Offener, anonymer Realisierungswettbewerb in 2 Phasen nach den GRW 95 | 01/2006
Topographie des Terrors
Lageplan
2. Preis
Architektur
ErlÀuterungstext
Konzept
Das GelĂ€nde zwischen der NiederkirchnerstraĂe (frĂŒher Prinz-Albrecht-StraĂe), der WilhelmstraĂe und der Anhalter StraĂe wird von der Stiftung als wesendlicher Bestandteil und âerstes Exponatâ der Dokumentation âTopographie des Terrorsâ gesehen.
Die Aussagekraft dieses historischen Ortes dient der Vermittlung historischer Kenntnisse ĂŒber den Nationalsozialismus und als Anregung zur Auseinandersetzung mit dieser Geschichte und ihren Folgen nach 1945.
Das neue Gesamtkonzept fĂŒr das GelĂ€nde und das Dokumentationszentrum soll diesen Vorstellungen Rechnung tragen.
An diesem âOrt der TĂ€terâ sollen dem Besucher RĂ€ume und Strukturen angeboten werden, die nichts erzwingen und fĂŒr alles gedankliche offen sind.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die bis 1945 von den Institutionen des NS-Terrors genutzten GebÀude abgerissen und das GelÀnde planiert.
ZukĂŒnftig entstehen auf dem GelĂ€nde zwei unterschiedliche RundgĂ€nge, die auch kombiniert werden können und ein neues Dokumentationszentrum, das den Auftakt oder Abschluss dieser Wege bildet.
Der erste Weg ist ein âWeg der Spurenâ, er verbindet die freigelegten sichtbaren Relikte des GelĂ€ndes.
Der zweite Weg ist ein âWeg der Erinnerungâ, entlang der fehlenden oder nicht freigelegten Relikte.
Auf beiden Wegen befinden sich beleuchtbare Informationspunkte in Form von Plattformen mit WechseltrĂ€gern fĂŒr Infotafeln und Sitzgelegenheiten.
âWeg der Spurenâ
Betritt man die Topographie des Terrors ĂŒber die EingĂnge an der WilhelmstraĂe oder an der NiederkirchnerstraĂe, hat man die Möglichkeit ĂŒber den historischen Gehweg der Prinz-Albrecht-Strasse, zwischen dem Denkmal der Berliner Mauer und dem Ausstellungsgraben, zu laufen oder direkt in die ehemaligen Keller der HĂ€user an der Prinz-Albrecht-StraĂe hinabzusteigen und die Ausstellung zu besichtigen.
Zur Ăberquerung des Ausstellungsgrabens gibt es einen Ăbergang, der bewusst neben dem ehemaligen Eingang des Hauses Nr. 8 liegt.
Der âWeg der Spurenâ verbindet als weitere Stationen die Kellerkronen der HĂ€user WilhelmstraĂe 98-101, die Fundamentreste des Prinz-Albrecht-Palais, den Splittergraben, den KĂŒchenkeller, die Reste der GefĂ€ngnishofmauer und die Zellenböden miteinander.
Der Weg umrundet eine offene, baum- und strauchfreie, blĂŒhende TrockenrasenflĂ€che auf sandigem Untergrund. Der Trockenrasen wird bestimmt von GrĂ€sern und krautigen Pflanzenarten. Es ist eine extensive FlĂ€che, die zweimal im Jahr gemĂ€ht wird. Die FlĂ€che entwickelt sich ĂŒber mehrere Jahre nach einer Startansaat.
Auf dem Rasen werden die vor der Zerstörung 1945 existierenden baulichen Strukturen als minimale Absenkungen im Terrain sichtbar gemacht. In den Vertiefungen werden zu Kieseln zerkleinerte GebĂ€udereste eingearbeitet. Es entsteht so ein Habitat fĂŒr besonders Trockenheit liebende und kleinwĂŒchsige Pflanzengesellschaften.
Diese âfootprintsâ der HĂ€user bilden ein Boden-/ Rasenrelief, das die irritierende Wirkung der âSteppeâ erhĂ€lt und sich nur bei genauem hinsehen abzeichnet.
Die Ăberdachung des Ausstellungsgrabens ist so positioniert, dass die Berliner Mauer vom Ausstellungsgraben aus und die Kellermauern vom historischen Gehweg aus erlebbar sind.
das ansonsten transluzente Dach wird im Bereich des Eingangs und der Zufahrt des Hauses Nr. 8 verglast.
Der begehbare transluzente âTurmâ markiert die nordöstliche GebĂ€udeecke und Traufhöhe des ehemaligen Hotel Prinz-Albrecht, den damaligen Sitz der ReichsfĂŒhrung-SS.
Die Aussichtplattform gibt einen Ausblick ĂŒber das AusstellungsgelĂ€nde und auf den stadtrĂ€umlichen Zusammenhang.
Der KĂŒchenkeller wird ĂŒber eine Rampe erschlossen und ist transluzent ĂŒberdacht.
Die ehemaligen Zellenböden sind mit einer transluzenten HĂŒlle eingehaust, um im Inneren eine wĂŒrdevolle diffuse Lichtstimmung zu erzeugen. Schiebeelemente ermöglichen die grossflĂ€che Ăffnung fĂŒr Feierlichkeiten.
Die Ăberdachungen der Fundamentreste des Prinz-Albrecht-Palais und des Splittergrabens schweben nur knapp ĂŒber dem Terrain und sind glĂ€sern ausgebildet um die Relikte zu schĂŒtzen und den Einblick von oben zu ermöglichen.
âWeg der Erinnerungâ
Der Weg verlĂ€uft entlang der WilhelmstraĂe und umrundet sowohl die
TrockenrasenflĂ€che im Norden, als auch das durch das RobinienwĂ€ldchen landschaftlich ĂŒberformte GelĂ€nde im SĂŒden.
Die offenen, von KrÀutern und GrÀsern bestimmten TrockenrasenflÀchen halten den Blick auf die Ausgrabungsrelikte offen.
Der Robinienwald ist kennzeichnend fĂŒr AufschĂŒttungsböden von kriegszerstörten Baublöcken.
Mit der Zeit sterben einzelne BÀume ab. Der Raum wird von Spitz- und Berg-Ahorn eingenommen. Damit bahnt sich eine allmÀhliche Umwandlung der Pioniergehölze zu Mischgehölzen und eine Weiterentwicklung zu heimischen Gehölzen an.
Durch die Sukzession des RobinienwÀldchens verschwinden allmÀhlich die Hinweise auf die Baublöcke.
Lediglich die InformationtrÀger weisen auf die ehemalige Nutzung hin.
Dokumentations- und Besucherzentrum
Der eingeschossige pavillonartige Bau soll zu Gunsten der Aufmerksamkeit fĂŒr das GelĂ€nde nicht stĂ€dtebaulich markant in Erscheinung treten und keine historischen Baulinien oder BezĂŒge aufnehmen.
Die âimmaterielleâ Haut und die sachlich-funktionale Erscheinung des GebĂ€udes unterstreichen dieses Ziel.
Durch die Positionierung des Neubaus entsteht eine bauliche Verdichtung im nordwestlichen GrundstĂŒcksbereich, die einen bewussten Kontrast zum Bereich der kargen Unwirtlichkeit im östlichen Teil des GelĂ€ndes bildet.
Der Neubau liegt in direkter NĂ€he zum Haupteingang des Gropius-Baus und dem Eingang des GelĂ€ndes an der NiederkirchnerstraĂe, da die meisten Besucher das GelĂ€nde aus Richtung Potsdamer Platz betreten.
Der Haupteingang des Dokumentations- und Besucherzentrums orientiert sich ebenfalls in diese Richtung, jedoch ermöglichen weitere EingÀnge das Einbinden des Ausstellungs- und Veranstaltungsbereichs in die RundgÀnge auf dem GelÀnde.
Die einzelnen Bereiche des Dokumentationszentrums sind als ablesbare Kuben in den quadratischen Baukörper eingestellt und setzen so das System des Ausstellungsrundgangs, die Aneinanderreihung einzelner Stationen, fort.
Die flexible Nutzung und unterschiedliche Zusammenschaltung der Bereiche ist durch die erdgeschossige Anordnung aller fĂŒr die Ăffentlichkeit zugĂ€ngigen Bereiche optimal gegeben.
Verbindendes Element ist das Foyer. Durch dessen z-förmige Form ist die ungestörte Nutzung durch mehrere Gruppen möglich.
Der wissenschaftliche Bereich mit Institut, Verwaltung und Bibliothek ist zweigeschossig ausgebildet.
Konstruktion und Gestaltung
Ein Raster aus eingespannten StahlstĂŒtzen mit einem tragendem Rost aus schlanken Stahlschwertern bildet das konstruktive GerĂŒst des quadratischen GebĂ€udes.
Die AussenhĂŒlle ist eine zweischalige Fassade aus einer innen liegenden Pfosten-Riegel-Fassade mit mattierten oder klaren Glasschieben und einer auĂen liegenden Transluzenten gespannten Haut, die zugleich als Sonnenschutz fungiert.
Im Sockelbereich endet die Aussenhaut 25 cm oberhalb des GelĂ€ndes. Der eingerĂŒckte glĂ€serne Sockel erweckt den Eindruck als wĂŒrde das GebĂ€ude schweben. Das Niveau des GelĂ€ndes lĂ€uft von innen nach auĂen sichtbar durch.
Unterschiedliche Transparenzgrade der transluzenten Haut ermöglichen im Bereich der BĂŒros SichtbezĂŒge nach draussen, wĂ€hrend in den Ausstellungsbereichen zwar Tageslicht einfĂ€llt, jedoch die Mattierung der Glasscheiben die Ausblicke auf Licht und Schattenspiele reduziert und das Interesse auf die Ausstellung konzentriert.
Im Bereich der FoyerflĂ€chen fehlt die AuĂen liegende Haut und klare GlĂ€ser ermöglichen vielfĂ€ltige SichtbezĂŒge zwischen Innenraum und FreigelĂ€nde.
Alle öffentlichen Bereiche werden ĂŒber eine abgehĂ€ngte Lichtdecke belichtet, die durch die Bespannung mit transluzenter Mikrosorberfolie zugleich die gewĂŒnschte Raumakustik gewĂ€hrleistet.
Lichtleisten in den StoĂfugen der Deckelemente können je nach Bedarf mit einzelnen Strahlern bestĂŒckt werden.
Ausserdem befinden sich in den StoĂfugen Abluftprofile zur RĂŒckfĂŒhrung der ĂŒber die Sockelbereiche der nicht tragenden InnenwĂ€nde und Konvektoren an der Fassade eingeblasenen Zuluft.
Die Bibliothek ist zum Foyer hin verglast um Ein- und Ausblicke bei gleichzeitig ungestörter ruhiger ArbeitsatmosphÀre zu schaffen.
Das Cafe mit Innenhof kann durch mobile TrennwÀnde je nach Bedarf vom Foyer getrennt oder zugeschaltet werden.
Die zurĂŒckhaltende Gestaltung des Neubaus entspricht seiner Funktion als Ort fĂŒr wissenschaftlich-pĂ€dagogische Arbeit und AufklĂ€rung. Das GebĂ€ude und das GelĂ€nde sollen weniger GedenkstĂ€tte, als âDenkortâ und âLernortâ sein, ein Ort zum Nachdenken.
Die lichtdurchfluteten RĂ€ume, groĂzĂŒgigen Foyerbereiche mit Infobereichen, die offen gestaltete Bibliothek und das innenliegende Cafe bieten hierfĂŒr den geeigneten Rahmen.
Lageplan
Eingangsbereich
Eingangsbereich
Luftbild
Luftbild
Foyer
Foyer
Ausstellungsraum
Ausstellungsraum
Café
Café