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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016

SWR Medienzentrum

Perspektive Hans-Bredow-Straße

Perspektive Hans-Bredow-Straße

1. Preis / Zur Realisierung empfohlen

Preisgeld: 36.000 EUR

Wurm+Wurm Architekten Ingenieure GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Erläuterungstext Phase 1:
Topographie, Kontext und Campusidee
Die Verfasser nutzen das erweiterte Wettbewerbsfenster um den Hang zu bebauen. Von der Hans-Bredow-Str. wirkt das Gebäude wie vier einzeln gegliederte Bauteile, die in ihrer Gebäudehöhe gestaffelt sind und mit der oberen Funkhöhe einen Campus bilden.
Die bestehenden Gebäude sollen außer durch die direkte Brückenanbindung auch über Fußwege mit dem neuen Medienzentrum allseitig vernetzt sein.
Die im Hanggeschoss liegenden öffentlichen Bereiche der Kantine, Cafeteria und Konferenzräume werden durch eine große Terrasse zusammengefasst. Über diese können sie über Treppen sowohl von der Hans-Bredow-Str., als auch von der oberen Funkhöhe von außen erschlossen werden. Das Motiv der Treppen und Terrassen ist in Baden-Baden allgegenwärtig. Das Gebäude mit seinen Terrassen, den Treppen und dem terrassierten Hang sind das Leitmotiv des Entwurfs. Die Gebäudeerschließung für Fahrzeuge erfolgt für PKW’s von oben über die Parkierung bei der oberen Funkhöhe und die neue Umfahrung die direkt zum zukünftigen Haupteingang führt, als auch für die LKW – Anlieferung von einem tieferliegendem Anlieferhof mit separater Zufahrt.
Die Büroflächen sind durch die pavillionartige Auffächerung entlang dem Hangrücken in Flächen von ca. 400 qm aufgegliedert. Jede Fläche ist in jeder Büroform bespielbar. Die einzelnen Büroflächen sind durch freigelegte Ecken wie freistehende Pavillons. So ist ein schöner Blick in die Umgebung möglich. Diese Fugen sind verglast in die Tiefe gezogen, um auch Licht in die Erschließungszonen zu bekommen.
Die komplette Ausdehnung dieses Bereiches entlang des Hangrückens soll diesen auch mit der bestehenden Bebauung der oberen Funkhöhe verbinden.
Die Verfasser wollen hier auch nochmal den kontextuellen Entwurfsansatz hervorheben, der die bestehende Bebauung zu einem Campus zusammenführt. Deshalb auch die starke Gliederung des Gebäudes, um die Maßstäblichkeit der oberen Funkhöhe aufzunehmen. Nicht gewollt ist Repräsentation und Abgrenzung gegenüber der bestehenden Bebauung, sondern Integration zu einem Ganzen. Dem harten Maßstabsbruch der unteren Bebauung mit seiner zusammenhängenden Großform und der eher kleinteiligen Bebauung der oberen Funkhöhe wurde vermittelnd, ausgleichend entgegengewirkt. Deshalb die Höhenstaffelung, die auch Maßstabsbezüge zu der zukünftigen Wohnbebauung am Tannenhofareal herstellt.
Ein Solitär wäre nicht die Lösung auf die komplexe städtebauliche und topografische Situation. Trotz dieser gewollten Gliederung in der Außenwirkung wollte man auf die Vorteile eines kompakten Solitärgebäudes nicht verzichten. Die Gebäudeerschließung entlang des Hangkammes ermöglicht sowohl kürzere Wege, als auch eine klare interne Orientierung, so dass bei der späteren Nutzung keine Abstriche an Funktionalität und Flexibilität und Wandelbarkeit der Nutzungen hingenommen werden müssen.
Die Gebäudeeinschnitte sind Fixpunkte, zwischen diesen können die Flächen frei genutzt werden. Die Übereckbelichtungen ermöglichen ausreichend tiefe Flächen, die alle Möglichkeiten einer modernen Bürolandschaft offen lassen, denn offene Strukturen werden die klassische Büroarchitektur ablösen.

Erläuterung zur Überarbeitung Phase 2:
Die Überarbeitungsphase trägt der Forderung nach einem öffentlichen Zugang von der Hans-Bredow-Straße Rechnung. Dieser ist jetzt klar den öffentlichen Bereichen des Sockelgeschosses zugeordnet. Das Foyer erhält so einen öffentlichen Charakter und wird in die Bereiche der Cafeteria und der Tagung und des Kasinos inhaltlich mit einbezogen. Es kann für öffentliche Veranstaltungen und Führungen mit genutzt werden ohne den Bürobetrieb zu stören.
Das zentrale Foyer im Bürobereich von Phase 1 entfällt zu Gunsten eines ausgeprägten Verbindungsweges der alle jeweiligen Pavillons wie eine Mall verbindet, entlang dieser inneren Haupterschließung bilden sich Kommunikationsbereiche wie Markplätze: Jede Abteilung hat so einen Marktplatzbereich. Dezentrale Netzwerkstrukturen ersetzen ein zentrales Foyer. Der Vorteil liegt hier klar in der Nutzungsoffenheit und Nutzungsvielfalt. Ein eigener Kommunikationsbereich schafft auch innerhalb einer Arbeitsgruppe Identität.
Die an der Fassade liegenden Arbeitsplätze sind Bereiche für kontemplatives und konzentriertes Arbeiten: So genannte „Me-Spaces“. Die inneren Marktplätze und die Hauptstraße sollen den Informationsaustausch die kreative Störung ermöglichen: Sie sind die „We-Spaces“. Offene Treppen mit Lufträumen bis ins Dach innerhalb der Büropavillions ermöglichen eine freie Zirkulation zwischen den Ebenen.
Im Grund ist die Büroplanung dem Städtebau ähnlich. Man strukturiert Nutzungen in öffentliche und private Bereiche, Orte des Zusammenkommens und die Infrastruktur. Diese Struktur gibt auch der Form des Arbeitens eine klare Struktur: Kommunikation und Ruhe und selbstbestimmter Wechsel zwischen diesen Bereichen.

Gebäudeheizung:
Mit der energiesparenden Gebäudehülle verschiebt sich der Bivalenzpunkt für die Gebäudeheizung. Die Heizlast sinkt und die Kühlung steigt in modernen Bürogebäuden. Das Gebäude wird nur noch an sehr kalten Tagen kurzzeitig eine Heizlast haben. Die Raumheizung erfolgt durch eine Flächenheizung (Kühl-/Heizdecke), die mit sehr niedriger Vorauftemperatur betrieben werden kann. Für die Bereitstellung der Niedertemperaturheizung eignen sich in hervorragender Weise Wärmepumpen. Als Abwärmequelle steht die Außenluft und an sehr kalten Tagen der Wärmeentzug über Erdwärmesonden zur Verfügung. Der Standort des SWR in Baden-Baden hat einen Untergrund aus Bundsandstein, dieser eignet sich hervorragend für den Wärmeentzug. Die Wärmepumpe arbeitet mit dem Sicherheitskältemittel R1234ZE mit einem GWP (Global Warming Potential) = 7. Hierdurch ist ein zukunftssicherer und nachhaltiger Betrieb der Anlagen sichergestellt.
Die notwendige Wärme für die Warmwasserbereitung der Küche (für Legionellen- / Hygieneschaltung bis 75 °C) auf einem höheren Temperaturniveau wird von BHKWs erzeugt. Der erzeugte elektrische Strom wird im Rechenzentrum verbraucht. Eine Heizzentrale im herkömmlichen Sinn wird für dieses Bürogebäude nicht mehr benötigt.

Gebäudekühlung:
Die gut beschattete Gebäudehülle reduziert die äußere Last für die Gebäudekühlung. Energiesparende Bürogeräte sorgen für eine geringe innere Last. Dadurch sinkt der spezifische Kühlbedarf für die Räume, die notwendige Raumkühlung kann durch eine Kühl-/Heizdecke erfolgen. Dadurch, dass die Kühlung der Zuluft durch direkt im Lüftungsgerät eingebaute Wärmepumpen/Kältemaschinen erfolgt, kann das Kaltwassernetz für die Bauteilkühlung auf eine höhere Temperatur angehoben werden. Hierdurch ergibt sich ein besserer COP- bzw. ERR-Wert und somit ein geringerer Energieverbrauch. Das Kaltwasser für die Gebäudekühlung wird von den reversibel arbeitenden „Großwärmepumpen“ bereitgestellt. Eine intelligente Schaltung entzieht dem Erdsondenfeld Kälte für die Gebäudekühlung. Wenn diese nicht ausreicht, schaltet sich die Kältemaschine zu. Die Abwärme wird über Trockenkühltürme abgefahren. Die Wärmepumpe/Kältemaschine arbeitet ebenfalls mit dem Sicherheitskältemittel R1234ZE. Zwischenzeitlich liegen Langzeiterfahrungen über dieses Kältemittel vor.

Serverräume / Casino (Küchenbereich):
Die Kühlung der Serverräume erfolgt mit Luft, die im Winter und in der Übergangszeit als freie Kühlung arbeitet. Wenn das Potential der Außenlufttemperatur für die Kühlung nicht mehr ausreicht, wird die mechanische Kühlung zugeschaltet. Die Raumkühlung Casino erfolgt über thermisch aktive Decken, dadurch kann die Kaltwassertemperatur angehoben werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, Casinokühlung und Serverraumkühlung über ein Kaltwassersystem zu fahren. Drei Kälteeinheiten arbeiten zusammen auf einen Pufferspeicher, somit ist die Redundanz für die Rechenzentren n+1 erfüllt und es werden Investitionskosten eingespart. Fällt eine Kältemaschine aus, stehen immer noch zwei Einheiten für die Rechenzentren zur Verfügung. Auch diese Kältemaschinen werden mit dem Sicherheitskältemittel R1234ZE betrieben, die Wärme wird über Trockenkühltürme abgefahren.

Lüftungstechnik:
Der Standort Baden Baden eignet sich für freie Nachtauskühlung der Räume, weil die Lage am Waldrand/abfallender Bergrücken für kühle Nachtluft sorgt. Es können Fensterflügel geöffnet werden, um die Thermik zu nutzen. Falls sich aufgrund der Gebäudestruktur keine freie Durchströmung einstellt, kann auch die Lüftungsanlage Büro zur Nachtauskühlung herangezogen werden.Die Büroräume werden über ein Quellluftsystem gelüftet. Die Luftverteilung ist turbulenzarm, die frische Luft erreicht die Personen im Raum. Die Abluft wird über Öffnungen zum Flur abgesaugt. Die Luftaufbereitung erfolgt in energieeffizienten Zentrallüftungsgeräten mit Doppelwärmetauscher und adiabater Kühlung. Die Geräte haben vollintegrierte, reversibel arbeitende Kälteaggregate, Kältemittel R1234ZE. Durch das ausgeklügelte Gerätekonzept wird der Restwärme und der Restkühlbedarf gegenüber herkömmlichen Geräten deutlich reduziert, dadurch sinkt die notwendige Kühlleistung der zentralen Kälte. Der Nachteil des Geräts, die fehlende Feuchtübertragung, wird durch die Energieeffizienz wettgemacht. Im Winter wird die trockene Zuluft befeuchtet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf sieht einen Gebäudekomplex vor, der sich mit Selbstverständlichkeit in sein schwieriges Umfeld einbindet. Das Plateaugeschoss definiert die Raumkante zur Hans-Bredow-Straße und öffnet einen Eingang zu den öffentlichen Bereichen des Kasinos, der Cafeteria und der Konferenzräume. Die Arbeitswelten sind in pavillonartigen Gebäuden auf dem Plateaugeschoss angeordnet und auf dem Hangrücken aufgefächert. Während die Pavillons in ihrer Maßstäblichkeit und Kubatur zum Haus des Hörfunks und zur zukünftigen Wohnbebauung am Tannenhof vermitteln, bindet das Plateaugeschoss an die großmaßstäblichen Gebäude des Haus des Fernsehens an und besetzt die Hangkante. Der Gebäudekomplex umschließt im Spiel mit der Topografie einen Hof im Süden, der es mit dem Haus des Hörfunks verbindet. Die Anbindung an das Haus des Hörfunks im Süden und das Haus des Fernsehens im Norden erfolgt über Brücken und über den Außenbereich. Gerade im Außenbereich sind die gestalterischen Möglichkeiten, die Pavillons der Arbeitswelten an des Haus des Hörfunks anzubinden, noch nicht ausgeschöpft. Ein qualifizierter Freiflächenplan könnte sowohl die Erschließung wie auch die Aufenthaltsqualitäten im Freiraum für Pausenzeiten verbessern. Das Konzept der großen und flexibel nutzbaren Büroflächen und ihre innere Verbindung entsprechen den Anforderungen des SWR an crossmediale Arbeitsplätze. Die innere Erschließung der Pavillons erfolgt entlang eines Verbindungswegs, der an den Kommunikationsbereichen der einzelnen Pavillons vorbei führt. Diese sogenannten „Marktplätze“ bedürfen allerdings noch der gestalterischen Überarbeitung und der programmatischen Ergänzung, wenn sie ihre doppelte Aufgabe als Kommunikations- und Erschließungsbereiche erfüllen sollen. Da die Eingänge über den Außenbereich auf zwei Pavillons beschränkt sind und das offene Raumkonzept nicht nur für „kommunikative Störungen“ anfällig ist, sollte das innere Erschließungskonzept im Zusammenhang mit der äußeren Erschließung und der Freiraumgestaltung überdacht werden. Die innere Verbindungsstraße sollte nicht als Sackgasse enden. Die Nutzflächen der Arbeitswelten liegen an der unteren Grenze.
Der Raumzusammenhang der öffentlichen Bereiche und ihre Erschließung sind überzeugend gelöst. Die vorgelagerten Terrassen versprechen attraktive Nutzungsmöglichkeiten im Sommer. Die klare Unterscheidung in zentrale Treppenerschließung zur Hans-Bredow-Straße und in den nördlichen Anlieferungshof wird begrüßt. Auf der Ostseite wird der sensible Umgang mit der Topographie vermisst, der jedoch auf der Westseite zur Hans-Bredow-Straße gut ausgebildet ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist positiv anzumerken, dass die vorliegende Planung in seiner Höhenentwicklung unter der Hochhausgrenze liegt. Der Entwurf überzeugt durch eine sehr gute Flächeneffizienz und eine gute Haustechnikstruktur. Der Vorschlag der thermisch aktivierten Decken, der konstruktive Sonnenschutz über die Terrassen und der Verzicht auf eine Doppelfassade werden positiv beurteilt. Bei der Gestaltung der Fassaden steht aus Sicht des Preisgerichts die horizontale Schichtung im Vordergrund und nicht die gestalterische Überformung der Deckenkanten in Polygonen.
Der Entwurf besticht insgesamt durch seine städtebauliche Einbindung in seiner Höhenentwicklung und das Angebot der Arbeitswelten in der offenen Pavillonstruktur.
Perspektive Eingangssituation

Perspektive Eingangssituation

Perspektive Foyer

Perspektive Foyer

Lageplan

Lageplan

Grundriss Ebene 0

Grundriss Ebene 0

Grundriss Ebene 1

Grundriss Ebene 1

Grundriss Ebene 2

Grundriss Ebene 2

Grundriss Ebene 3

Grundriss Ebene 3

Grundriss Ebene 4

Grundriss Ebene 4

Grundriss Ebene 5

Grundriss Ebene 5

Ansicht Hans-Bredow-Strasse

Ansicht Hans-Bredow-Strasse

Perspektive von Süden

Perspektive von Süden