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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2021

„The Caring Town” Quartier Backnang West 2050 im Rahmen der IBA’27

5 Inseln im Fluss

5 Inseln im Fluss

ein 2. Preis

Preisgeld: 24.000 EUR

StudioVlayStreeruwitz ZT-GMBH

Stadtplanung / Städtebau

Carla Lo Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

SOLIDE RADIKAL – ZEITEN ENTDECKEN

Das Projekt etabliert den Faktor Zeit als strategisches und taktisches Instrument städtebaulicher Inwertsetzung: Backnang wird in einen Zustand aufregender Transformation versetzt – die Gleichzeitigkeit unterschiedliche Geschwindigkeiten initiiert eine Gemengelage an Umwandlungsprozessen, deren Sprengkraft subversiv unter dem Deckmantel eines soliden räumlichen Gefüges agiert.

Territorium im Fluss
Der Landschaftsraum ist der strukturbildende Raum der Murr-Metropole. Die Stadt Backnang hat sich immer im Dialog mit der Murr entwickelt. Dieser Dialog soll wiederhergestellt werden. Bestandteile eines Gebens und Nehmens zwischen Fluss und Stadt sind: der Fluss als Infrastruktur (Erholung, Hochwasserschutz, ökologischer Ausgleich), der Mäander des Flusses als räumliches Ping-Pong sowie die ausgeprägten Hänge Richtung Flussbett als topographische Grundlage der räumlichen Entwicklung, die gestärkt werden sollen.

5 Inseln
Aus den Zusammenhängen von Topografie, Gebäudebestand, Infrastrukturen, Nutzerinnen, Ökosystem ergeben sich 5 atmosphärische und morphologische „Inseln“, die eine jeweils spezifische Umgangsweise erfahren. Die Differenz der Situationen wird bewusst gestärkt: Diskontinuität, Fragmenthaftigkeit und Überraschung sind essentiell für den Charakter von Backnang West und sollen auch in Zukunft in Szene gesetzt werden – räumlich, landschaftlich und programmatisch.

von Insel zu Insel
Die Inseln sind vom Freiraum umspült und durch ein feingliedriges Netz von Fuß- und Radwegverbindung verbunden. Neue und alte Wege kreuzen sich mit der fließenden Bewegung des Landschaftsraums und ermöglichen eine neue Wahrnehmung des ehemaligen Industrieareals.

STÄDTEBAULICHES UND FREIRAUMPLANERISCHES KONZEPT

situative Transformation – sanfte Stadterneuerung re-loaded
Prinzipiell gilt: Bestand vor Neubau. Der Neubau wird dem Bestand unterstützend zur Seite gestellt und stärkt ihn, anstatt ihn zu verdrängen. Eine Praxis des „As-Found“ stellt die bestehenden Gebäude und Infrastrukturen des alten Industrieareals in den Fokus des Konzeptes. Auf Basis präziser Gebäudegutachten und mit Hilfe von Baumaterialkatalogen werden objektspezifische Umnutzungs- und Umbaustrategien entwickelt, die im Spannungsfeld zwischen Zustand und Nutzungspotential eine neue städtebauliche Langsamkeit propagieren, die dem Bestand Zeit gibt, sein Potential zu entfalten. Zur Orchestrierung dieses Prozesses wird das IBA-Labor zur Bestandsaktivierung ins Leben gerufen, zur Aktualisierung der „sanften Stadterneuerung“ in Zeiten der Ressourcenknappheit.

Geschwindigkeit vor Maßstab
Anstelle einer auf Massstäblichkeit beruhenden Setzung ist der städtebauliche Rahmenplan geschwindigkeitsorientiert. Er setzt sich zusammen aus Zeithorizonten und Tempi der Transformation, die die Parallelität unterschiedlicher Geschwindigkeit ermöglichen. Bis zur Eröffnung der IBA im Jahr 2027 werden bestimmte Baufelder gezielt in der Entwicklung vorgezogen, um als Show-Case-Projekte dem Anspruch der Bau-Ausstellung gerecht zu werden. Diese Projekte beleben zugleich wie Akupunkturen das gesamte Gebiet und setzen die Entwicklung in Gang. Parallel werden langsamere Prozesse in Bewegung gesetzt, die eine nachhaltige Transformation des Bestands sichern. Sukzessive Impulse und Teilrealisierungen der Transformationsstrategien begleiten die Entwicklung Backnangs zurück an die Murr. So bleiben auch auf lange Frist noch Flächenressourcen erhalten, mit denen auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert werden kann. Die verschiedenen Geschwindigkeiten erlauben somit sowohl eine aktive Impulssetzung als auch eine überlegte und resiliente Entwicklung.

Magnetisierung
Grundprämisse ist die generelle Nutzungsoffenheit ALLER Gebäude, was Struktur und Raumhöhe angeht. So befreit sich die Bebauung von der schwerfälligen Zuweisung funktionaler Kategorien angesichts einer komplexen und schwer absehbaren Zukunft.
Stimuliert durch Magneten der Nutzung, die an neuralgischen Punkten implementiert werden, entwickeln sich statt klar abgegrenzter Nutzungsbereiche offene Spannungs- und Wirkungsfelder. Ausgangspunkt der „Caring Town“ sind dabei die ansässigen Nutzerinnen und Akteursnetzwerke, die bereits heute den Ort prägen. Ziel ist es, die bestehenden Strukturen zu stärken und mit der Entwicklung des neuen Quartiers Backnang West zu verweben. Spontane Ereignisse und konstante Prozesse ergänzen sich und interagieren in einer kurartierten Kollision, die das Aufeinandertreffen und Nebeneinander von Differenz begleitet.

Vernetztes Achipel
Auf Basis der fünf atmosphärischen Inseln werden räumliche und programmatische Ensembles gebildet, die einen Dialog zwischen Bestand, Neubauten, Freiraum und den Nutzer*innen aufbauen und dabei bestehende Identitäten stärken und neu Atmosphären entwickeln. Identitätsstiftenden Freiräume bilden innerhalb der kleinteiligen Nachbarschaften ein gegliedertes Raumgerüst mit unterschiedlichen Qualitäten. Architektonische und programmatische Prototypen werden Bestandteil der IBA 2027 und Impulsgeber für die zukünftige Entwicklung.

Freiraumcolliers Murr
Die Murr ist ein dynamisches Freiraumcollies. Von den Bädern im Nordosten über den Naturpfad zum Schloss und die Bacsalmas Anlage zieht sich die Freiraumperlenkette bis an die Ausläufe der Stadt im Südwesten. Hier im Projektgebiet werden prozesshaft zwei neue Parks mit der Flussdynamik und Hochwasserschutz als Entwurfselemente entwickelt. Die Kurven der Murr sind dabei besonders spannend, da sich die Dynamik am eindrucksvollsten zeigt. Der nördliche Murrpark brandet bis zur alten Mühle am Steilhang und gibt der Murr wieder Platz. Dass die Murr diesen Hang ursprünglich geformt hat, wird wieder spür- und erlebbar. Ein extensiver und vor allem robuster Gestaltungsrahmen integriert das Thema Hochwasserschutz pro-aktiv. So schaffen Überflutungs- und Retentionsbereiche einen dynamischen Park, der seine Gestalt, samt Topographie und Vegetation über die Jahre hinweg verändert. Die am Standort gelegene Infrastruktur wird integriert und zum Teil des neuen Parks und seiner Atmosphäre. Der am südlichen Gleitufer gelegene Murrinselpark eröffnet die Chance auf die Entwicklung von Anlandungsbereichen in Form von Schotterbänken. Auch hier wird die Dynamik zum Protagonisten der Gestaltung. So entsteht ein weitgehend naturnaher Park mir großzügigen Wiesenflächen, Spielplätzen und einer Art naturnaher Strand direkt am Wasser als neues Highlight für Backnang.

MOBILITÄT

Die zentrale und dennoch diskrete Lage der Sammelgaragen ermöglicht aufgrund des engmaschigen Wegenetzes eine gute Erreichbarkeit für alle Baufelder. Mobilitätsstationen mit E-Mobilen (Mikro-Lieferwägen, Lastenfahrräder, E-Scooter) und daran angedockten Fahrradabstellplätzen sorgen für eine effiziente Binnenmobilität. Die Fahrradabstellplätze sind dezentral auf den Baufeldern im Gebiet verteilt (maximaler Komfort durch unmittelbare Nähe zu Hauseingängen bzw. Treppenhäusern).

ENERGIEKONZEPT

Anknüpfend an das Konzept eines hochmodernen, vernetzten Stadtentwicklungsgebietes wird ein Energieversorgungssystem kreiert, welches hinsichtlich Nachhaltigkeit und Resilienz neue Maßstäbe setzt. Die Verschiedenartigkeit der Energieanwendungen innerhalb des Quartiers wird genutzt und erlaubt die Realisierung eines ausgeglichenen, netzdienlichen Gesamtsystems. Weiterhin werden die am Standort umfangreich vorhandenen Umweltenergie-Potenziale maximal ausgeschöpft, wodurch eine jahresbilanziell vollständig regenerative Deckung des Heiz- Kühl- und Strombedarfs erreicht wird. Innovative Energiespeicher, sowie die Einbindung von zentraler und dezentraler Mobilität runden das Energiekonzept ab.

Regionales Potenzial
Teil der EU-Leitstrategie ist eine drastische Erhöhung der aus erneuerbaren Quellen bezogenen Energie. Darum werden die am Standort, bzw. in dessen Nähe befindlichen Potenziale aus Sonnenenergie maximal ausgenutzt und durch die energetische Nutzung des Ab- und Grundwassers ergänzt. Systemkomponenten werden „Clusterweise“ ausgeführt, um im fortschreitenden Bauablauf mitzuwachsen. Dadurch erfolgt eine nahtlose Anpassung der Lasten.

Sektor Kopplung
Die Sektoren Wärme-/Kälteerzeugung, Strom und Mobilität werden in einem gemeinsamen holistischen Ansatz optimiert. Hierdurch wird möglich, was bei einer getrennten Betrachtung der Sektoren unerreichbar wäre: Ein ganzheitlich miteinander kommunizierendes System, das durch effiziente Lastverschiebung wesentlich zur Dekarbonisierung jeder Einzelkomponente beiträgt.

Mobilität
Sowohl die dezentrale wie die zentrale Mobilität sind Elemente des gesamten Energiekonzepts. Private-, sowie Sharing-PKW werden an zentralen Stellen netzdienlich geladen. Ein Elektrolyseur ermöglicht außerdem die Energiespeicherung in Form von Wasserstoff und erhöht den Eigenverbrauchsanteil des Photovoltaikstroms wesentlich. Die dabei entstehende Abwärme wird innerhalb des Stadtentwicklungsgebietes genutzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Grundidee der Verfasser 5 verschiedene atmosphärische und morphologische Inseln entlang der Murr zu schaffen, passt zum Diversitätsanspruch der IBA 2027. Insgesamt zeigt das städtebauliche Konzept neben einer hohen Dichte eine gute Integration der Bestandsbauten. Diese „As-Found“ Gebäude bilden den Start und werden sukzessive von Neubauten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ergänzt. Die vorgeschlagenen neuen Baustrukturen bleiben abstrakt und können so nutzungsoffen und prozesshaft auf die spontanen Ereignisse oder konstante Entwicklungen im Quartier reagieren.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Realisierung bestehend aus für die IBA vorgezogenen schnellen Show-Case Projekten bis hin zur langsamen Transformationsprozessen sollen die überlegte und resiliente Quartiersentwicklung ermöglichen. Dazu geben die Verfasser mit den bunten Baufeldern zwar eine zeitliche Abfolge, die städtebaulichen Qualitäten der Quartiere in dieser zeitlichen Abwicklung bleiben offen.

Die klare Abgrenzung der kompakten Quartiere in Kontrast zu den weitläufigen und extensiven Grünräumen ist konsequent und überzeugend, die Kompaktheit im Norden ist aber in Bezug auf Besonnung/Beschattung problematisch.

Die Freihaltung der Fläche vor der alten Mühle am nördlichen Prallhang der Murr wird positiv bewertet. Ihre Ausgestaltung mittels eins extensiven und robusten Gestaltungsrahmens als dynamischer von der Murr geprägter Parkraum wird begrüßt. Auch der südliche Murr-Inselpark am Gleitufer entwickelt als naturnaher Park mit großzügigen Wiesen, Spielflächen und der Möglichkeit des Elements des Wassers ist richtig gewellt. Die Freiflächen der Archipele als Platz und Hofräume sind in ihrer Proportionalität und räumlicher Erfahrbarkeit in Ordnung, der gesamte Versiegelungsgrad ist aber wesentlich zu hoch. Auch erscheint die Homogenität der Freiflächen als wenig überzeugend und inspirierend.

Die Verfasser konzentrieren das Parken an vier Standorten, entlang des Stadtrings, im Bereich Mitte (2x) und im Süden. Durch die beiden letzteren wird Verkehr in den Stadtteil hereingezogen. Die Parkhäuser sollen so gestaltet werden, dass diese (Teil)rückgebucht werden können. Im Straßenraum werden Sharing-Stationen (Auto+Rad) angeordnet. Eine Buslinie wird über Wilhelmstraße/Fabrikstraße/Hauffstraße (neue Brücke) in einer Schleife durch das Erschließungsgebiet geführt. Über deren Stadtverknüpfung wird leider keine Aussage getroffen.

Durch die großflächige Aktivierung der Dach- und Fassadenflächen – bei einer gleichzeitig sehr kompakten Bebauungsstruktur – besteht das Potential die Energieversorgung im Quartier klimaneutral zu realisieren.

Die Arbeit stellt typologisch und strategisch einen innovativen und interessanten Beitrag zur Lösung der Planungsaufgabe dar. Bestehende Mängel könnten eventuell im Rahmen der vorgeschlagenen strategischen Ansätze lösbar sein.
Lageplan

Lageplan

Solide Radikal – Zeiten ent-decken

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Die IBA 2027 als Free-Space begreift Architektur als Möglichkeitsraum. Offene Räume, umnutzbare Garagen und Case-Study Houses zeigen die Vielfalt zwischen Bauen und Leben.

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Ein Quartier mit Freiräumen für alle Lebenslagen bietet Rückzugsräume und Arbeitsorte gleichermaßen.
Großzügige Flanierstraßen und kleine Gassen ermöglichen eine feinkapillares Durchwegung mir spannenden Raumerlebnissen.

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Ein neuer Vereinstreff punkt mit Bildungsauftrag lässt die Murr erfahrbar machen.

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Zum erfahrbaren Begegnungsraum wird der neue Fußweg an der Murr.

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Brücken bauen als Maxime des neuen Stadtteils: Zwischen Mensch und Natur, Generationen übergreifend oder zwischen Fremden und Alteingesessen.

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An der Murr entwickelt sich Backnang als Stadt und Lebensraum seiner BewohnerInnen.

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Neues Leben entsteht durch die innere Kraft von nutzungsoffenen Typologien.

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Zwischen Wiesen und Wäldern wohnt es sich im Blick in die Landschaft.

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Plakat 1

Plakat 1

Plakat 2

Plakat 2

Plakat 3

Plakat 3

Plakat 4

Plakat 4