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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2024

Umbau Hugenottenhalle und Stadtbibliothek in Neu-Isenburg

Anerkennung

Preisgeld: 16.070 EUR

MEURER GENERALPLANER GMBH

Architektur

BIERBAUM. AICHELE. landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

roomservice 3d

Visualisierung

Erläuterungstext

Leitidee
Die in die Jahre gekommene Hugenottenhalle wandelt sich. Mit Respekt vor dem Bestehenden
entsteht durch konsequente Eingriffe ein bürgeroffener Ort der Mitte. Dabei
ist die Grundstruktur des Bestands – sein tragendes Grid (Raster) – die Basis des
räumlichen Konzepts, welches auf Transparenz, Offenheit und Wandelbarkeit angelegt
ist. Ziel ist die Schaffung eines aneignenbaren Gebäudes mit „geringer Schwelle“.
Ein Gebäude, welches Interpretationen durch seine Benutzer zulässt und Umbauten
im Laufe seines Lebenszyklus nicht als Problem, sondern als inhärentes Konzept ermöglicht.
Das Grid, ein vielfältiges Merkmal auch der hugenottischen Siedlungen, wird zum
neuen Signé und zum räumlichen Konzept des Gebäudes. Tragwerk und Raumkonzept
zugleich, ordnet es sämtliche Bereiche. Die Stützenstruktur des Gebäudes ist ein
„Ermöglicher“, insofern es in der Ausbildung der Räume nahezu unbegrenzte Freiheit
lässt. Lediglich limitiert durch die Erfordernisse des vorbeugenden Brandschutzes,
bedeutet die Trennung von Tragwerk und Ausbau die maximale konzeptionelle Freiheit
und Offenheit des Grundrisses.
Das „open house“ soll über seine transparente Hülle eine Einladung an die Besucher
aussprechen, die dann im Inneren über einen maximal offenen und gestaltbaren
Grundriss mit variantenreicher Möblierung ergänzt wird.
Dabei gehen die verschiedenen Nutzungsbereiche ineinander über, bilden keine harten
Grenzen sondern laden zum Erkunden ein.
Man erschließt das Gebäude aus Richtung Frankfurter Straße kommend über ein
zentrales Foyer, welches als Verteilerraum – auch in der Vertikalen – fungiert. Im Erdgeschoss
erreicht man auf kurzem Weg den Saal und im Untergeschoss die Serviceräume.
Auch die Gastronomie kann hierüber erreicht werden, bleibt aber zusätzlich
auch separat erschließbar und damit auch außerhalb der Öffnungszeiten der Halle
nutzbar.
Der Saal, zentrales Element des Gebäudes, wird in seiner Geometrie und seinem
Tragwerk belassen. Seine Oberflächen werden erneuert (helle Eiche, sägerauh), die
Deckenflächen erhalten eine abgehangene dreidimensionale Konstruktion zur Aufnahme
von Beleuchtung und Technikelementen. Nach Osten und Westen erhält der
Saal Seitenoberlicht, welches durch Verdunklungsvorrichtungen schaltbar ist. Nach
Süden zum Rosenauplatz ist der Saal erweiterbar. Hier sind verschiedene Spielarten –
auch parallele Schaltungen von Veranstaltungen darstellbar. Eine Öffnung des Eventfoyers
zum Rosenauplatz ist ebenerdig möglich; somit können Veranstaltungen auch
die Beziehung innen – außen mit in die Konzeption einbeziehen.
Durch eine „Raum-in-Raum“ Konzeption kann ein Kammermusikraum inmitten des
Saals abgebildet werden (mobile, flexible Abtrennung).

Die Bibliothek kann auf direktem Weg aus dem Erdgeschoss erreicht werden. Der Bestandsbau
erfährt hier eine Erweiterung in nördlicher Richtung sowie eine Aufstockung
um ein Geschoss.
Um den Bebauungsplan nicht ändern zu müssen, wird auf eine Aufstockung um ein
weiteres Geschoss verzichtet.
Im Erdgeschoss bleibt eine Verbindung zwischen den beiden Plätzen erhalten. Im 1.
Obergeschoss verbinden sich die beiden Baukörper und es entsteht die auch jetzt
schon vorhandene Möglichkeit des Übergangs von Saalbau zu Bibliothek.
Genau in diesem Bereich – der Schnittmenge zwischen den Funktionen – liegen die
Gemeinschaftsbereiche mit offenen Nutzungsabschnitten (Café, Makerspace, Seminar,
etc.). Sie bilden die Mitte des Hauses, sind Treffpunkt und Ausgangspunkt von
Veranstaltungen in den Obergeschossen.
Die Erweiterung im östlichen Teil schafft Möglichkeiten für flexibel anmietbare Tagungs-
und Büroräume. Auch coworking ist hier denkbar.
Die Anlieferung verbleibt auf Grund der Struktur des Gebäudes an Ort und Stelle. Auch
im Bereich des Untergeschosses werden die Tiefgarage und wesentliche weitere Teile
des Bestands geometrisch unverändert belassen und lediglich renoviert.
Eine wichtige Ergänzung stellt der Dachgarten (OG3) dar. Die Idee dahinter ist, die
Stadtebene durch eine weitere Ebene zu erweitern und einen „Besonderen Ort“ zu
schaffen, den Neu-Isenburg so noch nicht hat. Die Fläche über dem Haus wird als
multifunktionaler Aufenthaltsort konzipiert. Er ist über die zentrale Erschließung des
Gebäudes kontrolliert zugänglich (Treppe/Aufzug). Hier können weitere Aufenthaltsbereiche
im Freien geschaffen werden, Sport- und Freizeitangebote, wie auch eine
Dependence des Cafés. Darüber hinaus begrünte Bereiche.
Gerahmt wird diese Ebene durch das Grid – ein Gerüst aus Metall – welches einerseits
Photovoltaik trägt und verschattete Bereiche schafft, andererseits als Rankgerüst für
Pflanzen (Wilder Wein, Blauregen, etc.) dient.
In der Summe entsteht ein neuer Ort, der Potenziale entwickelt der Dritte Ort in Neu-
Isenburg zu werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser/innen überführen die vorhandene, sehr zerklüftete Baumasse in eine klare städte-bauliche Komposition, die aus zwei rechteckigen, miteinander verschnittenen Kuben besteht. Dadurch entsteht bereits auf den ersten Blick eine wohltuende städtebauliche Ordnung. Um allerdings die geforderten Flächen ohne Aufstockung unterzubringen wird der Hauptbaukörper nach Süden um ein Raster - die Verfasser bevorzugen den Begriff ‘grid‘ - erweitert. Diese Maßnahme führt zu einer deutlichen Verkleinerung des Rosenauplatzes.

Im Erdgeschoss bleibt die Bibliothek ein separater Baukörper, wie es auch gegenwärtig der Fall ist. Die bisher bestehende Möglichkeit den großen Saal, der in seiner Gesamterscheinung überwiegend erhalten bleiben soll, bei Veranstaltungen zum Rosenauplatz zu öffnen, wird durch die Anordnung der Breakout Räume in diesem Bereich erschwert. Die dort notwendigen, aufwändigen Trennwände sind nur angedeutet dargestellt.

In diesem Bereich des Gebäudes ordnen die Verfasser zwei neue Fluchttreppenhäuser mit Aufzügen an. Die bestehenden Treppenhäuser werden grundsätzlich entfernt. Im Gegenzug wird eine großzügige Wendeltreppe in der Süd-West Ecke des Foyers zur vertikalen Erschließung vorgeschlagen. Das Foyer wirkt angemessen großzügig und wird über einen Luftraum mit dem 1. OG verbunden. Hier befindet sich ein Foyerraum der erwarten lassen würde, dass die gewünschte beiläufige Verbindung von Musikschule, Bibliothek und Medienräumen entsteht. Leider hat dieser Bereich mit Ausnahme der Wendeltreppen keinen Bezug zum Eingangsfoyer. Die Verfasser/innen beschreiben das Gebäude als ein Gerüst, das beliebig ausgebaut und angepasst werden kann. Allerdings entsteht durch die Setzung der Treppenkerne und der WC-Bereiche so-wie der Deckenöffnungen zwangsläufig ein räumliches System, das Flure notwendig macht. Problematisch erscheint auch, dass ein Großteil der Bibliothek im UG untergebracht wurde und damit dem vorhandenen Baumbestand bedenklich nahe rückt. Die dort vorgesehene Bodenverglasung wird kritisch gesehen.

Eine Stadtgalerie mit Flächen für wechselnde Ausstellungen wurde im 1. OG vorgesehen. Die ausgewiesene Fläche ist gut nutzbar und hat Ausbaupotential. Sie ist im Gelenk zwischen zwei Gebäudeteilen geplant, was auch die Präsentation von Skulpturen unterstützt. Ein Stadtarchiv mit Lesesaal wurde im 2. OG geplant. Die direkte Nähe zu Café, Lesegarten, Stadtgalerie und zu Teilen der Bibliothek ermöglichen eine Vernetzung der Nutzergruppen. Die Lage über dem Saal bedeutet jedoch, dass die Räume bei Veranstaltungen nicht genutzt werden können, da ein ruhiges Arbeiten in diesem Fall unwahrscheinlich ist.

Die Möglichkeit der Parallelität von Exklusivveranstaltungen (z.B. Kongress mit Plenum und Tagungsbereichen oder Großkonzert mit 1.800 Besuchern) mit weiterer Nutzung des Hauses wäre zu konkretisieren. Hier ist insbesondere auf die Nutzung der WC-Anlagen und Garderoben hinzu-weisen, aber auch auf den Betrieb der VVK-Stelle bzw. Einlasssituation bei größeren Veranstaltungen. Die Backstageräume im UG sind nur über Treppen erreichbar, unterdimensioniert und weisen kein Tageslicht auf. Die Tagungsräume im 2. OG sind über ein Treppenhaus direkt er-schließbar, das allerdings auch durch einen ‘nicht öffentlichen Geschossbereich‘ im 1. OG (Verwaltung) führt. Die akustische Abtrennung vom großen Saal zu den anderen Funktionsbereichen wäre kritisch zu überprüfen. Gleiches gilt für die Machbarkeit der Trucking-Andienung.

Das Erscheinungsbild der Hugenotten Halle wird durch die vorgeschlagene neue Fassadenkonstruktion gänzlich verändert. Obwohl das Modell einen hellen, freundlichen Eindruck macht, sieht das Preisgericht diese radikale Veränderung kritisch. Durch die hochgezogenen Fassaden erweckt das Gebäude einen viergeschossigen Eindruck. Den Verfassern ist wichtig, dass auf dem Dach ein neuer Ort entsteht, der durch die Fassaden eine angemessene Rahmung erhält. Hier werden auch Solarkollektoren installiert, um das Gebäude mit Energie zu versorgen. So freundlich der Gedanke der begrünten Dachebene auch erscheint, bezweifelt die Jury deren Erfolg. Kosten und Nutzen stehen in Bezug auf diese Maßnahme in keinem glücklichen Verhältnis, da es schwierig ist, Besucher/innen dort hin zu locken und der Pflegeaufwand sehr hoch sein wird.

Die Vorschläge zur Konstruktion folgen der allgegenwärtigen Verwendung von Holz zum Nachweis der Nachhaltigkeit, erscheinen insgesamt sinnvoll. Erstaunlich ist jedoch, dass die äußere Erscheinung des Gebäudes eher als filigraner Stahlbau wahrgenommen wird. Für die Stahlskellettkonstruktion ist eine detaillierte Betrachtung der Wärmebrücken und Abdichtungen notwendig. Da im Bestand umfangreiche Rückbauten vorgesehen sind, ist die Aussteifung und der Lastabtrag kritisch zu prüfen.

Die gut strukturierten, neu angeordneten Rettungswege erschließen alle Geschosse. Da keine offene Halle geschaffen wird, besteht lediglich die Anforderung, in den jeweiligen Geschossen eine Abschnittsbildung zu konkretisieren. Sofern die im Entwurf dargestellte Wendeltreppe als Rettungsweg für die Versammlungsstätte mit heterogenen Nutzungen angesetzt wird, ist sie ebenfalls kritisch.

Der Vorschlag, das gesamte Umfeld der Hugenottenhalle durch eine intensive Begrünung und Pflanzflächen aufzuwerten, ist überzeugend und führt zu einem atmosphärischen Freiraum im Umfeld der Stadthalle. Die Aufwertung des Vorplatzes durch Begrünung, Sitzbänke, ein Wasser-spiel sowie eine Gastroterrasse ist gelungen. Der hohe Grünanteil sowie der weitgehende Erhalt der vorhandenen Bäume werden begrüßt. Der Austausch aller vorhandenen Oberflächen im Umfeld der Hugenottenhalle, einschließlich des Rosenauplatzes, in einen einheitlichen Belag aus Drainasphalt wird hingegen kritisch gesehen und als nicht angemessen erachtet. Die Verkleinerung des Rosenauplatzes wird sich nachteilig auf dessen Nutzung als Freiraum auswirken.

Der rechtwirksame Bebauungsplan Nr. 15 a legt neben der festgesetzten Nutzung Stadthalle – Bürgerhaus ausschließlich die maximale Geschossigkeit von drei Vollgeschossen fest. Der Dachgarten darf daher kein Vollgeschoss abbilden und muss als offene Konstruktion ablesbar bleiben. Die bestehenden oberirdischen Stellplätze wären im weiteren Verfahren in der Anzahl nachzuweisen.

Insgesamt handelt es sich um eine gründliche und sehr elegante Arbeit. Das Preisgericht stellt jedoch die Angemessenheit der vorgeschlagenen Umformung und das Angebot der Dachterrasse in Frage.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Dachgarten

Grundriss Dachgarten

Prinzip Klimaengineering

Prinzip Klimaengineering

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Grundriss Untergeschoss

Grundriss Untergeschoss

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnitt B-B

Schnitt B-B

Ansicht Süd | Rosenauplatz

Ansicht Süd | Rosenauplatz

Ansicht West | Haupteingang

Ansicht West | Haupteingang

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost