiets in vier großen, zum Rand hin aufgelösten Blocks, die sich nach außen durch vielfältige Wohntypen (einschließlich Bestand) zeigen und nach innen von einer glaubwürdigen Kombination privater und gemeinschaftlicher Freiflächen leben. Die Blocks ermöglichen somit gleichzeitig privaten Rückzug und soziale Gemeinschaft der Nachbarn. Der Anteil von ca. 20% Einfamilienhäusern erscheint der Jury allerdings als sehr gering. Umgekehrt sieht sie die hohe bauliche Dichte mit häufig vier-, am Sternplatz sogar fünfgeschossiger Bebauung kritisch und für Kontext Bissendorfs als übermäßig urban. Leider trifft die Arbeit keine Aussagen zu den Bauflächen südlich der BAB 30.

Die Ergänzung des dicht bebauten neuen Baugebiets durch attraktive und vielfältig nutzbare Freiräume im Übergang zu Landschaft sowie der schmale Grünstreifen entlang des Holterbachs überzeugen sehr. Dass entlang des Moorkamps keine ähnlich attraktive Randausbildung dargestellt ist, versteht die Jury als spannendes Potenzial für eine mögliche östliche Erweiterung. Leider versucht der Entwurf nicht, (Oberflächen-)Wasser als Gestaltungselement im Inneren des neuen Baugebiets zu nutzen, etwa entlang der westlichen Haupterschließung. Auch werden die Gestaltungsmöglichkeiten mit Wasser in den Blockinnenbereichen lediglich angedeutet, aber nicht qualifiziert. Die Jury würdigt die vielfältigen Vorschläge zur ökologischen und klimatischen Qualifizierung der neuen Bebauung.

Der Entwurf schlägt ein schlüssiges, orientierungssicheres und abschnittsweise realisierbares Erschließungssystem vor. Die beiden entlang der westlichen Haupterschließung angeordneten Quartiersgaragen liegen richtig, erscheinen aber eher als knapp bemessen. Eine weitere, auch als Teil des Lärmschutzes zur Autobahn vorgesehene Quartiersgarage bietet zwar zusätzlichen Parkraum. Die darüberliegenden Geschosswohnungen überzeugen die Jury nicht.

Die Arbeit besticht im Vergleich mit den anderen Lösungen durch ein sehr gutes Verhältnis zwischen Nettobauland, öffentliche Freiflächen und Erschließungsflächen. Sie gehört in dieser Hinsicht zu den besonders wirtschaftlichen Lösungen und kann gleichzeitig eine hohe städtebauliche Qualität umsetzen. Die Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Abfolge der Realisierungsphasen werden kontrovers diskutiert.

Die Arbeit liefert einen wertvollen, inhaltlich und gestalterisch zukunftsweisenden Beitrag zur Entwicklung am östlichen Ortsrand von Bissendorf. Trotz einzelner Kritikpunkte kann er die Jury in vieler Hinsicht überzeugen.
Schwarzplan

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Lageplan

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