kooperatives Werkstattverfahren in 2 Stufen | 05/2023
Umbau Karstadt an der Müllerstraße in Berlin-Wedding
©GRÜNTUCH ERNST ARCHITEKTEN
2. Preis
Preisgeld: 20.000 EUR
Schöne Neue Welt Ingenieure PartG mbB
Tragwerksplanung
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Entwurf überrascht! Durch die tiefgehende Weiterentwicklung wurde die in sich gekehrte Struktur von Offenheit abgelöst. Das Beibehalten der monolithischen und kompakten Großform, welche konsequent auf dem Fußabdruck der Bestandsbebauung aufbaut und durch eine klare Trennung der hybriden Mischnutzung des Gebäudekomplexes gekennzeichnet ist, wird positiv gewürdigt.
Städtebaulich werden drei separate Baukörper ausgebildet, in denen spezifische Nutzungen verortet sind. Zur Müllerstraße wird ein weitgehend achsensymmetrischer Baukörper für Warenhaus und Büro ausgebildet, dessen Fassaden zur Antonstraße und Schulstraße variieren. An der Antonstraße zeigt sich ein weiterer Baukörper als Haus für gemeinwohlorientierte Nutzungen, im Rücken des Warenhauses wird der dritte Baukörper als Wohnhaus ausgebildet. In Nutzung und Fassadengestaltung funktionieren die verschiedenen Baukörper als weitestgehend separate Einheit. Die so erwünschte stufenweise Realisierungsmöglichkeit kann unter Berücksichtigung bauordnungsrechtlicher, funktionaler und bautechnischer Anforderungen leider nicht überzeugen.
Die Überschreitung der geforderten Traufkante wird geschickt durch Abstaffelungen zum Leopoldplatz kaschiert und schafft so einen gelungenen Übergang zur Nachbarbebauung der Schulstraße. Zum Leopoldplatz öffnet sich die Fassade und erlaubt einen Blick auf die Höfe.
Die Warenhausnutzung wird verstärkt hin zur Müllerstraße ausgerichtet, wodurch im Zusammenspiel mit dem ergänzenden Einzelhandel eine Aufwertung des Außenraumes begünstigt wird.
Die Unterbringung der Warenhausnutzung über 3 Ebenen ist grundsätzlich möglich, die Funktionalität der hier geplanten Verkaufsfläche im 1. Obergeschoss wird kritisch bewertet.
Durch den Entwurf wird ein hoher Anteil an Öffentlichkeit generiert, der sich auf die Dachebenen und den gemeinwohlorientierten Nutzungen in der Antonstraße verteilt. Durch die Terrassierung der Dachlandschaft soll ein Erlebnisraum kreiert werden, der eine Verteilung der öffentlichen Funktionen über den gesamten Landschaftsraum berücksichtigt, die Zuordnung privat zugänglicher Bereiche evaluiert und gesamtheitlich einen Mehrwert für alle Nutzungen schafft.
Der repräsentative Zugang an der Schulstraße stärkt die Adressbildung der Büronutzung, verliert im Inneren jedoch an Klarheit und lässt die innere (barrierefreie) Wegeführung nur schemenhaft erkennen. Im Eckbereich Schulstraße / Müllerstraße wird der U-Bahnzugang in die Eingangssituation des Gebäudekomplexes mit einbezogen. Die Prominenz des Hauptzugangs in das Warenhaus als Entrée wird durch die verlagerte Positionierung an der Müllerstraße allerdings verwirkt.
Der Wohnungsbau verfolgt eine eigenständige Setzung und bildet eine neue Adresse aus. Gesunde Wohnverhältnisse können vor dem Hintergrund der einseitigen Nord-Ost-Ausrichtung, der Tiefe des Gebäudes, der Erschließung einschließlich erforderlicher Rettungswege nur bedingt gewährleistet werden. Die Rücken-an-Rücken von Wohnungsbau und Büronutzungen führt zu Einschränkungen der Nutzbarkeit der Büroflächen.
Aspekte der Erschließung und Mobilität sind durch gute Ansätze gekennzeichnet, erfordern in der Ausformulierung gleichwohl Überarbeitungsbedarf. Insbesondere der Mobility-Hub stellt durch die Mischung von Rad- und Kfz-Parken eine konfliktbelastete Zone dar. Die Lösung der Ver- und Entsorgung mit einer LKW-Drehscheibe wird als innovativer und flächeneffizienter Ansatz gewürdigt, die Funktionalität im Betrieb jedoch bezweifelt.
Von der interessierten Stadtgesellschaft wurden Atmosphäre und Gestaltung des Entwurfs kontrovers diskutiert. Als Schwerpunktthemen zeichneten sich die Fassadengestaltung und das äußere Erscheinungsbild ab. Zum einen begegnet einer stark frequentierten Umgebung eine „ruhige“ Fassade, die durch ihren Anteil an PV-Elementen überzeugen kann. Zum anderen wird diese Fassade als kalt und ohne Bezug zum Umfeld bezeichnet, die einen Fremdkörper am Leopoldplatz hervorbringt. Ebenso steht eine gute Einsehbarkeit der Ladenzeile in der Müllerstraße einem weniger einladend und dunkel wirkendem Zugang zur öffentlich zugänglichen Dachterrasse gegenüber.
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