Wettbewerblicher Dialog | 09/2020
Städtebauliche Gesamtentwicklung Charité Campus Virchow-Klinikum in Berlin
3. Rang
Stadtplanung / Städtebau
Architektur
Neumann Gusenburger Landschaftsarchitekten
Landschaftsarchitektur
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebauliches Konzept
Der Ansatz, den geschlossenen Campus zu öffnen und durch Quartiersbildung neue Adressen zu schaffen, wird positiv gewertet. Die Umsetzung des raumstrategischen Ansatzes mit einer gleichförmig über den Gesamtcampus gelegten Typologie kann jedoch nicht überzeugen. Die Bebauung im südlichen Bereich wirkt zu stark verdichtet, der Abstand zwischen den Neubauten der Südschiene und dem Hauptgebäude gedrängt. Die Konzentration aller klinischen Funktionen auf dem südlichen Campusareal bietet Potentialflächen für heute noch nicht bekannte Nutzungen im Bereich der Nordschiene. Dies birgt aber die Gefahr, dass die dargestellte Inszenierung der Mittelallee im Zusammenspiel mit der urbanen Nord-Süd-Kaskade über einen heute nicht absehbaren Zeitraum durch Leere im Norden gestört wird.
Freiraumkonzept
Das Freiraumkonzept mit der in ihren historischen Qualitäten gestärkten Mittelallee und der urbanen Nord-Süd-Achse ist überzeugend. Die räumlichen Dimensionen der Nord-Süd-Kaskade und deren baulicher Abschluss im Süden werden kritisch gesehen. Der abwechslungsreiche Uferpark und der durch Relikte der historischen Mauer abgegrenzte Patientengarten versprechen eine hohe Qualität, was jedoch durch die zusätzliche Baufeldausweisung im Park konterkariert wird.
Nutzungskonzept
Das Nutzungskonzept entspricht nach Fertigstellung der Komplettmaßnahme den Anforderungen. Allerdings bleibt der in der Auslobung formulierte zeitlich gestaffelte Erneuerungsbedarf einzelner Gebäude bzw. Gebäudeteile unberücksichtig.
Erschließungskonzept
Das Erschließungskonzept wird in Teilbereichen kritisch gesehen. Angesichts der geplanten Nutzungskonzentration entlang der Südstraße wird die Leistungsfähigkeit des neuen Zugangs an der Föhrer Straße in Zweifel gezogen. Die Abwicklung des Lieferverkehrs über die Ver- und Entsorgungsstraße zwischen Sylter Straße und Haupteingang Seestraße mit Anbindung an ein umfangreiches neues Tunnelsystem ohne Nutzung des Bestandes ist sehr aufwendig. Die vollständig autofreie Mitte wird kritisch hinterfragt.
Nachhaltigkeit
Es wird ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz aufgezeigt, der jedoch vornehmlich auf die künftige Entwicklung abzielt. Mit dem Abriss funktionstüchtiger Gebäude und der Errichtung des Tunnels in Phase 1 wird die graue Energie des Bestandes wenig berücksichtigt.
Prozessgestaltung und Wirtschaftlichkeit
Positiv hervorzuheben ist, dass das Konzept ohne Rotations- bzw. Interimslösungen auskommt. Allerdings vernachlässigt die grundsätzliche Neustrukturierung des Campusareals, mit Konzentration der klinischen Bereiche südlich der Mittelallee, zeitnah erforderlichen Erneuerungsbedarf. Mit dem Ersatzbau der Südschiene kann frühestens im Jahr 2037 begonnen werden.