Städtebaulicher Wettbewerb als parallele Mehrfachbeauftragung | 10/2024
Städtebauliche Entwicklung Henschel Areal in Kassel
©Cityförster / urbanegestalt
Blick in das Grüne Forum in der Produktschmiede
2. Preis
Preisgeld: 10.000 EUR
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Das Henschel-Quartier öffnet Denkmäler für die Öffentlichkeit und sichert sie
durch flexible Nutzung. Es integriert sich in die Stadt und ist für alle zugänglich.
Ziel ist es, die historische Industriekultur zu erhalten und nutzbar zu machen.
Denkmalgeschützte Gebäude werden behutsam restauriert und bleiben Teil
des öffentlichen Raums. Die industrielle Vergangenheit wird durch minimal-invasive
Eingriffe bewahrt, neue und vorwiegend gewerbliche Nutzungenbeleben
die alten Hallen. Der Freiraum wird transformiert, historische Spuren
wie Gleise und Kranbahnen bleiben erhalten, ergänzt durch Grünflächen
und Spielplätze. Städtebaulich schaffen kleinteilige Gebäudetypologien den
Übergang zu angrenzenden Quartieren, während Hochpunkte wichtige Orte
markieren. Verbindungen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen schaffen
ein durchgängiges und engmaschiges Netz im Quartier. Der Bestand wird
durch Neubauten ergänzt, die sich gestalterisch am Industriecharakter orientieren.
Historische Gebäudeteile bleiben erhalten und werden teilweise in den
Außenraum integriert. Im Zentrum des Quartiers entsteht eine „Halle für Alle“
mit Gastronomie, Kultur und Sport, umgeben von kreativen und gewerblichen
Nutzungen.
Das Henschel-Quartier setzt auf Nachhaltigkeit durch Erhalt der Bestandsgebäude
und Weiternutzung grauer Energie. Abbruchmaterialien werden vor Ort
recycelt, neue Gebäude aus nachhaltigen Materialien errichtet. Erneuerbare
Energien wie Solaranlagen und Geothermie versorgen das Quartier, während
Freiräume das Mikroklima verbessern.Die Kombination aus Historie, gewerblichen,
kulturellen und innovativen Angeboten macht das Henschel-Quartier
zu einem lebendigen Teil Kassels.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die übergeordnete Leitidee der „produktiven Stadt“ wird durch das vorgeschlagene städtebauliche und freiraumplanerische Konzept erreicht. Die zu erfüllenden Flächenanforderungen werden im Wesentlichen durch die Setzung von Hochpunkten in Form von Neubauten innerhalb des Quartiers generiert. Durch die Öffnung des Areals und Sichtbarmachung u.a. durch die Hochpunkte kann nach Realisierung von außen eine deutlich bessere Wahrnehmbarkeit und Identität des Areals entstehen. Die allgemeinen und individuellen Hinweise aus der 1. Phase wurden gut berücksichtigt und eingearbeitet.
Das Grundkonzept wird im Bereich der Kesselschmiede durch Neuorganisation der Grundrisse und Abläufe überarbeitet. Das städtebauliche Gesamtkonzept sieht an der Ostspitze ein Parkhaus vor. Aufgrund der Erschließung der Garage über die Mombachstraße gelingt es, dass nur notwendige Verkehre ins Quartier gelangen. Städtebaulich entsteht jedoch ein „verschenkter“ Ort in direkter Anbindung zum grünen Freiraum des Biotops. Die neben dem Parkhaus befindlichen Wohngebäude erscheinen in ihrer Dimensionierung wenig standortangemessen.
Die beispielhafte architektonische Qualität der neu hinzugefügten Baukörper erscheint dem Standort angemessen und gelungen.
Die vorgeschlagene Wohnbebauung an der Wolfhager Straße wird ambivalent betrachtet. Einerseits wird durch die neue Typologie versucht, dem Ort eine besondere Individualität zu geben und zwischen den unterschiedlichen Baustrukturen auf dem Henschel-Areal und an der Wolfhager Straße zu vermitteln. Anderseits haben die vorgeschlagenen Baukörper weder etwas mit der Typologie des Henschel-Areals noch mit der gegenüberliegenden Bebauung zu tun.
Die Funktionalität des Entwurfes ist erkennbar und auch in Abschnitten denkbar. Die Adress- und Identitätsbildung ist an ausreichend vielen Stellen gut gelöst. Besonders hervorzuheben ist das Hauptentree an der Wolfhager Straße mit der vorgeschlagenen Freitreppe, einem von der Wolfhager Straße direkt zugänglichen Gebäude und den interessanten Einblicken in das neue Quartier.
Aufwand und Angemessenheit der Konstruktion der neuen Baukörper erscheinen sehr aufwändig. Damit erscheint die Realisierung des Entwurfes nur dann möglich, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiv verändern. Speziell der auf einen „Tisch“ aufgeständerte Hochpunkt, der städtebaulich sehr gut platziert und ausgebildet ist, erscheint vom Aufwand her kaum realisierbar. Betont wird die interessante Abfolge von Freiraumsituationen, die durch die Gebäude entlang der Wolfhager Straße geschaffen wird und die mit der Wolfhager Straße interagieren, ihrer entsprechend aber auch ausgesetzt sind. Der Entwurf setzt im Kern auf eine sehr urbane Freiraumstruktur in die grünen Elemente eingefügt werden.
Ein grünes Band öffnet das Quartier zur alten Bahntrasse, die als Gleispark gedacht wird. Dieses Band funktioniert allerdings auch nur unter Hinzuziehung und Entwicklung dieser Flächen, die praktisch nicht zur Verfügung stehen. Die Freiraumsituation im Osten gewinnt durch die veränderte Erschließung der Garage, durch die veränderten Bauvolumina nicht. Der „Endpunkt“ des lebendigen Quartiers wird weiter nach Westen verlegt, dahinter verbleibt die Tiefgarage mit einem nun trotz Durchwegung weiter etwas undefiniertem Freiraum.
Stellungnahme Denkmalschutz
Hammerschmiede R1:
Die Setzung des Hochpunktes wird auf Grund der Höhe und dem Volumen störend wahrgenommen. Der Hochpunkt dominiert das gesamte Areal. Positiv hervorzuheben ist das Box-in- Boxsystem in den Hallen de R1 S2 bis S6. Ein umfangreicher Rückbau des Schiffes 7 der Hammerschmiede trägt zur Erlebbarkeit der zurzeit verstellten Fassade des Schiffes 6 (Curt von Brocke) bei.
Kesselschmiede R5:
Im Zuge der Überarbeitung wurden die mehrgeschossigen Einbauten in die Hallen der Kesselschmiede in Längsrichtung der Hallen gedreht. Dies wird von Seiten des Denkmalschutzes positiv wahrgenommen. Wie schon in der 1. Phase geht mit dem Eingriff ein hoher Substanzverlust in die Dachtragstruktur einher. Die Eingriffe in der R5 sind allerdings laut der Kategorisierung der Vorprüfung von Seiten des Denkmalschutzes vorstellbar. Positiv zu bewerten ist das innere Erschließungssystem. Somit können Eingriffe in die Fassaden vor allem in der Brandaustraße verringert werden. Die differenzierte geschossweise Unterteilung der einzelnen Nutzungseinheiten bewahrt den inneren Raumeindruck der ehemaligen Hallen im Zusammenhang mit den geschaffenen Lichthöfen und Querstraßen. Nachträgliche Variabilität der Größe der Nutzungseinheiten ist wegen des Erschließungssystems immer möglich. Die neuen Eingriffe in die inneren sowie äußeren Fassaden der Hallen der R5 müssten auf das absolut notwendige Maß (was Belichtung, Belüftung und Erschließung betrifft) reduziert werden.
R6+R7+R8:
Der Neubau eines Torgebäudes trägt zur Integrität der geschlossenen Fassadenreihung der Brandaustraße bei. Der Teilabbruch bis auf das Tragwerk für die neue Durchwegung ist positiv zu bewerten, gleiches gilt für die Rekonstruktion der ursprünglichen Höhe des Wasserturms von R8.
Denkmäler im Freiraum:
Der Erhalt des historischen Freiraums, der in gleicher Weise wie die Gebäude selbst die Produktionsabläufe bezeugt, ist positiv zu bewerten. Dies wird ermöglicht durch geschickte Setzung einzelner Gebäudekörper entlang der Wolfhager Straße und Platzierung von Neubauten auf ursprünglich bebauten Flächen.
Das sensible und qualitätvolle Konzept kann insbesondere durch die grundsätzliche Ausbildung der Wohnbauten an der Wolfshager Straße, den gelungenen Zugang zum Quartier und die gute Erschließung der Hallen sehr überzeugen. Durch die Setzung der Hochpunkte liegt hier ein Problem für eine baldigen Realisierung, denn es erscheint kaum möglich, ohne Neubauten zu beginnen.
©Cityförster / urbanegestalt
Der Kranbahnpark als Grüne Mitte
©Cityförster / urbanegestalt
Entrée des Henschel-Areals
©Cityförster / urbanegestalt
Lageplan
©Cityförster / urbanegestalt
Grundriss Erdgeschoss
©Cityförster / urbanegestalt
Schnitt durch die Hammerschmiede
©Cityförster / urbanegestalt
Neue Typologien in alten Hallen
©Cityförster / urbanegestalt
Typologien des Freiraums
©Cityförster / urbanegestalt
Modellfoto